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„Ich zeige nicht bloß Häuser“

Ortschronist Paul Namyslik wirft einen Blick auf die Geschichte der Hauptstraße – und will dabei auch Neues aufzeigen.

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Herr Namyslik, Sie widmen der Hauptstraße einen ganzen Vortrag. Gibt es über so eine Straße eigentlich genug Interessantes zu erzählen?

Die Gröditzer Hauptstraße Ende Februar 2015 vom Turm der Evangelischen Kirche mit Blickrichtung nach Südwesten zum Stahlwerk. Von dort aus entwickelte sich das einstige Straßendorf Gröditz zur Stadt.Archivfoto: E. Weser
Die Gröditzer Hauptstraße Ende Februar 2015 vom Turm der Evangelischen Kirche mit Blickrichtung nach Südwesten zum Stahlwerk. Von dort aus entwickelte sich das einstige Straßendorf Gröditz zur Stadt.Archivfoto: E. Weser

Oh ja! Man muss sehen: Das Zentrum von Gröditz hat sich ja im Lauf der Zeit verschoben. Wo jetzt der Aldi ist, das war mal die „Gröditzer City“. Um diesen Teil der Hauptstraße, die damals Dorfstraße hieß, war einst alles konzentriert: Bäcker, Fleischer, Schneider, Friseur, Kolonialwaren, Gemeindeverwaltung. Vor etwa hundert Jahren hat sich das begonnen, auseinanderzuziehen. Darüber lässt sich sehr viel sagen.

Was ist für Sie das Spannendste daran?

Die Veränderungen mehrerer etablierter Häuser und Geschäfte. Aus meiner Sicht gibt es da zwei sehr bezeichnende Schübe, jeweils um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundertwenden herum und am Ende des 20. Jahrhunderts.

Spielen in Ihrem Vortrag auch die Geschichten der Menschen eine Rolle?

Natürlich! Es ist nicht so, dass ich bloß Häuser zeige. Es gab zum Beispiel 1945 einige Suizide. Der damalige Ortsbauernführer hatte fast seine komplette Familie umgebracht. Nach der Enteignung seines Gutes war dort eine erste LPG, was viele vielleicht so nicht wissen. So verbindet sich die Geschichte der Straße und die der Menschen.

Manch Gröditzer kennt diese Geschichten vielleicht schon. Können die Besucher denn auch etwas Neues erfahren?

Das denke ich schon. Dass man auf der Hauptstraße noch mal ein Stück durch Brandenburg fährt, wenn man die Landesgrenze bei Prösen eigentlich schon überquert hat, das ist vielleicht nicht jedem bewusst. Oder dass der Gröditzer Ehrenbürger Siegfried Richter, der aus der Sattlerei an der Hauptstraße stammt, mal eine Beziehung mit der Tochter des ehemaligen Gröditzer Bürgermeisters Pönitz hatte. Das sind so Dinge, die mancher vielleicht weiß, vielleicht aber auch nicht. Aber es gibt auch einiges, was Besucher mit einiger Sicherheit noch nicht kennen dürften.

Was denn?

Einmal habe ich historisches Kartenmaterial aus dem 19. Jahrhundert besorgt, auf dem man die angesprochene Konzentration von Gröditz an der damaligen Dorfstraße und die „nackten“ anderen Straßen sehen kann. Bei Recherchen nach historischen Fotos habe ich eine Enkelin aus dem heute leer stehenden Bauerngut gegenüber vom Dreiseithof ausfindig machen können. Die Frau wohnt bei Leipzig und war in Jugendtagen im Malzirkel des Künstlers Heinz-Detlef Moosdorf. Damals hat sie ein Bild gemalt, mit dem Blick vom großelterlichen Bauerngut in Richtung Stahlwerk.

Mal eine andere Perspektive ...

Genauso wie auch die Fotos von einem Rundflug über Gröditz, bei dem ich im Juni dabei war. Die will ich zeigen, genauso wie weitere Aufnahmen, die auch bisher nicht in der Chronik enthalten sind. Sie sehen: Material für einen Vortrag über diese Straße ist genug vorhanden!

Es fragte: Eric Weser.

Der Vortrag über Gebäude und Bewohner der Gröditzer Hauptstraße von Paul Namyslik findet am Donnerstag, 11. Oktober, ab 18 Uhr statt. Veranstaltungsort ist der große Saal im Haus 2 des Dreiseithofs, Hauptstraße 17.

Der Vortrag gehört zur Reihe „Plauderei im Dreiseithof“ und dauert eine reichliche Stunde. Der Eintritt ist frei.