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Immer mehr wollen das Gütesiegel

Uhrenfirmen schmücken sich gern mit dem Namen Glashütte. Doch nicht alle Zeitmesser erfüllen die Kriterien.

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© Frank Baldauf

Von Maik Brückner

Glashütte. Kay Gahrig hat die Armbanduhren nicht genau gezählt, die in den letzten zehn Jahren durch seine Hände gingen. Es waren aber mehr als 42 000. „Davon waren 30 000 mechanische Uhren und rund 12 000 Quarzuhren“, sagt der 52-jährige Glashütter. Ihre Hersteller hatten ein und dasselbe Anliegen: Die Zeitmesser sollen das Siegel Chronometer bekommen. Und in dieser Sache kommt kein deutscher Uhrenhersteller an Kay Gahrig vorbei. Denn er ist Chronometerprüfer. Das ist ein Beruf, den man nicht erlernen kann, sondern in den man hineinwächst. Diese Möglichkeit hat die Firma Wempe dem gelernten Programmierer gegeben. Das war vor zehn Jahren, als die bis dahin als Uhren- und Schmuckhändler tätige Firma beschloss, eine Chronometerprüfstelle in Glashütte einzurichten. Bis dahin gab es vergleichbare Prüfstellen nur in der Schweiz.

Dr. Olaf Kühn ist Professor für Messtechnik in Ilmenau. Er hat die Fachaufsicht über die Chromometerprüfstelle in Glashütte.
Dr. Olaf Kühn ist Professor für Messtechnik in Ilmenau. Er hat die Fachaufsicht über die Chromometerprüfstelle in Glashütte. © Frank Baldauf

Anfangs gab es für Kay Gahrig noch wenig zu tun. Das hat sich inzwischen geändert. Aus der Halbtagsstelle ist längst eine Vollzeitstelle geworden. Ließen nach der Eröffnung im Jahr 2006 nur drei Firmen ihre Uhren in Glashütte prüfen, so sind es inzwischen acht, davon fünf aus Glashütte. Auch die Zahl der zu testenden Uhren ist gewachsen, im ersten Jahr waren es 960, im vergangenen Jahr waren es bereits 4 262. Zwischen zehn und zwanzig Prozent der Uhren erfüllen nicht die Prüfkriterien und bekommen daher nicht den Kalibrierschein, der eine Art Gütesiegel ist.

Jede achte Uhr fällt durch

Im vergangenen Jahr fielen beispielsweise etwas mehr als zwölf Prozent durch. Diese Zahlen stammen nicht von Kay Gahrig, sondern von seiner Fachaufsicht, dem Team um Professor Olaf Kühn. Dieses arbeitet in Ilmenau für das dortige Landesamt für den Verbraucherschutz. Für Außenstehende mag das ein sonderbares Konstrukt sein, für Insider nicht. Denn das Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz besaß bei der Gründung der Chronometerprüfstelle die rechtlichen Voraussetzungen für die Prüfung der Messgröße „Zeit“, erläutert dessen Sprecherin Verena Meyer. Das Eichamt in Dresden hatte dafür keine Genehmigung. Deshalb übernahmen die Thüringer die Fachleitung der Prüfstelle.

„Mindestens zweimal jährlich finden Überwachungsbesuche in der Außenstelle in Glashütte statt“, sagt Frau Meyer. Aber auch von anderen Behörden werde ihre Außenstelle immer wieder überprüft. Damit sei ein „normenkonformes und unabhängiges Arbeiten gewährleistet“, sagt Frau Meyer. Und das schätzen offenbar immer mehr Firmen. Die legen aber auch Wert drauf, dass die Ergebnisse der Tests nicht öffentlich gemacht werden. Und das passiert auch nicht. Deshalb bleibt das Landesamt bei der Beantwortung dieser Frage allgemein. Nach dessen Erfahrungen hängen die Prüfergebnisse weniger vom Hersteller, sondern von anderen Faktoren ab. So sind die Fehlerquoten bei neueren Modellen meist höher. „Das ist wie beim Auto“, ergänzt Kay Gahrig. Es dauert eine Weile, bis die Kinderkrankheiten beseitigt sind.

Obwohl sich seit zehn Jahren nichts am Prüfverfahren verändert hat, macht Kay Gahrig die Arbeit immer noch Spaß. In 14 bzw. 15 Tagen werden die Uhren bei unterschiedlichen Temperaturen und in verschiedenen Lagen geprüft. Kay Gahrig nimmt die Uhren täglich aus dem Prüfschrank, um sie in eine andere Lage zu bringen. Mechanische Uhren muss er außerdem noch aufziehen. „Die Arbeit ist zwar gleichförmig“, sagt er. Dennoch erforderte sie viel Konzentration und Gewissenhaftigkeit. „Stimmen die Temperaturen, habe ich alle Uhren aufgezogen?“, solche Fragen muss sich der Chronometerprüfer jeden Tag aufs Neue stellen. Zwar werde alles von Computer überwacht. Dennoch sei der kritische Blick des Chronometerprüfers immer notwendig, sagt Gahrig.

Gegenwärtig werden die Uhren in zwölf sogenannten Klimaschränken getestet. „Wir sind gut ausgelastet.“ Theoretisch ist noch Platz für vier weitere Schränke. Kurzfristig ist aber kein Kauf geplant.