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„Jeder Riesaer wäre ein guter Amerikaner“

Wolfram Köhler spricht beim Olympiatalk über Riesas Wettbewerbsvorteil – und neue Ideen für die Sportstadt.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Dick und alt sei er geworden, stellt Wolfram Köhler mit Blick auf die alten Fotos fest. Die Sammlung hat ihm kurz vor Beginn seines Auftritts noch Riesas ältester Fotografenmeister Edgar Schröter überreicht – die Essenz von „Mister Riesas“ Zeit in der Sportstadt, die er selbst kreiert hat. Vom Publikum wird Köhler, der nur knapp zwei Jahre lang Riesas Oberbürgermeister war, empfangen wie ein Rockstar. Eingeladen hatte ihn der CDU-Landtagsabgeordnete Geert Mackenroth zu seiner Talkreihe im Sport- und Freizeitzentrum Olympia.

Janine Danisch (28):.„Ich habe Wolfram Köhler vorher noch nie gesehen. Als er wegging, war ich zu jung. Aber ich weiß, dass er viel aus Riesa gemacht hat. Ich wollte schauen, ob das positive Bild, das ich von ihm habe, stimmt. Die 18-Jährigen von heute sa
Janine Danisch (28):.„Ich habe Wolfram Köhler vorher noch nie gesehen. Als er wegging, war ich zu jung. Aber ich weiß, dass er viel aus Riesa gemacht hat. Ich wollte schauen, ob das positive Bild, das ich von ihm habe, stimmt. Die 18-Jährigen von heute sa © Sebastian Schultz
Manfred Dönicke (79): „Ich habe Köhler kennengelernt, als er Präsident der BSG Stahl Riesa war. Ich wollte sehen, was aus ihm geworden ist. Er hat vieles in der Stadt geschaffen – wie die Arena. Wenn er noch Bürgermeister wäre, würden die Straßenbaustelle
Manfred Dönicke (79): „Ich habe Köhler kennengelernt, als er Präsident der BSG Stahl Riesa war. Ich wollte sehen, was aus ihm geworden ist. Er hat vieles in der Stadt geschaffen – wie die Arena. Wenn er noch Bürgermeister wäre, würden die Straßenbaustelle © Sebastian Schultz
Erika Werk (79): „Wolfram Köhler hat Riesa geprägt. Seine Spuren sind ja bis heute zu sehen. Er war ein guter Oberbürgermeister, weil er auf die Leute zugegangen ist – und er hatte tolle Einfälle, die Olympiabewerbung zum Beispiel. Das ist zwar schiefgega
Erika Werk (79): „Wolfram Köhler hat Riesa geprägt. Seine Spuren sind ja bis heute zu sehen. Er war ein guter Oberbürgermeister, weil er auf die Leute zugegangen ist – und er hatte tolle Einfälle, die Olympiabewerbung zum Beispiel. Das ist zwar schiefgega © Sebastian Schultz

Wegen des enormen Andrangs musste die Veranstaltung diesmal im Indoor-Spielplatz stattfinden. Etwa 300 Zuschauer sind gekommen. Und so saß der weit gereiste Gast schließlich zwischen hölzernen Spielhäuschen und Klettergerüsten. Seit mehr als zehn Jahren lebt Wolfram Köhler mit seiner Frau in Florida/USA. „Länger als ich in Riesa war.“ Er sei damals gegangen, weil ihm „nach Affären die Presse an den Fersen heftete“. Wir erinnern uns: Köhler hatte die Idee mitentwickelt, die Olympischen Sommerspiele 2012 nach Sachsen zu holen. Er wurde daraufhin als Staatssekretär nach Dresden berufen – hielt sich jedoch nicht lang, da er verdächtigt wurde, bei einem Sponsor unberechtigte Provisionen für seine Frau herausgehandelt zu haben. Alle Vorwürfe wurden fallengelassen, das Verfahren eingestellt. „In Florida konnte ich dann aus dem Haus gehen, ohne mir Gedanken darüber zu machen, was ich anziehe.“ Seinen persönlichen „American Dream“ zog er damals einem sicheren Sitz im Landtag in den Reihen der CDU vor.

Bereut hat er die Entscheidung nie, sagt er. Der Landtag habe ihn gelangweilt. Wenn Sicherheit und Freiheit zur Auswahl stehen, dann muss Köhler nicht lang überlegen. „Ich liebe die Amis dafür, dass sie gleich wieder aufstehen, wenn sie Krachen gehen. Scheitern gehört dort zum Leben dazu. Niemand schämt sich dafür.“

Ein Stück der US-Mentalität komme ihm aus Riesa bekannt vor. „Riesa als alte Industriestadt hat es im Wettbewerb mit anderen Städten schwer. Nur Hoyerswerda ist vielleicht noch schlechter dran.“ Doch Riesa habe ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal. „Hier lässt man die Leute, die Ideen haben, einfach machen. Das habe ich hier ja selbst erlebt. Jeder Riesaer wäre damit ein guter Amerikaner.“ Diese Qualität sollte man seiner Ansicht nach wieder mehr nutzen. „Das ist Riesas Chance.“ Ob gewollt oder ungewollt kritisiert Köhler an diesem Abend immer wieder die aktuelle Rathausführung. „Klar, die Stadt hat sich verändert, seitdem ich weg bin. Es gibt viel Leerstand auf der Hauptstraße.“ Aber was nütze es, sich darüber zu beklagen, sich zurückzulehnen und zu sagen: Wir können auch nichts tun, fragt Köhler. „Wenn es keine Mieter für die Geschäfte gibt, dann sucht gefälligst welche. Dafür gibt es eine Stadtverwaltung.“ Applaus! Einen konkreten Vorschlag nennt er nicht.

Nicht weniger Seitenhiebe verteilt er beim Thema Sportstadt. Die habe er im Übrigen nicht wegen persönlicher Vorlieben etabliert. „Wir haben es erst mit einem großen Kleinkunstfestival versucht. Dafür wurden am Ende 60 Karten verkauft. Danach haben wir Harald Czudaj als Bobolympiasieger eingeladen.“ Doch Czudaj selbst sei gar nicht aufgetaucht. Er habe das „Team Czudaj“ geschickt. „Und das bestand an jenem Tag einzig aus seinem Bremser, aber der Rathausplatz war voll – und die Leute begeistert. Das hat mir das Zeichen gegeben: Die Riesaer lechzen nach Sport.“ Köhler gehört nicht zu jenen, die die Sportstadt für tot erklärt haben. „Da kann man noch was draus machen. Vielleicht nicht unbedingt mit den Topleistungssportlern. Aber wie wäre es, wenn sich Riesa als Stadt für Trainingslager etabliert?“ Er spreche da nicht von drei oder vier Camps im Jahr, sondern von 60. „Dann wären die Sportstätten auch wieder ausgelastet.“ Aber das müssten die Entscheidungsträger vor Ort selbst wissen. Für Köhler steht fest: Riesa muss dringend entscheiden, wo es hinwill. Diese Orientierung vermisse er auch in der Vorbereitung auf den Tag der Sachsen 2019. „Was will Riesa da verkaufen? Für die eigene Vermarktung ist das immens wichtig. Wenn es keine Antwort auf diese Frage gibt, kann man es gleich lassen und nur ein normales Stadtfest feiern. Das ist billiger.“

Von seiner Macher-Einstellung hat Wolfram Köhler nichts eingebüßt – zumindest rhetorisch. Und was macht er in den USA? Uhren reparieren, das ein oder andere Projekt. Da bleibt er vage. In die Politik wolle er in den USA jedenfalls nicht einsteigen. „Dafür ist mein Englisch zu schlecht.“