Merken

Ich sehe was, was du nicht siehst

Die Immobilienbranche hat Innovationen weitgehend verpasst. Das soll sich jetzt mit digitaler Bauplanung ändern.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Bettina Klemm

Der Software-Spezialist Tracetronic wächst in rasantem Tempo. Sein vor fünf Jahren bezogener Firmensitz in der Stuttgarter Straße ist längst zu klein. Die Geschäftsführer Rocco Deutschmann und Peter Stähle planen deshalb einen Neubau. Rund acht Millionen Euro werden dafür investiert und Platz für neue 160 Mitarbeiter geschaffen. Derzeit hat das Unternehmen etwa 190 Mitarbeiter. Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein, und der Einzug ist für 2020 fest eingeplant. Damit nichts schiefgeht, setzt der Software-Spezialist Tracetronic auf moderne Bauplanung.

Die Methode Building Information Modeling, kurz BIM, setzt auf Digitalisierung und Automatisierung beim Planen und Bauen. „Wir versprechen uns davon einen reibungslosen Bauablauf, Kostensicherung und Vorteile bei der späteren Wartung“, sagt IT-Leiter René Müller. Tracetronic plant gemeinsam mit dem Dresdner Gebäudespezialisten Innnius seinen Neubau.

„Seit 20 Jahren treiben wir die digitale Bearbeitung von Projekten voran und haben die entsprechenden Werkzeuge und Methoden entwickelt. Seit etwa fünf Jahren sind wir dabei, mit BIM die Daten zu verwalten und einzusetzen“, erläutert Innius-Geschäftsführer Peter Vogel. Mehr als 150 Mitarbeiter des Firmenverbundes, davon knapp 70 in Dresden, decken alle Bereiche der Technischen Gebäudeausrüstung ab. Auf der langen Referenzliste stehen bundesweit beeindruckende Gebäude.

Fehler frühzeitig vermeiden

Ein großer BIM-Verfechter ist Christoph Gröner, Namensgeber und Vorstandsvorsitzenden der CG Gruppe AG. Er habe vor drei Jahren damit begonnen, BIM in seiner Firmengruppe einzuführen. Das Carré Löbtau in Dresden mit 143 Wohnungen wird derzeit mit dieser Methode gebaut. Als bedeutender Projektentwickler sei die CG-Gruppe in der Lage, BIM als Standard auszurufen. Zur dreidimensionalen Planung und digitaler Projektentwicklung kommen Bauablaufmanagement, Leistungskontrolle sowie die Kosten während der gesamten Nutzungsphase einer Immobilie. Das führe zu einem zielgerichteten Zeitmanagement, enormer Beschleunigung sowie detaillierter Kostenprognose und -verfolgung. Ziel ist es am Ende, ein Baukastensystem zu haben. Gröner fordert andere Unternehmen auf, das System mit Planungen und Bauelementen zu „füttern“. Statt von Person zu Person erfolgt die Kommunikation über einen zentralen Server. So sind immer alle auf dem aktuellen Stand, und Informationsverluste oder Missverständnisse werden vermieden. „Wir koordinieren die Arbeit der Architekten, Statiker und TGA-Planer mit der entsprechenden Software. Ihre 3-D-Pläne legen wir auf einer 13 Quadratmeter großen Monitorwand übereinander, um zu sehen, ob sie zueinander passen“, erklärt Gröner. So werden Fehler deutlich. „All das, was man sonst erst auf der Baustelle sieht, kann man zu einem viel früheren Zeitpunkt erkennen.“ Gröner ist überzeugt, dass so Fehlplanungen wie beim Berliner Flughafen oder Kostenexplosionen wie bei der Hamburger Philharmonie verhindert werden. Aktuell werden 3 309 Wohnungen auf diese Art und Weise geplant. Bis zum nächsten Jahr will die CG-Gruppe alle ihre Projekte einbeziehen. Bert Wilde, Niederlassungsleiter der Gruppe in Dresden, ist derzeit mit den Planungen für die Königshöfe am Palaisplatz befasst.

Gröner hatte 1988 mit sieben Mitarbeitern begonnen. Heute beschäftigt er 479 an neun Standorten und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,27 Milliarden Euro. Obwohl er von dem Boom in der Immobilienbranche profitiert, tritt er als Kritiker auf. In seinen Vorträgen, wie kürzlich beim Heuer-Dialog in Dresden, vergleicht er heutige Preise und Kosten mit denen von 1950. Danach müssen Käufer achteinhalb Mal mehr für ein Auto bezahlen. Das Gehalt einer Sekretärin sei 19 Mal höher, die Miete für eine Wohnung jedoch fast 30 Mal. In der Automobilindustrie sei die Produktivität in den zurückliegenden 20 Jahren um 80 Prozent gestiegen. In der Bauindustrie gab es einen Zuwachs von fünf bis zehn Prozent, und dieser wurde durch höhere Anforderungen wie beim Brand- und Schallschutz aufgesogen.

Das Bauwesen war bei Innovationen nie vorn, schätzt auch Ullrich Bauch ein. Er ist Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft Kaiser Baucontrol. Das Unternehmen verfügt über Standorte in Berlin, Leipzig, Dresden, München und Wien und bietet mit 50 Mitarbeitern Projekt- und Immobilienmanagement sowie Beratung und Qualitätsüberwachung an. Bauch, seit 2003 Honorarprofessor der Bauhaus-Universität in Weimar, begrüßt die Initiative von Christoph Gröner. „Das ist löblich, aber die Initialzündung muss von der öffentlichen Hand kommen um breite Anwendung zu finden“, fordert er. Mit der Entwicklung von BIM seien große Chancen verbunden, aber die Datenmodelle müssen kompatibel sein. Andere Länder seien diesbezüglich deutlich weiter.

Bauch arbeitet auch eng mit dem Europäischen Institut für postgraduale Bildung (Eipos), einem Unternehmen der TU Dresden AG, zusammen. Zu dessen Angeboten gehört die Weiterbildung zum BIM-Experten. Eipos lädt bereits zum dritten Mal zu einem Fachforum zur Baudigitalisierung ein. Das Symposium im World-Trade-Center am 21. September steht unter dem Titel „BIM mIT Sicherheit!“. „In Deutschland haben wir hier noch keine allgemeinverbindlichen Richtlinien“, erläutert BIM-Produktmanager Georg Knobloch. Mit den BIM-Entwicklungen werden immer größere Datenmengen zusammengetragen und von einer Vielzahl von Beteiligten genutzt. In der Euphorie über Transparenz und Agilität bei der Umsetzung von digital unterstützten Bauprojekten dränge sich das Thema Sicherheit nahezu auf, so Knobloch.

Eipos Fachforum Baudigitalisierung am 21. September im World-Trade-Center. Anmeldung unter [email protected]