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Honig saugen im Internet

Drei junge Frauen entwickeln in Leipzig die Marktforschungsmaschine Blackbee. Ihre Firma trägt Onlinedaten zusammen wie Pollen. Mit Erfolg.

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© Sebastian Willnow

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Der neue Rasenmäher, ein Elektrofahrrad oder ein klassisches Abendkleid: Wer etwas Teureres einkaufen will als einen Liter Milch, vergleicht die aktuellen Preise im Internet. Schon bei der ersten Recherche landet er in Suchmaschinen, die die nächsten Schnäppchen von Onlinehändlern aufspüren. Was aber, wenn ein Konzern tagtäglich den Markt von Abertausenden Produkten und die Angebote der Konkurrenz beobachten will, um einen marktfähigen Preis zu gestalten, Trends früh zu erkennen und eine Spitzenposition in der Branche zu halten? Solche Fragen kann nur ein professionelles Preismonitoring beantworten, das Händlern zeigt, wo sie mit ihrem Angebot stehen – und wo sie stehen könnten.

Einer der Platzhirsche der neuen Branche sitzt in Leipzig: Das junge Unternehmen „Webdata Solutions“ steuert mit der hauseigenen Technologie Blackbee (Schwarze Biene) auf Erfolgskurs. In mehreren Rankings wurde Blackbee bereits ausgezeichnet und unter die Top 25 innovativer und wachstumsstarker Digital-Startups gewählt. Wie ein Bienenschwarm schwirren die Suchmodule durchs Internet, tragen automatisiert großen Mengen Onlinedaten zusammen wie Pollen auf der Wiese und bereiten sie als brauchbare Informationen für die Kunden auf: als fertigen Honig.

Hinter der modernen Form der Marktforschung für den wachsenden Internethandel steckt ein besonderes Team: Drei Gründer-Frauen bilden den Kern des Hightech-Unternehmens. Das Trio hatte sich in einem Forschungsprojekt an der Uni Leipzig getroffen und mit seiner einzigartigen Technologie Anfang 2012 die Firma gegründet. Mittlerweile beschäftigt es rund 40 Mitarbeiter und beliefert mehr als 70 deutsche und europäische Händler und Hersteller – darunter die Parfümeriekette Douglas, den Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin und Deutschlands größten Online-Baby-Shop Windeln.de.

„Blackbee ist keineswegs so trivial, wie es zunächst klingt“, sagt Carina Röllig, die kaufmännische Geschäftsführerin. So gebe es Kunden, die Hunderttausende Produkte auf zig Internetseiten in verschiedenen Sprachen beobachten wollen. Die Produkte seien aber nicht einfach an einheitlichen Artikelnummern zu erkennen, sondern würden überall unterschiedlich bezeichnet und beschrieben. „Unser Matching als Herzstück von Blackbee ist dennoch in der Lage, sie korrekt zuzuordnen und eine hohe Datenqualität zu liefern“, sagt Röllig.

Die Informationen würden strukturiert aufbereitet, sodass der Kunde auf einen Blick erkennt, ob er zu teuer am Markt vertreten ist – oder auch zu billig. „Erst durch die Aufarbeitung und Auswertung lässt sich Big Data wirklich nutzen“, sagt Mitgründerin Sabine Maßmann. So könne dank Blackbee einerseits der Umsatz und andererseits der Gewinn erhöht werden. Eine Internetapotheke habe zum Beispiel seine Marge binnen vier Wochen um zehn Prozent erhöht. Über den hauseigenen Umsatz hält sich Carina Röllig indes bedeckt. Er liege, sagt sie, im siebenstelligen Bereich. Und er wächst.

Begonnen hat die Geschichte vor zehn Jahren in einem Forschungslabor am Lehrstuhl für Informatik der Leipziger Uni. Die beiden Gründerinnen Hanna Köpcke aus München und Sabine Maßmann aus Güstrow, beide heute 37 Jahre alt, entwickelten Technologien zum Datenabgleich aus dem Internet. 2010 stieß Carina Röllig als Betriebswirtschaftlerin nach ihrem Studium in Dresden und Chemnitz hinzu. Auf Messen wie der Cebit in Hannover stellten sie ihre Entwicklungen vor. Der Durchbruch gelang im September 2012 auf der dmexco in Köln: „Wir hatten in zwei Tagen 130 Kontakte. Da wurde uns klar: Das wird etwas“, erzählt die 42-Jährige. Bald wurden auch größere Investoren aufmerksam: 2013 leistete der Technologiegründerfonds Sachsen eine Anschubfinanzierung von 500 000 Euro. 2014/2015 investierten drei Risikokapital-Fonds zusammen mehr als vier Millionen Euro, um die Software-Optimierung und die weitere Expansion voranzutreiben.

Als reines Frauenteam in der männlich dominierten High-Tech-Start-up-Szene sind die Datenbienen eine außergewöhnliche Spezies. Laut dem jüngsten Deutschen Startup-Monitor wurden 2015 nur 13 Prozent der neuen Technologiefirmen von Frauen gegründet. Im Jahr zuvor waren es noch weniger. Bei der Entstehung von „Webdata Solutions“ war die 100-prozentige Frauenquote ein reiner, aber glücklicher Zufall, beteuert Geschäftsführerin Röllig. „Wir ergänzen uns wunderbar – aber wir hatten nie das Ziel, ein Unternehmen ohne Männer zu gründen.“ Darauf angesprochen würden sie fast nur von Medien, nicht aber von Geschäftspartnern. „Für den Kunden zählt nur, was man liefert.“

Dass deutlich mehr Männer Start-ups gründen, liegt für Röllig an zwei Faktoren: Zum einen, weil ohnehin viel mehr Männer in technischen Berufen unterwegs sind. Zum anderen, weil mehr von ihnen bereit seien, ein Wagnis einzugehen. „Männer haben stärker das Bedürfnis, eine Firma zu gründen, und suchen dann nach einer Idee. Bei uns war es umgekehrt: Wir hatten eine vielversprechende Technologie und haben losgelegt.“ Zudem gebe es bisher deutlich mehr männliche Vorbilder.

Von Quoten hält Röllig dennoch gar nichts. „Es zählt allein die Idee.“ Dass Frauen anders führen, ist für sie indes selbstverständlich. „Die Kommunikation und der Umgang miteinander sind natürlich verschieden“, sagt sie. Dazu passt ein besonderes Engagement der Firma: Vergangenen Winter übernahm Blackbee eine Bienen-Patenschaft. Für jede versendete Weihnachtskarte wurden zwei Euro an den Berliner Verein Stadtbienen gespendet – zur Gründung eines neuen Bienenvolkes.