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Bewährung für Tankstellenräuber

Im Prozess am Bautzener Landgericht wollen zunächst beide Angeklagten nichts sagen. Dann reden sie aber über ihre Motive.

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© Lausitznews

Von Jens Fritzsche

Bautzen. Seinen 18. Geburtstag hat er sich wohl anders vorgestellt. Nach Feiern dürfte Florian O. am Mittwoch nicht zu Mute gewesen sein; denn am nächsten Morgen saß er im Landgericht Bautzen auf der Anklagebank. Gemeinsam mit seinem 20-jährigen Kumpel Dominik D. aus Neukirch. Die beiden hatten im April 2017 die HEM-Tankstelle in Schmölln-Putzkau überfallen und gut 550 Euro Bargeld samt zehn Schachteln Zigaretten erbeutet. So jedenfalls lautete der Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft. Florian O. habe die Tankstelle ausspioniert. Anschließend stürmte Dominik D. hinein und richtete eine täuschend echt aussehende Softair-Pistole auf die Verkäuferin und forderte Bargeld. Sein Kumpel wartete am Auto.

Äußern wollten sich die Angeklagten, denen die Staatsanwaltschaft schwere räuberische Erpressung vorwarf, am Donnerstag zunächst nicht. Also hätte die als Zeugin geladene Verkäuferin den dramatischen Abend noch einmal durchleben müssen. Letztlich ließen sich die beiden in einem Gespräch zwischen Gericht, ihren Verteidigern und der Staatsanwaltschaft überzeugen, doch noch auszusagen. Man hatte ihnen Bewährungsstrafen in Aussicht gestellt. Eine von Dominik D. angebotene Entschuldigung lehnte die Kassiererin allerdings ab.

Ein Blick auf sein bisheriges Leben lässt ahnen, woher die „spontane Entscheidung“ zum Überfall rührte. Es ist die Geschichte eines dramatischen Abstiegs einer Familie, in den Dominik D. als Siebenjähriger geriet. „Wir lebten im Luxus,“, denkt er an die Kindheit in Neukirch. Ein riesiges Haus, Geld, der Vater hatte eine Firma. Doch als die Konkurs anmeldet, beginnt der Vater zu trinken, schlägt den Sohn. Die Ehe der Eltern zerbricht. Das Haus wird zwangsversteigert. Aus dem Behütetsein gerissen, war etwas in dem Jungen zerbrochen. Kurz vor Abschluss der Lehre als Industriemechaniker schmeißt er hin, nach Mobbing in der Berufsschule. Depressionen, Ausweglosigkeit treiben ihn um – und eine unheilbare Nervenkrankheit der Mutter, die nach und nach zu Lähmungen führt. Immer wieder plagen ihn Selbstmordgedanken. Schulden drücken ihn.

Und dann kam dieser 3. April 2017. Er war mit Florian O. unterwegs, um Bier für eine Party zu besorgen. An der Tankstelle in Neukirch. Auf der Rückfahrt sei ihm dann die vermeintlich rettende Idee gekommen; ein Tankstellenüberfall. Die erst frisch bestellte Softair-Waffe hat er noch im Kofferraum, die dunklen Klamotten für spontane Zeltausflüge sowieso; auch eine Sturmmaske. Sie fahren nach Schmölln-Putzkau, parken ein Stück abseits.

„Ich habe Florian zum Bierholen geschickt, damit er nicht mitbekommt, was ich vorhabe“, sagt Dominik D. Aber der Präsident des Landgerichts Friedrich Graf Stolberg glaubt ihm das nicht: „Sie wollen Ihren Freund heraushalten.“ Florian O. räumt schließlich ein, tatsächlich zum Auspionieren geschickt worden zu sein, er wusste von den Überfallplänen. Von der Beute bekommt er nichts.

Für seine Naivität wird er dennoch bestraft: Am Ende bekommen beide eine zweijährige Bewährungsstrafe nach Jugendstrafrecht – mit der Auflage, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Sonst drohen Florian O. ein Jahr Gefängnis, Dominik D. ein Jahr und drei Monate.

Zumindest bei ihm sieht es so aus, dass er sich selbst aus dem Schlamassel zieht. Er hat eine Arbeit, baut Schritt für Schritt seine Schulden ab, zu denen nun noch die Rückzahlung der 550 Euro Beute kommt. Und will demnächst nebenher einen Berufsabschluss als Schweißer absolvieren. „Ziehen Sie die richtigen Lehren aus dieser Chance“, sagt der Richter mit Blick auf das milde Urteil. „Es hätte auch eine Gefängnisstrafe herauskommen können.“