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Jubiläumsparcours mit Pfiff

Stauda feiert 750-jähriges Bestehen. Es geht familiär zu – das merken auch Besucher von außerhalb.

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© Anne Hübschmann

Von Thomas Riemer

Stauda. Der Kurs ist auf meinem Mist gewachsen“, sagt Albrecht Friedrich und zeigt auf die Stationen des bäuerlichen Wettrennens. Er ist eine ganz besondere Herausforderung zur 750-Jahr-Feier von Stauda. Und eine Tradition im kleinen Priestewitzer Ortsteil. „Man braucht aber keine landwirtschaftlichen Vorkenntnisse“, so Albrecht Friedrich. Weil Stauda auch einmal Studow (also Quellort) hieß, geht es naturgemäß mit Wasserschöpfen in eine Milchkanne los. Das Gefäß wird dann mit fünf kleinen Strohballen auf eine Karre gehievt. Beim „Getreidescheffeln“ dienen Walnüsse als Füllstoff. Alles zusammen muss durch ein enges Tor jongliert werden, das schlimmstenfalls einstürzt und dem Team eine kleine Wasserdusche ins Genick schenkt. Geschicklichkeit ist bei der Hufeisenstation gefragt, wo das stählerne U-Teil mit einer Gabel geangelt wird. Bei der Kartoffelwäsche wiederum ist Teamarbeit gefragt – kein Erdapfel darf neben den Eimer fallen – das kostet Zeit und Nerven.

Marco Freigang (37) und Adrian Rothe (9) versuchen sich als Erste und legen zum Gaudi des Publikums eine gute Zeit hin. Den Besten winkt am Ende des Tages ein Pokal. „Ein ganz Besonderer, aus Holz gedrechselt“, sagt Albrecht Friedrich. Zum Dorfjubiläum ist quasi die gesamte Einwohnerschaft – aktuell 98 – auf den Beinen. Die grünen Sweatshirts der Veranstalter dominieren, geschätzt jeder zweite hat sich irgendwie ins Organisationskomitee eingebracht. Die Männer haben die schicken Höfe festlich hergerichtet, Frauen schleppen scheinbar endlos Kuchen-Behälter zum Festgelände, die Kinder freuen sich über ihr wimpelkettengeschmücktes Dorf zwischen dem Berg nach Wantewitz rauf und der Eisenbahnlinie auf der anderen Seite. Martin Friedrich, Sohn von Albrecht, moderiert das Geschehen. In Stauda aufgewachsen und heute in Pirna lebend, ist er extra zum Fest in die Heimat gekommen. Erinnerungen an die Kindheit schwappen hoch. „Wir waren auf dem Hof sechs Jungs. Man nannte uns auch die ,Friedrich-Bande‘“, erzählt der 31-Jährige schmunzelnd, ohne auf Details einzugehen. Familiär geht es auch heute noch im beschaulichen Dörfchen zu. Bei Bier, Kaffee und Kuchen, Beachparty und Roland-Kaiser-Double wird über vergangene Zeiten gequatscht, gesungen, getanzt.

Geschichten und Episoden preiszugeben – dafür ist am Jubiläumswochenende vordergründig Konrad Zscheile zuständig. Beim Dorfrundgang geht es um Histörchen der einzelnen Grundstücke und Höfe oder auch um den alten Bergwall im Ort. Drei Baumstümpfe erinnern an Pappeln, die den jüngeren Sturmkatastrophen zum Opfer gefallen sind. Ein Apfelbaum der eher seltenen Sorte „Kaiser Wilhelm“ blieb davon verschont – und die Rundgangsteilnehmer dürfen von der Frucht kosten. Auf der anderen Seite der Kreisstraße erfahren sie, dass der in den 1990er Jahren gebaute Flutgraben allen Wassermassen der vergangenen Jahre standgehalten, den Ort vor Hochwasser bewahrt hat.

Apropos Wasser: Das Staudaer Nass war schon immer etwas ganz Besonderes. Daher wundert es nicht, dass hier seit 1879 eine kleine Brauerei betrieben wurde. Bis 1963 wurden Bier und bis 1974 alkoholfreie Getränke hergestellt. Die einstige Gaststätte, bis 2011 von Konrad Zscheiles Mutter geleitet, gibt es zwar nicht mehr. Aber wo einst Malztenne, Kühlschiff und Sudhaus waren, befinden sich heute zwei liebevoll gestaltete Feierräume für bis zu 100 Personen – bestens geeignet zum Beispiel für Klassentreffen etc. Eine besondere Überraschung hat Konrad Zscheile für seine Zuhörer noch parat: rote Fassbrause. Zwar nicht aus Staudaer Produktion, aber noch immer mundet sie und weckt Kindheitserinnerungen.

Auch Albrecht Friedrich kennt sie natürlich. Seit 61 Jahren ist er Staudaer. Am Dorfrand betreibt er ein kleines Damwildgehege, der heimische Dreiseithof ist sein Metier. „Ich brauche das alles hier“, sagt er. Umziehen und leben in der Stadt? Für ihn kein Thema. „Da würde ich eingehen wie eine Pflanze.“