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Hohnsteins neuer Ehrenbürger

Puppenvater Gerhard Berger reiht sich in eine Liste illustrer Persönlichkeiten ein. Er steht aber lieber an der Werkbank.

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Von Thomas Möckel

Selbst die hohe Ehre, die ihm die Stadt erwies, bringt seinen wohlgeordneten Tagesablauf nicht durcheinander. Anderthalb Tage nach dem Festakt steht Gerhard Berger am Montagvormittag wieder an der Werkbank und tut das, was er mittlerweile seit 71 Jahren tut: Schnitzen. Kasperpuppen. Nicht irgendwelche. Hohnsteiner Handspielpuppen, Kasper, Gretel, Seppel und all die anderen aus der Holzkopf-Familie. Seine Schnitzkunst und seine unermüdliche Arbeit, diese Tradition zu bewahren, haben ihm nun die höchste Auszeichnung eingebracht, die Hohnstein zu vergeben hat: Hohnstein verlieh ihm zum Stadtfest das Ehrenbürgerrecht.

Berger, 87 Jahre alt und rüstig, reiht sich damit in eine Liste illustrer Persönlichkeiten ein. Reichskanzler Otto von Bismarck wurde 1895 Hohnsteiner Ehrenbürger, Kletter-Legende Bernd Arnold und Forst-Legende Dietrich Graf wurden es 2008, auch der Hohnsteiner Arzt Dr. Walter Noack sowie der frühere Bürgermeister Albert Vester (beide 1984) dürfen sich mit dem Titel schmücken.

Berger hat die hohe Gunst, die ihm nun zuteilwird, dem Traditionsverein Hohnsteiner Kasper sowie dem Bürgermeister zu verdanken. Sie hatten ihn vorgeschlagen, den Künstler, der mit seiner Puppenschnitzkunst seit über 70 Jahren Hohnstein auch über die regionalen Grenzen hinaus bekannt gemacht hat. Berger habe sich, so begründen die Initiatoren ihren Vorschlag, auf künstlerischem sowie auf kulturellem Gebiet große Verdienste um das Ansehen der Stadt erworben. Der Stadtrat folgte dem Vorschlag.

Der Meister selbst erfuhr erst zwei Tage vorher, dass er Ehrenbürger wird. Still und heimlich habe man es an ihn herangetragen, sagt er. Er war überrascht, glaubte aber zunächst nicht so recht daran, was er da hörte. Spätestens aber, als er am Sonnabend seine Urkunde in der Hand hielt, wusste er, dass seine heimlichen Zuträger recht hatten. „Nicht schlecht“, attestiert Berger selbst seine neue Ehrenbürgerwürde und lacht dabei. Er freue sich natürlich sehr darüber, aber es bringe schließlich nicht nur Vorteile.

Berger fürchtet ein wenig um seine Ruhe. Schon jetzt kommen häufig Menschen in den Verkaufsraum oder gar in seine Werkstatt, neugierig auf das, was der Meisterschnitzer dort vollbringt. Und wenn er jetzt Ehrenbürger ist und viele es wissen, könnten bald noch mehr Gäste ihn besuchen. Natürlich sind Käufer wichtig, aber Berger schätzt die Beinahe-Stille in seiner Werkstatt, in der ihn lediglich die Schnitzgeräusche sowie das Ticken einer Wanduhr akustisch begleiten dürfen. Er will einfach schnitzen, sagt er, solange es geht.

Der Weg zum Künstler war keinesfalls einfach. Als Schulkind verdingte er sich zunächst als Laufbursche, brachte Bestellungen von Puppenspiel-Begründer Max Jacob zum Holzbildhauer Theodor Eggink und nahm von dort die fertigen Puppenköpfe mit ins Puppenspielhaus. Bei Eggink ging Berger später auch in die Lehre, der Anfang war hart, doch dann überzeugte Berger seinen Lehrmeister von der Schnitzkunst.

Ab 1942 produzierte Berger die Puppenköpfe allein, auch zu DDR-Zeiten durfte er weiterschnitzen. Heute sind Bergers Puppen ein patentrechtlich geschütztes Hohnsteiner Original. Pro Jahr verkauft er derzeit zwischen 400 und 500 Puppen, alle aus Lindenholz akribisch gefertigt.

Nicht ganz so akribisch konnte er am Wochenende agieren, als er sich als neuer Ehrenbürger ins Goldene Buch der Stadt eintrug. Berger hatte seine Brille nicht dabei und sah deshalb schlecht. „Aber ich hoffe doch“, sagt er und lacht wieder, „dass es mit der Unterschrift doch einigermaßen geklappt hat.“