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In Leisnig verliebt

Maria-Christin Lippold ist 33 Jahre jung und mag Altes. Daher will sie Denkmale retten. Mehrere Jobs hat sie auch noch.

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© André Braun

Von Heike Heisig

Leisnig. Das Süttingerhaus am Schlossberg konnte niemand mehr vorm Abriss bewahren. „Schade, ich habe wirklich zu spät von dem schlechten Bauzustand erfahren“, sagt Maria-Christin Lippold. Doch als die 33-Jährige von den Abrissabsichten erfuhr, machte sie mit ihren Mitteln mobil. Als Mitglied im Kreisvorstand der Bündnisgrünen sprach sie Wolfram Günther, den denkmalpolitischen Sprecher der Grünen im Landtag, an und organisierte mit ihm gemeinsam eine Podiumsdiskussion in Leisnig. Die war gut besucht, auch von jungen Leuten. Seitdem sind noch nicht einmal zwei Monate vergangen. Es hat sich eine Arbeitsgruppe (AG) Stadt-Aktiv gebildet. Gleich seit dem ersten Treffen ist Maria-Christin Lippold ihre Leiterin und legt als solche ein beachtliches Tempo vor.

„Der Stadtkern hier ist in 18 sogenannte Blöcke aufgeteilt. Deshalb haben auch wir uns aufgeteilt, gehen jetzt straßenzugweise vor, den Bestand zu erfassen“, berichtet die junge Frau von den nächsten Schritten. Ziel ist, eine Übersicht zu erstellen: Welche Häuser/Denkmale stehen leer? In welchem Zustand sind sie augenscheinlich oder nach dem Wissen der Nachbarn? Gibt es schon Sanierungsansätze? „Bis 6. März wollen wir die Daten sammeln“, nennt Maria-Christin Lippold den sportlichen Termin. Anhand der Übersicht wollen die Ehrenamtlichen grob einschätzen, bei welchen Immobilien schnell gehandelt werden muss. Das Ziel aller ist, nicht so schnell wieder stadtbildprägende Gebäude wie das Süttingerhaus aufgeben zu müssen.

Die 33-Jährige scheut sich nicht, mit den Eigentümern der alten Gebäude Kontakt aufzunehmen. „Wenn wir wissen, was sie vorhaben, können wir ihnen vielleicht helfen“, begründet sie. Darunter versteht sie auch Zupacken. „Klar, warum nicht mal einen Arbeitseinsatz ansetzen?“, fragt sie. Maria-Christin Lippold ist sicher, dass sie dazu Freunde und damit jüngere Leute bewegen könnte. Auch wenn es um das Zusammentragen von Ideen für eine tragfähige Nutzung geht, „sind einige meiner Freunde und Bekannten bestimmt dabei.“ Unterstützung bei ihrem Bemühen um die Leisniger Denkmale erhält die engagierte junge Frau vom Bauamt der Stadt. Überdies kann sie sich vorstellen, auch ihre Mitstreiter im Förderverein der Leipziger Denkmalstiftung um aktive oder Hilfe beim Vermitteln von Ansprechpartnern und Fachleuten zu bitten.

Der Einsatz für Leisnigs alte Häuser ist für Maria-Christin Lippold offenbar eine Herzensangelegenheit. Dabei wohnt sie gar nicht in der Altstadt, sondern am Rande im Ortsteil Tragnitz. Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist sie in Groitzsch, hat in Berlin, Leipzig und in Wendishain gelebt, studiert und teilweise auch gearbeitet. Die Kommunikations-, Medien- und Politikwissenschaftlerin verdient ihre Brötchen mit mehreren Jobs: Sie erledigt Aufgaben bei den Bündnisgrünen, ist in der Hausverwaltung tätig und musiziert. Das klingt anstrengend. Doch Maria-Christin Lippold wirkt überhaupt nicht gehetzt. Im Gegenteil. Sie scheint ihre neue Heimat Tragnitz zu genießen, schwärmt von den Spaziergängen mit drei Hunden und wie schön Leisnig ist.

„Wir haben uns in die Stadt verliebt“, gesteht sie und glaubt, das guten Gewissens auch für ihren Lebenspartner sagen zu können. Von Wendishain nach Tragnitz gezogen zu sein, bereut das Paar nicht. „Leisnig hat so viel zu bieten.“ Maria-Christin Lippold schätzt am Landleben die Ruhe und die gute Luft, nette Nachbarn und freundliche Worte an der Supermarktkasse statt Anonymität. Ab und an vermisst sie aber auch das Großstädtische, „ein bisschen Kultur und sich um die Ecke schnell mal mit Freunden treffen zu können“.

Diese Tatsache motiviert die 34-Jährige vielmehr, als dass sie sie traurig stimmt. Einer Freundin hat sie den Umzug nach Leisnig schon fast schmackhaft gemacht. „Ich hatte keine Lust mehr, 50 Prozent meines Einkommens für die Miete auszugeben“, erzählt Maria-Christin Lippold. Sie hofft, noch mehr Mitstreiter für die AG Stadt-Aktiv gewinnen und auch darüber hinaus Leute begeistern zu können, selbst etwas in Leisnig zu bewegen. Der Anfang ist gemacht, aber noch nicht spruchreif.