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Immer noch Hunderte alte Klärgruben

Es gibt Nachholebedarf sachsenweit – und Bewegung im Fall eines Putzkauer Rentners.

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© Archivfoto: Matthias Schumann

Von Franz Werfel und Ingolf Reinsch

Putzkau. Der von der SZ geschilderte Fall des Putzkauers Erich Kaiser bewegt die Gemüter, nicht nur im Landkreis Bautzen. Der 80-Jährige soll zehn Tage in Zwangshaft, weil er seine Kleinkläranlage bisher nicht in eine vollbiologische Anlage umgerüstet hat. Alle Aufforderungen der Behörden, Bußgeldbescheide und eine Zwangsgeldforderung in Höhe von 2 000 Euro ließ er unbeantwortet. Als ihn Polizeibeamte abholen wollten, um ihn in die Justizvollzugsanstalt Görlitz zu bringen, geriet er so in Wallung, dass sein Hausarzt ihm wegen erhöhten Blutdrucks bescheinigte, haftunfähig zu sein. – Die Reaktionen von SZ-Lesern reichen von Zustimmung bis Ablehnung. „Dem Mann meine volle Solidarität“, sagte ein älterer Herr aus Ebersbach am Telefon. Ein anderer Leser wusste von einem Fall aus Wittichenau zu berichten, wo angeblich noch eine Drei-Kammer-Kläranlage in Betrieb ist. „Es stinkt zum Himmel. Greifen sie doch auch mal diesen Fall auf.“

67 Bußgeldverfahren im Kreis
Alle Besitzer von Kleinkläranlagen in Sachsen waren aufgefordert, diese bis zum 1. Januar 2016 auf vollbiologische Arbeitsweise umzustellen. Mechanische und teilbiologische Anlagen sind seitdem nicht mehr erlaubt. Mit seiner Kleinkläranlagen-Verordnung setzte Sachsen eine EU-Richtlinie um. Diese sollte helfen, die Qualität der Gewässer zu verbessern. Abwässer sollten nur noch mit modernster Technik geklärt werden, um die Umwelt zu schonen. Das große Umrüsten wurde bis Ende 2015 sogar mit Steuergeld belohnt. Wer sich eine neue Anlage für mindestens vier Personen einbauen ließ, konnte mit 1 500 Euro rechnen. Musste eine ältere Anlage umgerüstet werden, gab es 1 000 Euro. Wessen Haus schon an die zentrale Abwasserentsorgung angeschlossen war, war davon nicht betroffen.

Sachsenweit waren 178 000 Kleinkläranlagen umzurüsten. Wegen Versäumnissen auf diesem Gebiet leitete das Landratsamt Bautzen 67 Bußgeldverfahren gegen Grundstückseigentümer ein. Im Nachbarlandkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge könnte die Zahl der Säumigen wesentlich höher sein. Birgit Hertzog, die Leiterin des dortigen Umweltamtes, sagte: „Noch entsprechen im Landkreis nicht alle Kleinkläranlagen dem Stand der Technik.“ Das Landratsamt in Pirna weiß von rund 550 Grundstücken, in denen immer noch nicht vorschriftsmäßig geklärt wird. Der Landkreis liege damit, so Hertzog, im Sachsen-Vergleich in einem guten Schnitt. Aktuell gleiche das Amt die Daten mit den Städten und Dörfern und den Wasserbetrieben ab.

Bürgermeister will vermitteln

Im Vorfeld der Umrüstung waren Strafzahlungen zwischen 50 und 50 000 Euro für diejenigen angekündigt worden, die der Verordnung nicht folgen. Das würde als Ordnungswidrigkeit gewertet, hieß es. Wiederholt hat das Landratsamt Anlagenbesitzern, die noch nicht umgerüstet haben, Post geschickt. In den Briefen werden sie aufgefordert mitzuteilen, warum sie noch nicht umgerüstet haben und bis wann sie das vorhätten. „Wenn sie sich melden, wird vereinbart, bis wann eine zeitnahe Umrüstung oder der Ersatzneubau der Anlage möglich ist“, sagt Birgit Hertzog. Im Einzelfall gebe es nachvollziehbare Gründe, warum Anlagen noch nicht umgebaut wurden. Melden sich die Betroffenen nicht, wird für sie die Sanierung angeordnet. Zeitgleich wird ihnen ein Zwangsgeld in Höhe von 1 500 Euro angedroht. „Kommt der Grundstückeigentümer seiner Verpflichtung nicht nach, wird dieses Zwangsgeld festgesetzt und erneuter Verwaltungszwang angedroht“, sagt Birgit Hertzog. Ordnungs- und Bußgelder wurden im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bisher aber noch nicht angeordnet.


In dem Fall des Putzkauer Rentners könnte jetzt Bewegung kommen. Als Reaktion auf den SZ-Artikel schrieb ihm Bürgermeister Achim Wünsche (parteilos) einen Brief und bot ein Gespräch an. Er werde mit dem Bürgermeister sprechen, sagt Erich Kaiser. Immerhin seine erste Reaktion gegenüber einer Behörde im Abwasserstreit seit Jahren. Er wolle sehen, wie die angedrohte Zwangshaft abgewendet werden kann, sagt Achim Wünsche. Zugleich dämpft er die Erwartungen: „Die Gemeinde ist nicht mehr Herr des Verfahrens.“ Eine Lösung der ungeklärten Abwasserfragen durchzusetzen, ist spätestens seit dem 1. Januar 2016 Aufgabe des Kreisumweltamtes.