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Impfstoff-Firma lässt Viren bis in die Elbe fließen

Über 14 Jahre sind Influenza-Viren ins Dresdner Abwasser geflossen. GlaxoSmithKline hat den Verstoß selbst gemeldet. Behörden haben die Gefahren für Mensch und Umwelt geprüft.

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© dpa

Peter Hilbert

Dresden. Grippe- oder Influenzaviren sind nur wenige Tausendstel Millimeter klein. Dennoch sorgen sie Jahr für Jahr für Infektionen, die teilweise drastisch enden können. Ihnen hat das Unternehmen GlaxoSmithKline (GSK) an der Dresdner Zirkusstraße den Kampf angesagt. Rund 700 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Als Teil eines Weltkonzerns stellt das Unternehmen hochwirksame, verträgliche und bezahlbare Grippeimpfstoffe her, so die Firmenphilosophie. Und dennoch sind genau aus diesem Gesundheits-Unternehmen in den vergangenen Jahren Viren ins Dresdner Abwasser gelangt. Ein klarer Verstoß gegen die Betriebsgenehmigung, der hinter den Kulissen in den vergangenen Wochen viel Wirbel verursacht hat.

Die Regeln sind klar. Die Stadtentwässerung Dresden erteilt die Genehmigung zur Einleitung nur, wenn virenhaltige Abwässer speziell behandelt und damit „inaktiviert“ wurden, wie es im Fachjargon heißt. Selbst im Havariefall müssen Schieber oder Pumpen verhindern, dass Viren in den Kanal gelangen. Nachdem die SZ am Mittwoch nachfragte, überschlugen sich das Unternehmen und Behörden mit Statements zu dem Fall. Beim Umbau im damaligen Serumwerk zwischen 2001 und 2003 seien die Abläufe in zwei Reinigungsräumen falsch angeschlossen worden, teilt GSK-Sprecher Markus Hardenbicker mit. Seitdem floss Abwasser, in dem sich Influenzaviren befinden, direkt in den Kanal.

Normalerweise muss dieses Abwasser in der Werksanlage speziell behandelt werden, so dass die Gefahr gebannt ist. Bei Umbauarbeiten sei der Fehler bereits am 7. Juli festgestellt worden. Das Unternehmen hat sich bei den zuständigen Behörden selbst angezeigt. Binnen eines Tages seien die Abwasseranschlüsse vorschriftsgemäß umgebaut worden. „Zudem wurde das Leitungssystem für alle betroffenen Abwässer aus der Produktion des gesamten Werkes vollständig überprüft und deren korrekte Anbindung bestätigt“, so der Sprecher.

Das Unternehmen versichert, dass es wegen des Fehlers zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für Mensch, Natur und Umwelt gegeben habe. „Wasser und vor allem Abwasser sind kein natürlicher Infektionsweg für den Menschen.“ Bei den im Werk genutzten Impfviren handelt es sich zudem um für die Produktion angepasste Typen. Diese seien so abgeschwächt, dass sie nicht krank machen würden.

Das Dresdner Rathaus hat den Fall intensiv geprüft. „Nach Einschätzung des Gesundheitsamtes bestand für die Bevölkerung von Dresden, auch für die unmittelbare Nachbarschaft des Unternehmens, keine Gefahr, sich mit Influenza-Viren aus dem Abwasser anzustecken“, erklärt Stadtsprecher Kai Schulz. Aus mehreren Gründen sei eine Ansteckung über das Abwasser unwahrscheinlich. Schließlich würden die Grippeviren vor allem über Tröpfcheninfektion übertragen. Außerdem seien diese im Gegensatz zu anderen Viren für Umwelteinflüsse und Chemikalien anfälliger und weniger stabil. Beim Verschlucken von mit Grippeviren belastetem Abwasser würden sie durch die Magensäure inaktiviert.

Im Abwasser sind die Krankheitserreger durch das Klärwerk Kaditz bis in die Elbe geflossen. Obwohl die Reinigungsanlagen modern ausgebaut sind, können Viren dort kaum entfernt werden. Dafür ist die Technik nicht ausgelegt. Allerdings argumentiert der Rathaussprecher, dass sich das mit Viren belastete Wasser mit anderem Abwasser im Kanal stark verdünne. Deshalb wird am Abfluss des Klärwerks von einer sehr geringen Konzentration ausgegangen. Nicht einmal die stärker krankheitserregenden Wildviren seien dort so stark nachweisbar, dass Menschen dadurch infiziert werden könnten.

Das sächsische Umweltministerium hält es zudem für sehr unwahrscheinlich, dass Fische oder andere Tiere in oder an der Elbe gefährdet worden sein könnten. „Damit sind Verstöße gegen die Betriebsgenehmigung der Anlage nach heutiger Einschätzung ohne negative Folgen geblieben“, resümiert das Ministerium. So scheint der Dresdner Impfstoffhersteller mit einem blauen Auge davonzukommen. Die SZ hakte bei der Stadt nach, wie der Verstoß geahndet wird. „Der Vorgang wird nach wie vor von den Fachämtern ausgewertet“, reagiert der Rathaussprecher. „Über mögliche Konsequenzen können wir heute noch nichts sagen.“