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Hungernde Kühe wegen Biogas?

Die wochenlange Trockenheit hat den Bauern und ihren Tieren zugesetzt. Machen Biogasanlagen die Lage schlimmer?

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© Jan Woitas/dpa

Von Dominique Bielmeier

Die charakteristischen halbrunden Hauben sieht man meist schon von Weitem. Darunter gärt es, was das Zeug hält: Das Gasgemisch, das bei der natürlichen Zersetzung von organischem Material unter Luftabschluss entsteht, wird später zu Energie, zu Strom, Wärme, Gas oder Treibstoff. Dazu braucht es Gülle, Bioabfälle oder Energiep?anzen. Letztere werden speziell zu diesem Zweck angebaut, zum Beispiel Mais.

© Grafik/SZ

Aus diesem Grund gärt es auch bei vielen Kritikern dieser erneuerbaren Energie. „Kühe, Pferde, Schafe stehen auf staubtrockenen Weideflächen“, schrieb vor Kurzem ein Leser an die SZ. „Deshalb kann ich nicht verstehen, dass es andere Bauern gibt, die ihre riesigen Maisflächen für Biogasanlagen verwenden, die unseren Strom obendrein verteuern.“ Er forderte, dass die Bauern oder Bio-Gasanlagenbetreiber den Ertrag ihrer Maisschläge den Bauern verkaufen, die von der Dürre stark betroffen sind. Ein anderer Leser fand noch drastischere Worte: „Futtermittel beziehungsweise Tiernahrung zu verbrennen, kommt gleich nach Bücherverbrennen.“

Die Sächsische Zeitung fragte bei neun Biogas-Anlagenbetreibern im Landkreis Meißen nach, welche Auswirkungen die langanhaltende Hitze auf den Betrieb hat und ob es eine Konkurrenz zwischen Futterpflanzen und Pflanzen zur Biogasgewinnung gibt. Antwort erhielt sie bis Redaktionsschluss jedoch nur von zwei Betreibern: Torsten Hertzsch vom Hof Bahra in Hirschstein und Ingolf Horstmann, Betreiber der Biogasanlage Großenhain.

Laut Torsten Hertzsch habe die Dürre zurzeit keine Auswirkungen auf den Betrieb der Biogasanlage. „Wir ernten zwar weniger als andere Jahre, haben aber eine Reserve an Silage, die uns sicher bis ins nächste Jahr bringt.“ Die Anlage in Bahra wird mit Ganzpflanzensilage betrieben. Zur Frage nach einer Konkurrenz zwischen Futterpflanzen und den Pflanzen, die in der Biogasanlage verwendet werden, sagte Hertzsch: „Wir ernten die, von unseren Partnern über langjährige Verträge gesichert angebauten Flächen, nur eben etwas weniger als erwartet und müssen keine zusätzlichen Lieferanten finden. Wir treten somit auch nicht in Konkurrenz zu Milchviehbetrieben. Auch erreichten uns keine Anfragen anderer Betriebe.“

Ausführlicher antwortete Ingolf Horstmann, der sich sogar freute, „dass Sie sich dem Thema annehmen und hinterfragen, welche Auswirkungen Ernteeinbußen mit sich bringen“. Horstmann erklärte, sein Unternehmen betreibe Biogasanlagen, die an klassische Wärmenetze angeschlossen sind und somit direkt Industriebetriebe und Haushalte mit Wärme versorgen. „Somit sind wir darauf angewiesen, direkt Inputstoffe von den Landwirten vor Ort beziehen zu können, da wir keine eigenen Flächen bewirtschaften.“

Das Unternehmen, das zur iES-Gruppe aus Bayern gehört, müsse genauso wirtschaften und planen wie viehhaltende Betriebe. „Es ist allgemeine Praxis, dass in in der Regel 30 Prozent mehr als Futterfläche eingeplant wird als der benötigte Bedarf“, erklärt Horstmann. „In normalen Jahren werden so Reserven aufgebaut, die in Jahren mit schlechten Erträgen, wie zum Beispiel in diesem Jahr, als Ausgleich genutzt werden.“

Die „Jahrhunderternte“ beim Silomais im vergangenen Jahr habe „ein krasses Überangebot“ geschaffen. „Unsere Einkäufe im Jahr 2017 waren so umfangreich, dass wir Lagerbestände bis ins Jahr 2020 aufbauen konnten und damit Missernten wie in diesem Jahr sehr elegant ausgleichen können“, so Horstmann. Er gehe davon aus, dass seine Kollegen im Biogassektor genau so unternehmerisch verantwortungsbewusst agiert haben. Viehhaltende Betriebe hätten eine noch bessere planerische Grundlage, da diese eigene landwirtschaftliche Flächen vorhalten. Erst nach zwei bis drei extremen Jahren könne es wirklich zu Notsituationen kommen, so Horstmann.

Was ist aber mit der Konkurrenz zu den Futterpflanzen? Haben die Kritiker recht, die fordern, Biogasanlagenbetreiber sollten ihren Ertrag für die Tiere hergeben? Horstmann: „Ich denke, dass die fünf Prozent der für Biogasanlagen angebauten Flächen in Deutschland keine Lösung für die viehhaltenden Betriebe darstellen, da dieser geringe Anteil die Situation nicht entscheidend entschärfen könnte.“

Verschiedene Studien hätten gezeigt, schreibt dagegen das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite, „dass Wind- und Solarenergie der Biomasse in der Flächeneffizienz um ein Vielfaches überlegen sind.“ Aufgrund des enormen Flächenbedarfs könne die Anbaubiomasse auch künftig rein rechnerisch nur sehr gering zur Energieversorgung beitragen. Besser bewertet das Bundesumweltamt die Vergärung von Gülle, die sie in einen bodenverträglichen Dünger umwandele. „Auch die energetische Nutzung von Grünschnitt aus der Landschaftspflege, biogenen Siedlungs- und Industriebfällen ist nicht mit gravierenden ökologischen und sozioökonomischen Risiken verbunden – sofern bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden.“ Das Amt empfiehlt, die Nutzung von Energie aus Anbaubiomasse „nicht auszuweiten und stattdessen der stofflichen Nutzung den Vorrang einzuräumen“.