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„Ich will jederzeit bereit sein“

Patrick Wiegers ist bei Dynamo nur noch die Nummer drei. Wie er über diese neue Rolle denkt und seine Zukunft sieht, sagt er im Interview.

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© Robert Michael

Dresden. Schon die Vertragsverlängerung kam überraschend, die Laufzeit seines neuen Kontraktes erst recht: Patrick Wiegers unterschrieb Anfang Mai für drei weitere Jahre bei Dynamo. Dabei war er schon bisher der Ersatztorwart, hat vorige Saison nur einmal gespielt. Jetzt ist e sogar nur noch die Nummer drei - hinter Marvin Schwäbe und dem aus der eigenen A-Jugend aufgerückten Markus Schubert. Im Interview mit Schwarz-Gelb spricht Wiegers über seine neue Rolle, seine Zukunftspläne und seinen Ex-Verein Jahn Regensburg.

Patrick, wussten Sie, als sie bei Dynamo bis 2020 verlängerten, dass sie in der Torwart-Hierarchie auf Platz drei abrutschen?

In den Gesprächen sind wir offen und ehrlich miteinander umgegangen. Ich wusste, worauf ich mich einlasse, also dass Schubi (Markus Schubert/d. A.) herangeführt wird, seine Erfahrungen sammeln soll. Trotzdem habe ich gehofft, dass es nicht direkt passiert, sondern im Laufe der Saison. Das ist natürlich eine ungewohnte Situation, und es ist nicht so, dass ich das einfach so schlucke. In den ersten Tagen hatte ich schon damit zu kämpfen, aber dessen war ich mir vorher auch bewusst. Ich habe nicht gedacht, dass es mir nichts ausmachen würde.

Das heißt, Sie wollen schon noch spielen?

Natürlich, den Ehrgeiz habe ich, will jederzeit bereit sein. Ich weiß, was Ralf Minge und der Trainer von mir halten. Sie wissen, was sie an mir haben, also dass ich immer Gewehr bei Fuß stehe, extrem mannschaftsdienlich bin, mein Ego nicht in den Vordergrund stelle. Ich denke schon, dass ich als Typ wichtig bin für die Mannschaft. Das gibt mir in der neuen Rolle ein gutes Gefühl, auch wenn es ungewohnt ist.

Sie sind mit 27 noch sehr jung für einen Torhüter. Warum haben Sie sich trotzdem für diese Rolle entschieden?

Zum einen habe ich immer betont, dass ich mich in Dresden und im Verein wohlfühle. Bei Dynamo habe ich immer noch - was ich Wahnsinn finde - ein sehr gutes ein Standing. Das kriege ich ja auch mit, sonst wäre ich ja blind und taub. Außerdem hat mir der Verein eine Perspektive geboten. Ich kann in den drei Jahren neben meiner Hauptaufgabe als Torwart andere Dinge ausprobieren, mache einmal in der Woche Torwart-Training bei der U19 und U17. Ich versuche für mich herauszufinden, ob das etwas werden könnte für die Zukunft. Außerdem möchte ich wieder ein Studium beginnen. Ich wollte keinen kurzfristigen Vertrag, um in ein, zwei Jahren wieder zu gucken: Wo gehst du hin? Außerdem hat sich in meiner privaten Situation etwas verändert…

Inwiefern?

Ich habe eine Freundin kennengelernt, eine Dresdnerin. Das spielt schon auch eine Rolle.

Also wird die WG mit Ihrem Kumpel Niklas Kreuzer bald aufgelöst?

Nein, sie bleibt bestehen. Man muss nicht alles zu schnell verändern. Für Dynamo hat einfach das Gesamtpaket den Ausschlag gegeben. Ich habe nicht nur den kurzfristigen Erfolg gesehen, irgendwo anders vielleicht noch mal die Chance zu bekommen, wobei man da auch erst mal abwarten müsste, wie es läuft. Ich sehe die Perspektive für die nächsten fünf Jahre.

Das heißt, Sie haben bereits einen Anschlussvertrag?

Nein, darüber haben wir überhaupt noch nicht gesprochen.

Weil Sie von fünf Jahren sprechen?

Ja, da ist ein Studium vielleicht vorbei, habe ich vielleicht ein paar Trainerscheine gemacht und vorfühlen können, ob eine Torwarttrainer-Rolle etwas für mich ist.

Sie hatten zu Ihrer Zeit in Regensburg begonnen, BWL zu studieren. Setzen Sie das fort?

Nein, es geht eher in die technische Richtung, Bauingenieur oder Maschinenbau zum Beispiel. Das interessiert mich, also gucke ich mal, ob das auch etwas für mich wäre. Wenn ja, ist es gut, wenn nein, habe ich nichts verloren. So gehe ich es an. Es wird auf jeden Fall ein Fernstudium sein.

Bevor Sie 2014 nach Dresden kamen, hatten Sie Ihren Vertrag bei Jahn Regensburg nicht verlängert und zunächst keinen neuen Verein gefunden. Ihre Profi-Karriere hätte vorbei sein können. Hilft Ihnen diese Erfahrung, auch mit der neuen Situation umzugehen?

Sicher. Ich habe mich nie unter Druck gesetzt, mit Fußball auf Gedeih und Verderb mein Geld verdienen zu müssen. Klar, ich bekomme jetzt ein gutes Salär. Aber es wird nicht reichen, um bis zur Rente durchzukommen. Mir ist bewusst, dass ich etwas machen muss. Deshalb ist es mir extrem wichtig, mich so früh wie möglich auf diese Umstellung vorzubereiten und nicht erst mit 36 nach dem Karriereende zu überlegen: Was machst du jetzt?

Sie haben im Nachwuchs bei Jahn Regensburg gespielt, waren dann fünf Jahre als Profi dort. Welchen Stellenwert hat die Station für Sie?

Die Zeit werde ich nicht vergessen, gucke immer noch dorthin. In der Mannschaft kenne ich noch Oliver Hain, der leider seit langer Zeit verletzt ist, und Sebastian Nachreiner. Das sind zwei gute Freunde, Olli kenne ich schon, seit ich zehn bin. Wir haben damals auch in einer WG gewohnt im ersten Profi-Jahr. Und es ist meine Heimat. Es ist von dort eine halbe Stunde zu meinen Eltern, ich habe dort sieben Jahre gelebt, das will ich nicht missen.

Sie sind mit dem Verein in die 2. Bundesliga auf- und nach einem Jahr wieder abgestiegen…

Ja, wir haben viel erlebt. Wir haben sechs Monate kein Gehalt bekommen und in der Kabine gesungen: „Kein Strom, kein Geld, das geilste Team der Welt.“ Dieser Mannschaftsgedanke hat mich sehr geprägt in meiner Persönlichkeit. Wir hatten nichts, haben aber sehr viel erreicht.

Warum haben Sie 2014 trotzdem keinen neuen Vertrag unterschrieben?

Ich wollte nach dem Abstieg aus der zweiten Liga nicht die Rolle einnehmen, die der neue Manager für mich vorgesehen hatte. Er hat mir gesagt, dass er einen erfahrenen Keeper holen will, das wollte ich so nicht annehmen. Deshalb haben wir uns nicht auf eine weitere Zusammenarbeit geeinigt

Dachten Sie in der Phase, als Sie arbeitslos waren: Mist, ich hätte das Angebot annehmen sollen?

Nein, dafür bin ich zu stolz - auch mir selbst gegenüber. Außerdem hatte ich mein Studium, ich hätte mit dem Fußball nicht aufgehört. Ich hätte ja in der Bayernliga spielen können. Ich hatte immer wieder Anfragen, aber dann hatte ich Glück, dass mich Dynamo noch auf dem Zettel hatte, als sich Markus Scholz hier verletzte. Wie die Geschichte weiterging, ist bekannt.

Dürfen Sie am Wochenende mit in den Bus nach Regensburg steigen?

Das wäre schon etwas Besonderes, klar. Als der Spielplan rauskam, dachte ich: Geil, gleich eines der ersten Auswärtsspiele in Regensburg. Ich war bisher auch nur als Zuschauer im neuen Stadion, wäre dort gerne schon mal über den Rasen gelaufen. Aber seit vorigem Donnerstag macht mir eine starke Prellung im Oberschenkel zu schaffen, ich konnte nicht trainieren. Deshalb wird es wohl nicht für einen Platz im Bus reichen. Ich werde den Trainer fragen, ob ich privat runterfahren darf. Es haben sich viele Freunde, meine Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten angemeldet. Wir würden uns im Stadion sehen.

Dynamo hat nach zwei Niederlagen gegen Greuther Fürth nur 1:1 gespielt, Regensburg hat zuletzt in Heidenheim gewonnen. Wie schätzen Sie die Ausgangslage ein?

Der Jahn hat aber zu Hause auch noch kein Zweitliga-Spiel gewonnen. Grundsätzlich sollten wir nicht zu sehr auf den Gegner schauen und auch das Ergebnis vom Freitag nicht mehr in Erinnerung rufen. Die Art und Weise, wie wir aufgetreten sind, war sehr gut - zum Spiel in Bochum ein Unterschied wie Tag und Nacht: das Auftreten, die Geschlossenheit, diese Hingabe in den Zweikämpfen. Darüber hinaus wissen wir, dass wir richtig gut Fußball spielen können. Wenn wir das auf den Platz bringen, haben wir eine gute Chance, zumal ich glaube, dass wir durch unsere Fans ein Heimspiel haben.

Wem drücken denn Ihre Verwandten die Daumen?

Mittlerweile Dynamo. Meine Oma war damals in Regensburg immer zu meinen Spielen im Stadion, damals mit Jahn-Trikot. Natürlich hat sie von mir ein Dynamo-Trikot geschenkt bekommen. Ich weiß nicht, was sie anzieht, vielleicht kommt sie diesmal neutral. Trotzdem würden sich alle mit mir freuen, wenn wir gewinnen.

Das Gespräch führte Sven Geisler.