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„Ich bin nicht der Retter der Stadt“

Ex-OB Wolfram Köhler hatte nach Jahren seinen ersten großen Auftritt in Riesa. Die SZ war mit ihm unterwegs.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Riesa. Sonntagnachmittag. Auftritt Wolfram Köhler: Ein paar Minuten verspätet fährt Riesas Ex-Oberbürgermeister in einem weißen Fiat Fullback vor der Sachsenarena vor. Ganz in Schwarz gekleidet – von den Turnschuhen über die Lederjacke bis zur Sonnenbrille – übergibt er Ehefrau Franziska das Steuer, die mit Hund und Tochter Richtung Stadtpark davonfährt. Der 50-Jährige nimmt sich derweil eine Zigarrenlänge Zeit für ein Gespräch mit der Sächsischen Zeitung.

Noch vor der ersten Frage macht Wolfram Köhler allerdings erst einmal seinem Ärger über den Zustand des Kammerorchesters der Sumo-Ringer Luft. „Die müssen mal wieder gemacht werden – aber das interessiert ja keinen mehr“, sagt er und zeigt auf die unzähligen Risse in den Fundamenten unter den tonnenschweren Kolossen, die 1999 von dem Chemnitzer Bildhauer Karl-Heinz Richter erschaffen und vor der Multifunktionshalle in der Pausitzer Delle aufgestellt worden sind.

Die Halle – gleichzeitig Symbol für Riesas Wandel von der Stahl- zur Sportstadt – ist ein Thema, worüber Wolfram Köhler gern spricht. Es sei damals, vor knapp 20 Jahren, ein vergleichsweise billiger Bau gewesen. Funktionalität zählte, um Veranstaltungen wie die Sumo-WM oder das Rammstein-Konzert durchführen zu können. Mittlerweile seien aber nicht nur die Plastiksitze überholt, sondern auch das Konzept, kritisiert der gebürtige Templiner. „Wenn man nur noch vermieten will, kann man die Halle sicher noch eine Weile ausquetschen. Dann kann man sie aber auch an die WGR übergeben.“

Die Darts- und Motorrad-Shows, die seit einigen Jahren in Riesa stattfinden, seien ein Plus für die Stadt. Doch richtig Geld verdienen könne man nur mit eigenen Ideen, die man auch vermarkten könne. Dafür braucht es mehr als Geschäftsführer, die die FVG nur halbtags führen und branchenfremd sind, so der Pfarrerssohn. „Die Leute sind ja nicht unfähig. Aber von Herrn Striegler würde ich mir keinen Plattentipp geben lassen“, sagt Wolfram Köhler über den früheren FVG-Prokuristen und aktuellen Magnet-Geschäftsführer Reiner Striegler.

Sachsenarena, Hauptstraße, Rathausplatz, Stadt-Image: Wolfram Köhler hat zu allem eine Meinung und oft auch Vorschläge parat. „Aber ich bin ja nicht der Retter von Riesa“, sagt er mit einem Lächeln. – „Mister Riesa“ wird Wolfram Köhler aber sicher noch einige Zeit bleiben. Denn so heißt nicht nur seine 2005 erschienene Biografie. So sieht er sich auch selbst. „Ich war 13 Jahre hier. Riesa wird immer meine Stätte sein. Hier habe ich meine größten Erfolge gefeiert – es gab keinen OB, der mehr Schulen saniert hat als ich“, sagt er ganz ohne Bescheidenheit und gibt gleichermaßen zu, nie ein Verwaltungsmensch gewesen zu sein. Dafür hebt er durchaus gern die Leistung anderer hervor. Spricht lobend von Ex-Vize-OB Werner Nüse oder Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Und kokettiert damit, selbst immer umstritten gewesen zu sein. Nur so mache man deutschlandweit Schlagzeilen. Und nur so sei das große Interesse an seiner Person in Riesa noch immer zu erklären.

Zumindest gedanklich sei er auch noch beinahe täglich in der Stadt. Als Freund. Als CDU-Mitglied. Als täglicher SZ-Leser. Doch mehr als ein Besuch im Jahr müsse nicht sein. Wolfram Köhler ist mit seinem Leben in der 63 000-Einwohner-Stadt Fort Myers im warmen Florida zufrieden. Das Management von Ex-Boxer Axel Schulz sei quasi schon ein Fulltime-Job. Zwei Tage die Woche hat Wolfram Köhler zudem für sein Geschäft Watch Investments reserviert.

Er repariert und kreiert Uhren im hochpreisigen Segment, sagt er. Nach der Lehre beim Riesaer Uhrmacher Manfred Kuge hat er bereits Millionen Ersatzteile angesammelt und trägt auch selbst eine echte Köhler-Uhr. „Das gibt mir die Ruhe, die ich so nie hatte.“ Ein Hobby, aus dem mittlerweile auch ein gutes Geschäft geworden sei. „Ich habe deshalb eigentlich keine Zeit mehr. Für jede Aufgabe, die ich neu übernehme, müsste ich was anderes aufgeben“, sagt Wolfram Köhler.

Auch Ausflüge in die Musikwelt wie 2013 mit Heino seien deshalb erst einmal kein Thema mehr. Er sei jetzt eher Konsument – hört aktuell „The soul of Cash“ von Brian Owens oder Twenty One Pilots, eine der Lieblingsbands der 14-jährigen Tochter. In der Musikszene kennt sich der ehemalige Liedermacher nach wie vor aus – und deshalb sollte man wohl auch nie nie sagen. Auch, wenn er eine Rückkehr in die Politik – in den USA wie in Deutschland – momentan ausschließt. Für ein spannendes Projekt, für eines, das andere für unmöglich halten, ist er vielleicht zu haben, sagt der 50-Jährige. Der Tag der Sachsen in Riesa reize ihn allerdings nicht: „Da wäre ich ja nur einen Nachmittag beschäftigt.“

Doch zurück zu den Sumo-Ringern. „Bloß weil die nicht von 1720 sind, muss man sich trotzdem was überlegen“, sagt Wolfram Köhler und zieht ein letztes Mal an der Zigarre. Und wenn Riesa die Kolosse gar nicht mehr will? „Die würde ich sogar nehmen und mir in den Garten stellen.“