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Im Drachenfieber

Henrik Adam liebt das Drachensteigen und ist gern am Berzdorfer See. Das ist für ihn Sport. Auch dafür gibt’s Regeln.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Susanne Sodan

Speedy Gonzales darf nicht raus. Der Wind ist nicht passend für ihn. Speedy, so heißt einer der Drachen von Henrik Adam, braucht mehr Pfeffer. Der 47-Jährige steht im Sand des Nordstrandes am Berzdorfer See, hält die Griffe eines Mattendrachens, der noch keinen Namen bekommen hat, in den Händen. Henrik Adam ist oft am Berzdorfer See zum Drachensteigen. Wenn richtig Wind ist, wie es auch in den letzten Wochen häufig der Fall war, dann kann man sich mit den Füßen gut in den Sand stemmen. Aber das ist an diesem Tag nicht nötig. Henrik Adam hat zu tun, dass er den namenlosen Mattendrachen überhaupt in der Luft hält. Das hat er in dieser Herbstsaison auch schon ganz anders erlebt.

Um zu wissen, wann es sich lohnt und welche seiner Drachen er am besten mitnimmt, hat Henrik Adam sogar eine spezielle Wind-App auf dem Handy. Aber auch, wenn die Bedingungen nicht die günstigsten sind, ist er nach der Arbeit meistens doch am See. „Es macht einfach Spaß, mit der Macht des Windes zu kämpfen“, erzählt der Görlitzer. Als Kind hat er, wie viele andere auch, im Herbst mit selbst gebauten Trapezdrachen auf dem Feld gestanden. Später, als Erwachsener, hat er mit seinem Sohn Drachen gebastelt.

Bei seinem Kind schwand die Faszination irgendwann wieder, beim Vater dagegen blieb die Leidenschaft. Vor allem auch, weil in den 1990er Jahren die Lenkdrachen in ihren unterschiedlichsten Formen aufkamen, „die können schon richtig Spaß machen“. Sie können auch für Muskelkater sorgen, „ich sehe das Drachensteigen schon als Sport, ja“, sagt Henrik Adam. Das Wichtigste, wenn man einen Drachen kauft, egal, ob einfacher Flachdrachen, Delta-Lenkdrachen oder Mattendrachen, seien die Leinen. Die dürfen sich nicht dehnen oder nachgeben, sonst ist der Drachen schwer kontrollierbar, erklärt Henrik Adam.

Es sind noch einige Regeln mehr zu beachten beim Drachensteigen, dazu gehört zum Beispiel das Wohl anderer. Adam ist nicht nur im Herbst am See, sondern zu allen Jahreszeiten, also auch im Sommer. „Wenn viele Badegäste hier sind, gehe ich natürlich woanders hin“, sagt er. Außerdem sollte man den Wind nicht unterschätzen. „Ich habe hier schon Leute mit Kites gesehen, die hat’s ausgehoben.“

Allgemein dürfen die Leinen eines Drachens nicht länger als hundert Meter sein, sollten kein Metall enthalten. In Naturschutzgebieten haben Drachen außerdem nichts verloren, auch nicht auf genutzten Ackerflächen sowie Weiden mit Tieren. Erst recht sollte man sich mit seinem Drachen von Hochspannungsleitungen fernhalten. Die Stromleitungen an der B 99 östlich vom Berzdorfer See sind zwar ein Stück entfernt vom Nordstrand.

Dass trotzdem sehr große Vorsicht geboten ist und man den Wind nicht unterschätzen sollte, hatte ein Vorfall vor fünf Jahren gezeigt, der in Görlitz zu einem großen Stromausfall führte. Ein klassischer Drachen war daran nicht schuld, sondern der Windschirm eines Kitesurfers am See. Eine Windböe hatte dem Surfer das Windsegel entrissen, es landete in der Überlandleitung und sorgte für einen gewaltigen Stromausfall. Auch wegen der nahen Strom- und Bahntrasse ist Kitesurfen auf dem Berzdorfer See gar nicht erlaubt.

Mit einem Drachen in solch eine Situation zu kommen – Henrik Adam sieht das Risiko eines solchen Falls für sich als gering. „Die Leinen der Lenkdrachen sind in der Regel höchstens 30 Meter lang“, sagt er. Dass man direkt beim Drachensteigen damit in die Leitungen an der Bundesstraße gerät, ist nicht möglich. „Abgehauen ist mir bisher auch noch keiner. Lenkdrachen gehen schnell zu Boden, wenn man die Leinen loslässt.“ Wenn solcher Sturm herrscht, dass dem nicht so ist, sollte man ohnehin nicht Drachensteigen gehen. „Man sollte Menschenverstand walten lassen“, sagt der Görlitzer Drachensportler. Der Tüv Thüringen zum Beispiel rät, einen Mindestabstand von 600 Metern zu Stromleitungen einzuhalten.

Einen günstigen Ort zum Drachensteigen zu finden – die Menschen in den ländlichen Gegenden haben es da oft leichter, als die Städter. Viel los war vorletztes Wochenende in Königshain, zum Beispiel auf der Wiese an der Mühle. Bürgermeister Siegfried Lange hat noch einen Tipp: die Hutbergwiesen bei Mengelsdorf. Schönau-Berzdorfs Bürgermeister Christian Hänel würde sich sowieso wünschen, dass Kinder mehr draußen spielen, denn Kinder mit Drachen hat er dieses Jahr in seiner Gemeinde noch nicht oft gesehen, dabei gebe es zahlreiche geeignete Flächen. Von der Neuberzdorfer Höhe rät er aber eher ab, zu bewaldet.

Rein geografisch – weil es viel freie Fläche gibt – würde sich bestimmt der Flugplatz Görlitz auch gut machen zum Drachensteigen. Aber Start- und Landebahn sind zu meiden. Auch wild ringsum das Areal sollte man nicht Drachen steigen lassen, erklärt Werner Lange vom Flugplatz. „Die gesamte Start- und Landerichtung muss freigehalten werden.“ Aber: „Es gibt bei uns eine Fläche, wo es niemanden stört.“ Wenn man sich beim Flugplatzpersonal meldet, dürfen Drachenfreunde auf diese Fläche.