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Hochhaus wird grüner

Beim markanten Hochhaus an der Bahnhofstraße wird die Fassade erneuert. Nun steht die Farbe fest.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Wer hier arbeitet, sollte besser schwindelfrei sein: 30 Meter hoch sind die Gerüste, auf denen derzeit Handwerker an der Bahnhofstraße zugange sind. Sie erneuern im Auftrag der Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR) die Fassade am Hochhaus 5-9 neben dem Zebrastreifen. Fast könnte man meinen, dass dazu der bevorstehende Tag der Sachsen 2019 Anlass ist: Denn die letzte Fassadensanierung hat das Gebäude ebenfalls ein Jahr vor dem größten sächsischen Volksfest in Riesa erlebt – 1998.

Unten kräftig grün, nach oben zu dezenter: So wird die neue Fassade farblich gestaltet. Sie soll wieder 20Jahre halten.
Unten kräftig grün, nach oben zu dezenter: So wird die neue Fassade farblich gestaltet. Sie soll wieder 20Jahre halten. © Visualisierung: WGR

Tatsächlich aber sind Schäden an der Dämmkonstruktion die Ursache. Die sieht nur, wer den Kopf in den Nacken legt: An den Seiten der Treppenhaustürme, knapp unter dem Dach, ist auf größeren Flächen der Putz abgefallen. Ebenso an den Seiten der aufs Dach aufgesetzten Räume, in denen sich die Aufzugsanlagen befinden. „Dort oben greifen Wind und Wetter die Fassade am meisten an“, sagt Frank Gehrke von der WGR. Dadurch habe es Bewegungen im Därmeverbundsystem gegeben, das vor 20 Jahren an die Wand gebracht wurde.

Das besteht bei so einem Hochhaus nicht aus Styropor – das ist in Deutschland aus Brandschutzgründen bei solchen Gebäuden verboten. Stattdessen wurde damals nicht brennbare Mineraldämmwolle an die Wand gedübelt. Die erfüllt ihren Zweck noch immer, muss nun aber mit zusätzlichen Dübeln neu befestigt werden. Anschließend werden die Handwerker eine Gaze-Armierung aufbringen, alles schön gleichmäßig verspachteln und obendrauf eine neue Putzschicht anbringen. Zuletzt erhält das markante Hochhaus einen neuen Anstrich.

Dafür steht mittlerweile auch das Farbkonzept fest. „Das Haus bekommt einen hellen, freundlichen Anstrich in Grüntönen“, sagt Frank Gehrke. Dafür sind eine ganze Reihe an Farbschattierungen nötig: Denn die Fassade wird von unten nach oben in immer helleren Grüntönen gestaltet. Das ganze Konzept wurde auf die bereits erneuerten Nachbarhäuser abgestimmt. Zu den historischen Rechtecken aus roten Fliesen soll die neue Farbe einen Kontrast bilden – diese bleiben dem Hochhaus erhalten.

Ursprünglich hatte das Areal ohnehin ganz anders aussehen sollen. Darauf weist der frühere Stadtarchitekt Bernhard Thienel hin. Schon in den 50er-Jahren gab es in Riesa Überlegungen, an der Bahnhofstraße ein neues Stadtzentrum zu schaffen. Damals war die Fläche vor allem als Lagerplatz für auf der Elbe geflößtes Holz und für Sägewerke bekannt. Gern hätten die Riesaer Verantwortungsträger dort neue Wohnungen, Verwaltungsgebäude und Geschäfte gesehen. „Das entsprechende Areal wurde 1962 vorsorglich zum Bausperrgebiet erklärt“, schreibt Thienel im Vorwort zum 2016 erschienenen Bildband „Das historische Riesa“ von Helmut Neumann.

Es gab einen städtebaulichen Ideenwettbewerb – die preisgekrönten Entwürfe hatten allerdings nie die Chance, auch verwirklicht zu werden. Die „kühnen Ideen der Architekten“ hätten nicht zu den wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten der DDR gepasst. Anfang der 70er griff man im Rat des Bezirkes die Planungen nochmals auf, allerdings sei das endgültige Aus für das ambitionierte Projekt aus Berlin gekommen, schreibt Thienel. Der XIII. Parteitag der SED habe ein Wohnungsbauprogramm beschlossen, kein Städtebauprogramm. Deshalb wurde aus den eigentlich geplanten 17-geschossigen Punkthochhäusern an der Bahnhofstraße nichts – und die damalige Straße der DSF wurde so bekannt, wie man sie heute kennt.

Aktuell liegen die Fassadenarbeiten voll im Plan. Der erste von fünf Bauabschnitten ist komplett eingerüstet, beim zweiten wächst das Gerüst bereits nach oben. Begonnen hatte das Projekt am 22. Mai. „Wenn das Wetter mitspielt, wollen wir Mitte Oktober mit allem fertig sein“, sagt Bauleiter Frank Gehrke. Bislang gab es Glück: Die wolkenbruchartigen Niederschläge fielen in Riesa bislang auf Wochenenden. Zu heiß darf es aber ebenfalls nicht werden – dann trocknen Putz und Farbe zu schnell. Insgesamt lässt sich die WGR das Projekt fast eine halbe Million Euro kosten.