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Hoch lebe das Porträt

Rietschel und Rayski treffen den US-Amerikaner Wiley im Mosaiksaal des Dresdner Albertinums.

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© Kehinde Wiley Studio

Von Birgit Grimm

Ernst Rietschel ist zurück. Manche Besucher werden den berühmten sächsischen Bildhauer des 19. Jahrhunderts im Dresdner Albertinum vermisst haben. Sie können sich nun freuen, einigen seiner Figuren im Mosaiksaal wiederzubegegnen. Es ist keine Sonderschau, die die Museumsleute eingerichtet haben, sondern ein Versprechen auf Dauer.

Blick in den neu eingerichteten Mosaiksaal des Dresdner Albertinums.
Blick in den neu eingerichteten Mosaiksaal des Dresdner Albertinums. © Eric Münch

Zehn der 24 neu aufgestellten Figuren sind Rietschels Werk. Sein Lessing grüßt prominent in der unteren Mitte des Saals. Die Dresdner Skulpturensammlung zeigt das Gussmodell des monumentalen Lessing-Denkmals, das der Sachse Rietschel einst für Braunschweig schuf. Auch Goethe und Schiller, die deutschen Dichterfürsten, die der Bildhauer einst den Weimarern in die Stadt stellte, sind als Entwurf im Albertinum zu sehen.

Oben, hinter dem Mosaik im Fußboden, das dem Saal den Namen gibt, thront noch viel prominenter das Modell einer berühmten Bauplastik, „Die Musik“. Ernst Rietschel hatte diesen Giebel für das Erste Hoftheater, das Gottfried Semper für Dresden entworfen hatte, geschaffen. Eine großartige Figurengruppe mit Schwanengesang am einen und Eulengeflatter am anderen Ende.

Neu im Mosaiksaal und ebenfalls als Dauerpräsentation gedacht sind die Gemälde von Ferdinand von Rayski. Die Zeitgenossen – Rietschel kam 1804 in Pulsnitz auf die Welt und Rayski wurde 1806 in Pegau geboren – waren großartige Porträtisten. Herrscher und Künstler meißelte Ernst Rietschel in Stein oder goss sie in Bronze. Von Rayski malen ließ sich vorzugsweise der sächsische Adel. „Rietschels Skulpturen sind noch deutlich dem Klassizismus verbunden, auch wenn sein Lessing schon Alltagskleidung trägt“, sagt Skulpturenexpertin Astrid Nielsen. Holger Birkholz, Fachmann für die Gemälde, ergänzt: „Rayskis Malstil ist vergleichsweise früh realistisch. Während Epauletten und Kragen mit breitem Pinselstrich mitunter wie skizziert wirken, legte er sehr viel mehr Wert darauf, zu psychologisieren und den Charakter des Dargestellten zu erfassen – wie zum Beispiel beim Grafen von Einsiedel. Dass Rayski auch Humor hatte und ironisch zuspitzen konnte, sieht man sehr schön im Porträt des Friedrich von Boxberg als Jäger.“

Doch was hat dieser schwarze Muskelprotz hier verloren? In militärischer Heldenpose mischt er sich vor knallig gelbgrüner Narzissentapete unter Sachsens Adlige. Natürlich ist das kein Zeitgenosse von Rietschel und Rayski. Und noch weniger ist er ein Mann des 18. Jahrhunderts, auch wenn das Bild „General John Burgoyne“ heißt und der Porträtierte posiert, wie dieser britische Offizier und Schriftsteller, den man auch Gentleman Johnny nannte, es 1766 für den Maler Joshua Reynolds tat.

Der Mann auf dem Bild lebt in New York, ist US-Amerikaner und wahrscheinlich ein guter Bekannter des Künstlers Kehinde Wiley. Der wiederum ist Jahrgang 1977 und in den USA so berühmt, dass er in altmeisterlicher Manier das offizielle Präsidentenporträt von Barack Obama für die National Portrait Gallery malen durfte. Auch Elton John und Denzel Washington ließen sich von Wiley porträtieren. Bekannt geworden war Wiley mit seinen großformatigen Bildnissen, die Menschen afroamerikanischer Herkunft in altertümlichen Posen europäischer Herrscher, Militärs oder Adliger darstellen: hintergründige Schwarz-Weiß-Malerei, altmeisterlich im Stil, politisch in der Aussage.

Wiley sucht sich seine Modelle auf der Straße seines Wohnviertels in New York. Im Atelier zeigt er ihnen Gemälde Alter Meister. Sie dürfen sich das Vorbild aussuchen, nach dem Kehinde Wiley sie malt. Die Hintergründe, die Kleidung und die Accessoires wie beispielsweise das Schwert des modernen „Generals John Burgoyne“ sind Zutaten der Jetztzeit. Nur die Pose ist Geschichte. Doch sie passt ausgesprochen gut in die Reihe der sächsischen Adligen. Für ein Jahr konnte Holger Birkholz das Gemälde aus einer belgischen Privatsammlung ausleihen und kam über Instagram in Kontakt zum Dargestellten, der im wahren Leben Drehbuchautor ist. „Er findet es aufregend, dass das Bild in Dresden hängt und hat versprochen, das Albertinum zu besuchen“, erzählt Birkholz.

Albertinum Dresden, Eingänge am Georg-Treu-Platz und auf der Brühlschen Terrasse. Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.