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Ist eine Firma in Altweinhübel zu laut?

Anwohner wenden sich mit 25 Fragen zum Unternehmen MFV an die Stadt. Dessen Chef kommt den Nachbarn entgegen.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Mit seiner Anfrage im Stadtrat hat Dieter Gleisberg offenbar voll ins Wespennest gestochen. In öffentlicher Sitzung wollte der CDU-Fraktionschef wissen, wie es um die Lösung der Probleme zwischen der in Altweinhübel ansässigen Maschinenbaufirma MFV und den Anwohnern im Umfeld der Firma steht. Baubürgermeister Michael Wieler reagierte relativ knapp: Ja, es habe konstruktive Versammlungen mit Firma, Anwohnern und Ämtern gegeben. Gelöst seien die Probleme aber noch nicht, weitere Gespräche seien nötig.

Doch worum geht es eigentlich genau? „Im Grunde waren es drei Probleme“, sagt auf Nachfrage ein Sprecher der Anwohnerinitiative, der namentlich nicht genannt werden will. Zum einen seien große Lieferwagen über die viel zu enge Seidenberger- und Posottendorfer Straße eingefahren und hätten Straße und Grundstückseinfahrten blockiert, ein Brückengeländer zerstört und Poller umgefahren. Das Zweite sei der Lärm: Früher sei 17 Uhr Ruhe gewesen, ab September 2017 sei die Firma zum Zweischichtbetrieb übergegangen, sodass es bis 22 Uhr, manchmal gar bis 22.30 Uhr, laut sei. „Wir haben einen anerkannten Lärmschutzgutachter mit einer Messung am nächsten schützenswerten Ort beauftragt, also am nächsten Kinderzimmerfenster“, sagt der Mann. Das Ergebnis sei ein Durchschnittswert von 64 dB (A) gewesen, der erlaubte Grenzwert liege bei 60dB (A). Und drittens sei eine Geruchsbelästigung hinzugekommen, seit MFV mit Lackierarbeiten begonnen habe: „Je nachdem, wie der Wind steht, sind Anwohner betroffen.“

Die Initiative hat 83 Unterschriften gesammelt, darunter 82 tatsächlich aus Altweinhübel. Sie sind Bestandteil eines Briefes, den die Initiative bereits im Oktober zusammen mit 25 Fragen an die Stadt geschickt hat. „Uns geht es keineswegs darum, die Firma zu vertreiben“, betont der Mann. Immerhin sind dort 25 Arbeitsplätze entstanden, die auf keinen Fall gefährdet werden sollen. Die Bürger seien an einem guten Miteinander interessiert – und wollten von der Stadt hauptsächlich die Rahmenbedingungen wissen, also beispielsweise, wie es um die Baugenehmigung steht: „Deshalb haben wir uns zunächst an die Stadt gewandt und nicht an die Firma.“

Allerdings haben längst nicht alle Anwohner unterschrieben. Mehrere Verantwortliche der Interessengemeinschaft (IG) Dorfanger distanzieren sich auf Nachfrage von dem Schreiben an die Stadt. Auch sie wollen nicht namentlich genannt werden, denn sie haben Angst, es sich dadurch mit den anderen Leuten zu verderben. „Wir wollen keinen Kleinkrieg untereinander“, betont eine Frau von der IG Dorfanger. Ein Mann ergänzt, dass er selbst in der Nähe wohne und keine Probleme mit Lärm oder Geruch habe. Und beide betonen, dass sie einen sehr guten Draht zu MFV-Chef Roman Broshin haben: „Er unterstützt uns sehr bei unseren Initiativen und Festen am Anger.“ Darüber seien sie sehr glücklich.

Broshin ist enttäuscht, dass sich die anderen Anwohner an die Stadt und nicht direkt an ihn gewandt haben: „Einiges hätten wir im direkten Kontakt klären können, wenn ich von den Problemen gewusst hätte.“ Vieles sei aber jetzt entschärft, vor allem das Verkehrsproblem. Die Firma MFV hat ihren Sitz an der Ecke Seidenberger-/Neusiedler Straße. Inzwischen hat sie sich von der Stadt eine Lieferadresse in der Neusiedler Straße geben lassen. Außerdem hat die Stadt an der Zittauer Straße drei Schilder aufgestellt, die darauf hinweisen, dass die Zufahrt über die Neusiedler Straße geht. „Das funktioniert tatsächlich“, sagt auch der Sprecher der Anwohner. Jetzt fahre nur noch selten ein großer Lkw über die anderen beiden Straßen zur Firma – eine deutliche Entlastung für die Anwohner. Allerdings eine Belastung für die ohnehin schlechte Neusiedler Straße: „Dort hat es seither zwei Wasserrohrbrüche gegeben.“

Worüber er aber am meisten enttäuscht ist: „Die Stadt hat acht Monate gebraucht, um unsere 25 Fragen zu beantworten.“ Erst Mitte Juli kam die Antwort: „Da ist es doch kein Wunder, wenn Bürger ämterverdrossen werden.“ Am 26. Juni gab es aber eine Versammlung mit allen Beteiligten. Das bestätigen Stadt und Landkreis. „Bei den Gesprächen wurden die Rechtslage erläutert sowie Lösungswege aufgezeigt und abgestimmt“, sagt Hartmut Wilke vom Amt für Stadtentwicklung. MFV-Vertreter und Bewohner hätten sich gegenseitig ihre Bereitschaft zugesagt, aufeinander Rücksicht zu nehmen. „An der Umsetzung von Maßnahmen arbeitet MFV zur Zeit, dabei hält die Firma die Fachämter in der Stadtverwaltung und im Landratsamt auf dem aktuellen Stand“, so Wilke. Firma und Wohnungen haben nach seiner Aussage in gleicher Weise ihre Daseinsberechtigung auf Grundlage des gesetzlich zugesicherten Bestandsschutzes im Rahmen ursprünglicher Bau- und Nutzungsgenehmigungen.

Nach Aussage von Landkreis-Sprecherin Julia Bjar handelt es sich um keine nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlage. Am 26. Juni seien Maßnahmen vereinbart worden, die zur Verbesserung der Situation führen können. „Eine Auswertung einer von MFV veranlassten Lärmmessung an den Arbeitsplätzen durch die Berufsgenossenschaft steht noch aus“, sagt Julia Bjar. Anhand der Ergebnisse der Messung und nach der Umsetzung der am 26. Juni vereinbarten Maßnahmen soll der Sachverhalt „bedarfsweise“ erneut geprüft werden. Dazu bleibe die Untere Immissionsschutzbehörde des Landkreises mit den Beteiligten in Kontakt.

Broshin hat nach eigener Aussage seit dem Gespräch viele freiwillige Maßnahmen umgesetzt oder vorbereitet. Um Lärm zu reduzieren, habe er die Verladezeiten für Schrott generell in den Vormittag verlegt. Zudem öffne MFV die Werktore nicht mehr dauerhaft, sondern nur noch zum Durchlüften, sodass besonders in den Morgen- und Abendstunden weniger Lärm nach draußen dringt. Ein Filter soll zum Lärmschutz eingehaust werden: „Noch in diesem Jahr errichten wir eine Schallwand oder einen Schallwinkel und hoffen, dass sich dadurch die Situation für die Anlieger verbessert.“ Nicht zuletzt hat Broshin jetzt ein neues Airless-Lackiersystem, das nicht so stark zerstäubt: „Dadurch entsteht weniger Geruch.“ Zusätzlich soll spätestens Anfang 2019 auch eine Absauganlage aufgestellt werden. Broshin bedauert, dass er das Lärm-Messprotokoll der Anlieger bisher nicht erhalten hat: „Dadurch wissen wir nicht, wo wir stehen.“ Er würde gern Hand in Hand mit den Anwohnern zusammenarbeiten – und hofft auf direkte Gespräche.