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Hilfe für die Helfer

Eine Freiwilligenagentur in Neugersdorf will jetzt die unterstützen, die sich engagieren. Das bietet auch Chancen für viele „Unruheständler“.

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© Matthias Weber

Von Romy Altmann-Kühr

Sarah Rudo hat einen sonnigen Arbeitsplatz. Die warmen Strahlen der Herbstsonne bahnen sich ihren Weg durch die großen Glasscheiben des alten Feuerwehrdepots auf dem ehemaligen Neugersdorfer Lautexgelände. Hier ist der Sitz des Vereins Lebens(t)räume und hier leitet Sarah Rudo seit Kurzem die Freiwilligenagentur. Das Beste an ihrer neuen Stelle aber ist, dass sie Menschen unterstützen kann, die sich engagieren wollen. Denn das ist die Idee hinter der Freiwilligenagentur. Denn auch oder gerade Helfer brauchen Unterstützung, zum Beispiel bei Anträgen für Fördermittel oder anderen Formalitäten. Wer sich engagieren möchte und dabei nur auf Hürden stößt, verliert schnell auch die Lust. Damit das nicht passiert, soll in der Freiwilligenagentur sozusagen Helfern geholfen werden. Ausgedacht hat sich das der Landkreis. Fünf Bereiche – sogenannte Planungsräume – gibt es im Kreis. Frau Rudo ist für den Bereich Löbau zuständig. „Ihr“ Gebiet umfasst Löbau, das Umland der Stadt und das Oberland. Außerdem gibt es vier weitere Bereiche: Zittau und Umland, Görlitz, Niesky und Umland sowie das Gebiet um Weißwasser.

Als Träger hat der Landkreis für den Löbauer Bereich den Lebens(t)räume-Verein gefunden. „Der Verein hat schon viel in dieser Richtung gemacht“, weiß Frau Rudo. Die Neugersdorfer Bienenweide ist das bekannteste Beispiel, wo der Verein Freiwillige zusammenbringt und mit ehrenamtlicher Arbeit viel geschafft hat. Er hat Sarah Rudo nun für den Aufbau der Freiwilligenagentur beschäftigt. Ihre Aufgabe wird es zunächst sein, die Anlaufstelle bekannt zu machen. Sowohl bei Vereinen und Initiativen, als auch bei Menschen, die sich engagieren wollen. Für beide ist sie Ansprechpartnerin – und vermittelt auch. Klar, wer sich einbringen will, kann einfach in einen Verein am Ort gehen und dort mitmachen, sagt Frau Rudo. Mancher möchte aber nicht gleich einem Verein beitreten und sucht dennoch eine sinnvolle Aufgabe. Sie denkt dabei zum Beispiel an die vielen „Unruheständler“, die das Arbeitsleben abgeschlossen haben, aber wieder einer Tätigkeit nachgehen wollen. Oft gebe es aber auch ehrenamtliche Tätigkeiten, von denen niemand weiß. Die Oberlausitzer Tafel suche zum Beispiel immer wieder Fahrer, sagt Frau Rudo.

Sie sammelt auf der einen Seite den Bedarf von Vereinen und Initiativen. Auf der anderen Seite können Menschen, die ehrenamtlich etwas tun wollen, sich an sie wenden. Sie nimmt auf, was die Freiwilligen gern tun wollen, was sie können, wo ihre Stärken liegen. So will die studierte Sozialpädagogin Engagierte und Hilfesuchende zusammenbringen. Hilfe und Beratung gibt es zum Beispiel auch bei Formalitäten, die zum Beispiel für eine Vereinsgründung nötig sind.

Was Vereine und Ehrenamt leisten können, weiß die junge Frau aus eigener Erfahrung. „Ich stamme aus einem ganz kleinen Dorf am Rande des Schwarzwaldes“, erzählt sie. „Da gab es einen Handballverein, der bestimmte das ganze Dorfleben.“ Da wurde nicht nur Sport getrieben, sondern alle mit einbezogen: zum Organisieren, zum Kuchen backen für das Vereinsfest. So etwas tue sehr viel für die Gemeinschaft. „Das hat mich sehr geprägt, deshalb brenne ich für die Freiwilligenagentur.“ Und deshalb müsste es auch mehr Unterstützung für Freiwillige geben, findet Frau Rudo. Auch dabei will sie helfen. So gebe es zum Beispiel Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung, wenn man sich regelmäßig ehrenamtlich engagiert. Über das Programm „Wir für Sachsen“ beispielsweise könne man eine Aufwandsentschädigung bekommen. Die Antragsfrist für den Planungszeitraum 2019 läuft aber nur noch bis Ende Oktober.

Die Agentur soll auch Praktikanten vermitteln. „Es soll möglich sein, Schülerpraktika künftig nicht nur in Unternehmen, sondern auch in gemeinnützigen Vereinen absolvieren zu können“, erklärt Frau Rudo. Sie möchte aber auch Ansprechpartner für Kommunen sein und Tipps geben, wie auch Städte und Gemeinden Ehrenamtliche unterstützen können. Denn oft scheitern ganz einfache Dinge an der Bürokratie.

Das erste konkrete Vorhaben für Sarah Rudo soll nun aber den Freiwilligen selbst zugute kommen: Sie organisiert den Engagementpreis mit. Noch bis 31. Oktober können Ehrenamtliche, die sich besonders engagieren, sich oder andere dafür vorschlagen. Die Vorschläge können in der Freiwilligenagentur eingereicht werden. Eine Jury wählt die Gewinner aus. Sie werden dann in einer Auszeichnungsveranstaltung am 5. Dezember – das ist der Tag des Ehrenamts – im Kultur- und Bildungszentrum „Am Wasserturm“ in Neugersdorf gekürt. Zu der Jury gehören ein Vertreter des Landkreises, Ebersbach-Neugersdorfs Bürgermeisterin Verena Hergenröder (parteilos) und Frau Rudo selbst. Wie die Vorschläge bewertet und nach welchen Kriterien Gewinner ausgesucht werden, darüber werden die Initiatoren noch beraten.

An den Oberlausitzern und ihrem Engagement jedenfalls hat die gebürtige Baden-Württembergerin Gefallen gefunden. Die 33-Jährige kam zum Studium der Sozialen Arbeit in die Oberlausitz. Dieser Studiengang wird an der Hochschule Zittau/Görlitz gelehrt. Mittlerweile lebt die junge Frau seit 13 Jahren in Zittau und hat bisher nach dem Abschluss ihres Studiums als Sozialpädagogin hauptsächlich bei Bildungsträgern mit Arbeitslosen gearbeitet. In der Oberlausitz will sie auch bleiben. „Ich bin inzwischen hier fest verwurzelt“, sagt sie. Denn in der Region hat sie auch ihr privates Glück gefunden.

Freiwilligenagentur im Kultur- und Bildungszentrum Neugersdorf, Sprechzeiten Montag und Donnerstag 8 bis 16 Uhr oder mobil nach Vereinbarung; Kontakt: [email protected]