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Im Discoland

In Schönau bei Kamenz gibt es sie noch, die klassische Tanzveranstaltung auf dem Dorf – mit DJ und Discokugel.

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© Rocci Klein

Von Irmela Hennig

Kamenz. Der Rotmilan kreist übers Dorf. Die ersten Bäume tragen Herbstlaub. Auf dem Fußballplatz ist um die Mittagszeit niemand zu sehen. Thomas Wowtscherk hat die Stühle hochgestellt im Gasthaus, das so heißt wie der Ort – Schönau. Regulär geöffnet ist hier nicht mehr. Es finden Feste statt, Familienfeiern. Vor allem Hochzeiten – vom Frühling bis zum Herbst an jedem Sonnabend. Für 2019 ist die Gaststätte mit dem großen Saal für die sonnigen Monate schon ausgebucht.

Ein Gasthof mit rund 140 Jahren Tradition.
Ein Gasthof mit rund 140 Jahren Tradition. © Irmela Hennig

Und dann gibt es hier Disco. Ganz klassisch – mit DJ und Tanz, mit Discokugel und zwei Bars. Viermal im Jahr. Thomas Wowtscherk ist einer der letzten Gasthofbetreiber in der Oberlausitz, der so etwas noch anbietet. Wer auf die Landkarte schaut, auf einst bekannte Disco-Dörfer stößt, erfährt spätestens bei einer kurzen Suche im Internet, dass die meisten Häuser ihre Tanzveranstaltungen längst aufgegeben haben. Der Mittelgasthof Burkau bei Bischofswerda zum Beispiel. Einst Anlaufstelle für riesige Indie-Partys. Am Ende fehlte der Zuspruch.

Thomas Wowtscherk hat ihn noch immer. Nicht mehr so häufig wie früher. Bei seinem Vater gab es im 1972 angebauten Saal alle 14 Tage sonntags und an den Feiertagen Tanz. Im hell erleuchteten Raum. Er selbst hat dann jeden Sonnabend zur Disco eingeladen. „Das lief gut, auch nach der Wende noch“, erinnert sich der Inhaber. Anfangs spielten Bands, später kamen die Discjockeys, die man heute nur DJs nennt. Und bei Thomas Wowtscherk wurde der Raum abgedunkelt.

Auch als in den 1990er Jahren immer mehr Discos und Clubs öffneten, konnte sich der Gasthof in Schönau bei Kamenz behaupten. Erst als in den 2000ern das Discosterben einsetzte, wurde es schwierig. Thomas Wowtscherk konzentrierte sich auf Hochzeiten. Doch etwas Disco gibt es noch im Discoland Schönau. Dafür werden die Stühle aus dem Saal geschafft, die Bänke weggeräumt. Dann dreht sich die Discokugel silbern an der Decke, öffnet sich der rote Bühnenvorhang und bietet dem DJ Platz. Am 5. Oktober ist es wieder so weit.

Um 20 Uhr laden zunächst Bautzener Gymnasiasten zum Feiern ein, 22 Uhr übernimmt Thomas Wowtscherk die Geschicke. Dann heißt es „Sunset Deluxe – Mega Fete“. Aus Uhyst am Taucher kommt DJ Thomas K. Wie viele Gäste zu den Veranstaltungen an Weihnachten, Ostern, im Februar und im Herbst aufschlagen, lässt der Veranstalter offen. Aber sie seien gut besucht. Zu Weihnachten wird das Ganze zu einer Art Wiedersehensparty. Da sieht man Oberlausitzer, die inzwischen in die großen Städte oder in den Westen gezogen seien. Junge und ältere. Bei seinen Discoabenden setzt der Betreiber übrigens nicht auf Ü30, wie viele andere Partymacher. Er spricht ganz gezielt das junge Publikum an. Das widmet mitunter schon mal dem Smartphone mehr Aufmerksamkeit als der Tanzfläche. „Vielleicht tauschen die sich mit Freunden aus, die anderswo feiern“, nimmt es Thomas Wowtscherk gelassen.

Eine Ostalgiefete hat er mal organisiert, die sei gut angenommen worden. Oft arbeitet er mit einem Stamm-DJ, aber ebenso mit denjenigen, die gerade angesagt sind. Er wirbt bis Dresden und Bautzen, auch über das Internet. Und holt sich tatsächlich von dort einen Teil seines Publikums.

Warum hier funktioniert, was anderswo nicht mehr läuft – das ist wohl ein echtes Discogeheimnis. Vielleicht liegt es an der Nähe zu Dresden, auch wenn hier wirklich Landstraße ist. Vielleicht am Charme des sorbischen Dorfes, vielleicht an der nostalgischen Atmosphäre, vielleicht stimmen auch einfach Musik und Barbetrieb. Die Preise hält der Inhaber niedrig. Und für den 25. Dezember plant er die nächste Disco im Discoland.