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Hoffnung für die RTL 2-Familie aus Sachsen

Das neue Zuhause mithilfe einer TV-Show kann noch immer zum Unglück werden. Ein Rechtsanwalt möchte Teilnehmern der RTL 2-Sendung „Zuhause im Glück“ helfen, denen horrende Steuernachzahlungen drohen. Die Rettung für die Thieres aus Großenhain?

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© Anne Hübschmann

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. In den vergangenen zwei Wochen ging es Schlag auf Schlag. Nachdem die UFA-Produktionsgesellschaft damit überrascht hatte, dass ihre Schützlinge aus dem RTL 2-Quotenrenner „Zuhause im Glück“ Einkommenssteuer nachzahlen müssen, brodelt es deutschlandweit. Die ersten Familien, welche so wie Juliane und Alexander Thiere aus dem Großenhainer Ortsteil Bauda, eigentlich dankbar für die Unterstützung waren, wurden bereits mit Forderungen ihrer Finanzämter konfrontiert. Summen, welche sich zwischen 37 000 und 42 500 Euro bewegen – von den Betroffenen, aufgrund von schweren Schicksalsschlägen oder Erkrankungen, nicht aufzubringen. Schließlich waren genau jene Lebensumstände der Grund, weshalb die Familien das vermeintliche Hilfsangebot von „Zuhause im Glück“ angenommen haben.

Für die meisten Teilnehmer des seit 2005 ausgestrahlten Fernsehformats eine geradezu ausweglose Situation. Rechtsanwalt Michael Baczko – Fachanwalt für Sozialrecht aus Erlangen – hat ihnen jetzt seine Hilfe angeboten. Der 67-Jährige, welcher bereits in verschiedenen Sendungen der ARD, des ZDF und jahrelang im MDR als Experte aufgetreten ist, sieht indes gute Chancen.

Die SZ war mit dem Juristen, der schon mehrfach mit kniffligen Sachlagen vor dem Bundessozialgericht und dem Bundesgerichtshof teilweise als Sieger hervorgegangen ist, im Gespräch.

Herr Baczko, Sie unterstützen deutschlandweit ehemalige Teilnehmer des Fernsehformats „Zuhause im Glück“. Was hat Sie dazu bewogen?

Zum einen, eigene leidvolle Erfahrungen. Und zum anderen, weil ich als langjähriger Experte in diversen Fernsehsendungen weiß, dass Menschen unverschuldet in eine schwierige Lage geraten können und dort allein nicht mehr herauskommen. Entgegen unserem Sozialstaats-Prinzip gehen sie unter. Leider herrscht in der Bevölkerung immer noch ein Obrigkeitsdenken nach dem Motto, „der Staat wird schon recht haben“. Ich selbst bin 1950 geboren, mein Vater bekam ein Jahr später die Zulassung als Rechtsanwalt und war einer der ersten Fachanwälte für Sozialrecht in Deutschland. Aufgrund seiner sozialen Verdienste erhielt er später sogar das Bundesverdienstkreuz. Ich habe also schon von Kindesbeinen an mitbekommen, wie der Staat mit denjenigen umgeht, die sich nicht zu wehren wissen. Pervers ist die Situation besonders bei all jenen, die kein Geld haben, um sich von einem fachlich kompetenten Anwalt vertreten zu lassen. Ich wiederum kann mir aufgrund meines Alters und der Tatsache, dass ich nicht gezwungen bin, von meiner Tätigkeit als Anwalt zu leben, den Luxus leisten, in ausgesuchten bestimmten Fällen auf Erfolgshonorarbasis zu arbeiten. Hierbei gilt mein besonderes Interesse, denjenigen, die – aus welchem Grund auch immer – ein schweres Schicksal erlitten haben und Hilfe benötigen, die sie von anderer Seite nicht erhalten. Leute, wie die Teilnehmer aus Zuhause im Glück.

Betroffene Familien wie Thieres aus dem Großenhainer Bauda wurden seit bekannt werden des Steuerdebakels mit viel Häme bedacht. Kritiker bemerkten, die UFA habe im Vertrag ja auf eine mögliche Zahlung von Einkommenssteuer hingewiesen. Hat sie das aus Ihrer Kenntnis wirklich eindeutig?

Den mir vorliegenden Verträgen und auch den Aussagen unbeteiligter Zeugen kann ich nicht entnehmen, dass die UFA auf eine mögliche Zahlung von Einkommenssteuer hingewiesen hat! Selbst, wenn dies so wäre, hätte niemand mit Steuern in hohen fünfstelligen Beträgen, immerhin bis zu 50 000 Euro, rechnen können und müssen. Nach Ansicht von Kollegen und mit mir zusammenarbeitenden erfahrenen Steuerberatern, ist die bisherige Rechtslage so einzuschätzen, dass, wenn überhaupt, die Steuern von der UFA selbst zu entrichten wären.

Wie kann es überhaupt sein, dass 13 Jahre angeblich kein einziges Finanzamt in Deutschland auf die Problematik aufmerksam geworden ist?

Hier kann ich nur spekulieren! Es gab 2007 eine neue Rechtsprechung, nachdem Teilnehmer an Shows, soweit diese nicht reine Glücksspiele sind, Steuern auf ihren Gewinn zahlen müssen. Vermutlich war es so, dass ein Finanzbeamter meinte, diese Grundsätze seien auch auf die Kandidaten der Sendung „Zuhause im Glück“ anzuwenden. Eine Auffassung , die ich aber für sehr fraglich halte. Doch das brachte dann wohl im Rahmen einer Wirtschaftsprüfung bei der UFA den Stein ins Rollen.

Hätte die Produktionsgesellschaft nicht eine Sorgfaltspflicht gegenüber den mitwirkenden Familien gehabt?

Zunächst muss man darauf hinweisen, dass bei Beginn der Sendung im Jahr 2005 diese steuerrechtliche Problematik ja überhaupt nicht gegeben war. Der Fehler liegt auch nicht bei der Produktionsgesellschaft, sondern möglicherweise bei den Steuerberatern der UFA. Diese hätten auf die veränderte Rechtslage hinweisen müssen. Unklar ist mir, warum die Gesellschaft überhaupt die Daten der Kandidaten weitergegeben hat. Möglicherweise geschah dies unter Verstoß gegen das Steuergeheimnis und der Datenschutzbestimmungen.

Und was raten Sie jetzt den betroffenen Familien?

Auf keinen Fall selbst mit dem Finanzamt verhandeln! Einen Rechtsanwalt und Steuerberater einschalten, beziehungsweise einen Fachanwalt für Steuerrecht oder einen steuerrechtskundigen Anwalt. Allerdings wird genau das ein Problem sein: Die meisten Betroffenen werden nicht die finanziellen Mittel haben, um einen Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Steuerrecht zu bezahlen! In den wenigsten Fällen wird, wenn überhaupt, eine Rechtsschutzversicherung eintreten. Deshalb gibt es Überlegungen, ob eine Art Hilfsfonds im Rahmen eines gemeinnützigen Vereins oder einer gemeinnützigen Stiftung möglich ist.

Was macht Sie so sicher, dass es juristisch gute Chancen gibt, gegen die Vertragsgestaltung vorzugehen?

Es geht nicht um die Vertragsgestaltung! Es geht um die steuerliche Einordnung! Man muss wissen, dass die Verträge so gestaltet sind, dass die Kandidaten reine Statisten waren. Sie haben der Produktionsgesellschaft ihre Wohnung oder ihr Haus für mehrere Tage zur Verfügung gestellt und hatten in dieser Zeit keinerlei Mitwirkungsrecht. Eine Vielzahl von Betroffenen berichtete mir zudem, dass kein Mehrwert geschaffen wurde. Stattdessen eine Vielzahl von Schäden verursacht, teure Einrichtung gegen billige ausgetauscht worden ist und so weiter. Aus mehreren steuerrechtlichen Rechtsgedanken ergibt sich, dass aufgrund der Vertragsgestaltung für die Kandidaten keine Steuern anfallen. Meines Erachtens liegt ein falscher Gedanke des Finanzamtes zugrunde. Zwar wurden die Renovierungskosten von der Produktionsfirma als Kosten abgeschrieben, aber ja als Einnahme bei den Handwerkern oder Lieferanten versteuert. Werden nun auch nochmals Steuern von den Kandidaten verlangt, geschieht das für die gleiche Einnahme zweimal. Einmal von den Handwerkern und Lieferanten und nochmals von den Kandidaten. Das kann nicht sein.

Herr Baczko, gibt es berechtigte Hoffnungen, eine generelle Aussetzung der Steuernachzahlung zu erwirken?

Nicht nur ich, sondern Kollegen und Steuerberater, mit denen ich in Verbindung stehe, vertreten die Ansicht, dass wir nicht nur eine vorläufige Aussetzung der Steuernachzahlung erwirken können, sondern dass bereits ergangene Steuerbescheide als unwirksam erklärt werden. Entsprechendes gilt für eventuell zu erwartende Bescheide. Da es sich jeweils um individuelle Sachverhalte handelt, ist eine generelle vorläufige Aussetzung der Steuernachzahlungen auf dem Rechtsweg nicht zu erreichen. Hier sind die jeweiligen Landesfinanzministerien zuständig. Sobald mir weitere aussagekräftige Unterlagen und Zeugenaussagen vorliegen, werde ich aber versuchen, bei den Finanzministerien eine generelle Aussetzung der Verfahren beziehungsweise eine generelle vorläufige Aussetzung der Steuerzahlungen zu erreichen.

Gespräch: Catharina Karlshaus