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Insolvenzverwalter offenbart Wissenslücken

Bruno Kübler vertritt die Interessen der Gläubiger. Von der Stadt Dresden fordert er viele Millionen Euro Steuern zurück.

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© kairospress

Von Ulrich Wolf

Bestückt mit gleich zwei Rollkoffern betrat Bruno Kübler den Verhandlungssaal. Der 71-Jährige ist einer der größten Insolvenzverwalter Deutschlands und an diesem Montag ein wichtiger Zeuge im Mammutprozess um den Dresdner Finanzdienstleister Infinus. Kübler verwertet einen beträchtlichen Teil jenes Vermögens, das nach der Zerschlagung von Infinus im November 2013 noch übrig ist. Sein Job ist es, daraus so viel Geld wie möglich zu machen, um es dann an die Gläubiger zu verteilen, darunter an mehrere Zehntausend Anleger. Als Verwalter der Fubus ist Kübler für die wichtigste Firma der Infinus-Gruppe zuständig. Auch von seinen Erkenntnissen hängt die Antwort auf die Frage ab: Haben die sechs angeklagten Infinus-Manager, die allesamt wieder auf freiem Fuß sind, ihre Bilanzen geschönt oder nicht?

Kübler geht davon aus. Er will unter anderem die Bilanzen der Jahre 2009 bis 2013 für nichtig erklären lassen, weil die Vermögen darin viel zu hoch bewertet worden seien. Kommt er damit durch, droht der Stadt Dresden ein herber finanzieller Schlag. Allein an Gewerbesteuer seien dann 17,1 Millionen Euro zurückzuzahlen, sagte Kübler am Montag.

Referierte der Verwalter diesen Part noch souverän, zeigte er beim Thema Immobilienverkauf bereits Unsicherheiten. Insgesamt habe er mit den Fubus-Grundstücken 12,75 Millionen Euro erlöst, sagte Kübler und wertete das als „sehr positives Ergebnis“. Die vier Villen an der Elbe habe ein Unternehmen aus der Schweiz im Paket erworben. Als der Hauptangeklagte und Infinus-Gründer Jörg Biehl ihn auf einen Wert von 17,5 Millionen Euro aufmerksam machte, offenbarte Kübler Wissenslücken. Die Frage von Biehls Anwalt, ob weitere Immobilien an Personen verkauft worden seien, die Kübler nahestünden, verneinte der Verwalter. „Das ist alles über einen Dresdner Makler gelaufen.“ An den Namen dieses Maklers indes vermochte Kübler sich nicht zu erinnern.

Mit zunehmender Aussagedauer mehrten sich die Erinnerungslücken. Küblers Erkenntnis, die Kunst in den Räumen der Infinus-Villen sei „alles Schrott“ gewesen und habe nicht mehr als 4 000 Euro gebracht, konterte Biehl mit einem angeblichen Buchwert von 442 000 Euro, was Kübler wiederum überraschte. Beim Verkauf des Infinus-Goldes, das mit fast 203 Millionen Euro in den Büchern stand, sprang Kübler zufolge lediglich ein Erlös von 10,3 Millionen Euro heraus. Der Rest bestand für ihn „überwiegend aus Luftbuchungen“. Dennoch blieb eine Bewertungsdifferenz von 20 Millionen Euro übrig, die Kübler nicht eindeutig erklären konnte. Eventuell sei der Goldpreis gefallen, sagte er. Die Frage des vom Gericht bestellten Gutachters, ob auch die Infinus-Goldsparpläne verkauft worden seien, vermochte Kübler ebenfalls nicht zu beantworten.

Auch in anderen Bereichen wie dem Wert der Fubus-Beteiligungen, den Klagen der Insolvenzverwalter untereinander, den Rückkaufwerten bei den Lebensversicherungen oder der Werthaltigkeit von Gesellschafterdarlehen erwies sich Kübler als wenig sattelfest, sobald es in die Tiefe ging. Er betonte, er müsse das nicht wissen, im Detail wüssten das nur seine Mitarbeiter oder von ihm beauftragte externe Experten. Die Verteidiger reagierten genervt, hielten Kübler als Zeugen „für nicht aussagefähig“. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters räumte Kübler sogar ein: „Der Chef weiß eben nicht alles.“

Der Prozess vor dem Landgericht Dresden läuft seit November 2015. Verhandelt wird wegen Bandenbetrugs im besonders schweren Fall und Kapitalanlagebetrugs. Dabei geht es um das Geld von rund 22 000 Anlegern und einen angeblichen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe.

Mitarbeit: Hannah Behm