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Hinter Gittern

Für den Sender DMAX entsteht eine Serie über Kriminelle. Dafür drehen die Filmemacher auch im Zittauer Gefängnis.

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© Matthias Weber

Von Jan Lange

Zittau. Reiner Laux steht vor der Zelle, gleich fällt die Tür hinter ihm ins Schloß. Nun ist der nett wirkende, junge Mann eingesperrt. Für mehrere Jahre ist der gut zwei mal drei Meter große Raum sein Zuhause. Aber nur im Film. Die Lebensgeschichte des früheren Bankräubers wird derzeit für ein neues TV-Format verfilmt. Und einige Szenen werden dafür auch im Zittauer Gefängnis gedreht.

Blick in das Zittauer Gefängnis.
Blick in das Zittauer Gefängnis. © Matthias Weber

In dem Gebäude an der Lessingstraße sind öfter Filmteams zu Gast: 2008 entstehen Szenen für die Hitler-Farce „Mein Kampf“ mit Götz George, 2011 dient es als Kulisse für den TV-Zweiteiler „Der Turm“ und 2013 ist sogar Hollywood zu Gast und dreht für „The Grand Budapest Hotel“. Zuletzt sind hier 2016 Szenen für „Radegund“ und „Werk ohne Autor“ entstanden.

Nun also nutzt eine Hamburger Filmfirma den seit Jahren leerstehenden Knast. Zwei Tage dreht sie verschiedene Szenen in den Zellen, Gefängnisfluren und Büros. Anders als bei den Hollywood-Drehs rücken die Hamburger nur mit einem kleinen Team an. Auf der Lessingstraße fließt der Verkehr ganz normal – keine Absperrungen aufgrund der Dreharbeiten, keine Kolonne an Produktionsfahrzeugen, die sich am Straßenrand entlangzieht. Fast schon geräuschlos für die Außenwelt geht im Gefängnis der Dreh über die Bühne.

Drinnen blasen die Filmleute Nebel in die kleine Zelle. Damit soll das Licht gebrochen und die Stimmung verändert werden, erklärt Produzent Ingo Blöcker.

Die Szenen, die in Zittau entstehen, sind Teil der neuen Doku-Drama-Serie „Poschs Criminalz“, die voraussichtlich ab August beim Privatsender DMAX ausgestrahlt wird. Der TV-Anwalt Christopher Posch trifft in der Reihe auf bekannte Kriminelle und spricht mit ihnen über ihre Geschichten. Die gut eine Dreiviertelstunde langen Doku-Dramen bestehen aber nicht nur aus den Gesprächen zwischen Posch und den Kriminellen. Entscheidende Momente und Wendepunkte im Leben der Hochstapler, Bankräuber, Zuhälter und Betrüger werden mit Schauspielern nachgestellt. So wie die Verhörszene von Siegfried Massat, einem langjährigen Einbrecher und Bankräuber. Das Büro in der ersten Etage des Zittauer Gefängnisses wird dafür kurzerhand zu einem Verhörraum im Ambiente der 1980er Jahre umfunktioniert.

Viel musste in den Gefängnisräumen nicht getan werden, lediglich ein paar Wände sind von den Filmleuten gestrichen worden. Produzent Blöcker ist sichtlich begeistert. „Es ist Wahnsinn, wie toll das Gefängnis erhalten ist“, schwärmt er und fügt hinzu: „Eigentlich müsste man viel öfter hier herunter kommen.“

Bundesweit habe er sich zahlreiche Gefängnisse angesehen, sagt Blöcker. Doch nirgends bekam die Produktionsfirma eine Drehgenehmigung. Außer in Zittau. Und so entstehen die Szenen nun im tiefsten Osten der Republik. Obwohl die Geschichten nichts mit der Gegend zu tun haben. Siegfried Massat beispielsweise überfiel vor allem im Ruhrgebiet Hunderte Villen, Juweliere und Banken.

Auch Reiner Laux ist Bankräuber, bis 1995 raubt er 13 Banken in Städten wie Hamburg, München und Köln aus. Er galt als nettester Bankräuber Deutschlands. Denn er blieb bei seinen Überfällen, bei denen er eine „Zorro“-Maske trug, immer höflich. Die Raubzüge waren kurz und schmerzlos. Und es gab nie Verletzte. Wegen eines Verrats seiner damaligen Freundin wurde er in Portugal geschnappt und saß acht Jahre in Haft.

Christopher Posch taucht mit ihm für die TV-Reihe tief in die Rituale und Praktiken vor den Banküberfällen ein, um die Welt von Reiner Laux zu durchleuchten. Laux ist inzwischen wahrscheinlich über 60, um sein wahres Alter hat er immer ein Geheimnis gemacht.

Ausgesucht wurden für die fünf Serienteile Kriminelle, die auch nette Seiten haben. „Es geht auch darum, dem Zuschauer zu zeigen, dass die Verbrecher auch Menschen sind“, erklärt Ingo Blöcker. Sexualstraftäter seien keine dabei, da es schwer sei, bei ihnen eine positive Seite zu zeigen, meint der TV-Produzent. Die dargestellten Kriminellen werden aber keinesfalls glorifiziert, versichert Blöcker.

In den Spielszenen schlüpft Davide Bazzani in die Rolle des jungen Reiner Laux. In der TV- und Kinobranche ist Bazzani eher ein Neuling. Die Szenen vor der Kamera absolviert er dennoch wie ein „alter Hase“. Zumindest gibt es kaum Wiederholungen. Der Großteil der Einstellungen ist beim ersten Mal „im Kasten“. Viel Zeit, die Szenen mehrfach zu drehen, bleibt dem Filmteam nicht. Zwei Tage sind insgesamt nur eingeplant, dann geht es zurück nach Hamburg, wo die Produktion fortgesetzt wird.