Merken

Hier sind die Ruhestörer

Seit Freitag steigt in Rumburk ein Festival. Der Lärm ist weithin zu hören. Den Einwohnern reicht‘s. Eine Bürgermeisterin will die tschechischen Behörden einschalten.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Romy Kühr

Von Oderwitz bis Neugersdorf liegen die Nerven der Einwohner blank. An der Umgehungsstraße S 148 am ehemaligen Zollabfertigungsplatz im tschechischen Rumburk, nur wenige Meter hinter der Grenze, findet seit Freitag das Techno-Festival „Space Piknik“ statt. Das Gewummer der elektronischen Musik raubt seitdem den Anwohnern der deutschen Orte den letzten Nerv. Die Musik läuft ohne Unterbrechung rund um die Uhr in ohrenbetäubender Lautstärke. „Man kann nachts nicht mehr das Fenster öffnen“, sagt ein Neugersdorfer entnervt am SZ-Telefon.

Nicht nur die direkten Nachbarn sind betroffen. Auch in Eibau, Ebersbach, Seifhennersdorf und weiteren umliegenden Orten kommen die Anwohner in den „Genuss“ der Musik. Sogar in Oderwitz und Großschönau sind die Bässe noch zu hören, berichten Einwohner. Die Techno-Party ist dieser Tage der Aufreger im Oberland. Die Telefone stehen nicht mehr still: bei der Polizei, in den Gemeindeverwaltungen, bei der SZ. Aber jeder kann die erbosten Anrufer nur vertrösten. Die Party findet in Tschechien statt – und da sind auch nur die tschechischen Behörden zuständig. Das tschechische Radio spricht von mehr als hundert Anzeigen auf deutscher Seite.

Diese Zahl kann Thomas Knaup, Sprecher der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien nicht bestätigen. Wohl aber, dass sehr viele Beschwerden eingingen. Teilweise wurden sie über den Notruf übermittelt, obwohl das nicht als Notfall zu werten ist. Aber die Leute seien teilweise so verzweifelt gewesen, dass sie nicht wussten, wo sie sich hinwenden können. Prinzipiell ist die Polizei Ansprechpartner, wenn es Ruhestörungen gibt und die örtliche Behörde – zum Beispiel am Wochenende – nicht greifbar ist. Aber eben nicht bei einer Veranstaltung auf tschechischem Hoheitsgebiet – Grenznähe hin oder her, sagt Polizeisprecher Knaup.

Obwohl sie nicht zuständig ist, nimmt die deutsche Polizei die Beschwerden ernst. „Wir haben dazu Kontakt aufgenommen mit den tschechischen Kollegen.“ Von dort habe man zur Antwort bekommen, das sei eine genehmigte Veranstaltung, und zwar nach tschechischem Recht. „Und das ist mit dem deutschen nicht zu vergleichen, zum Beispiel auch, was den Lärmschutz betrifft“, weiß Knaup. Trotzdem will die deutsche Polizei das im Nachhinein mit den zuständigen tschechischen Behörden auswerten.

Kritisiert wird von Oberländern auch, dass niemand vorher etwas von dem Festival wusste. Die Informationslage dazu ist dürftig. Die benachbarten Gemeinden Rumburks sind nicht offiziell informiert worden. Gabriele Marschner vom Leutersdorfer Gemeindeamt bestätigt: „Nein, wir wussten nichts davon.“ Auch hier gingen viele empörte Anrufe bei der Gemeinde ein. Das Musikfest ist Ortsgespräch, ebenso wie in Ebersbach-Neugersdorf. Der Frust geht nun nach mehreren Tagen sogar so weit, dass Verwaltungsmitarbeiter am Telefon beschimpft wurden.

„Wir nehmen jeden Hinweis gern auf und kümmern uns darum. Aber das darf nicht sein“, sagt Verena Hergenröder ganz klar. Es ging sogar das Gerücht um, Bürgermeister hätten zu der Veranstaltung ihre Zustimmung gegeben. „Das ist nicht richtig“, sagt Verena Hergenröder. „Wir sind nicht dazu befragt und auch nicht vorher informiert worden.“ Die Bürgermeisterin hat sich selbst Infos eingeholt.

Aus dem Rathaus im tschechischen Jirikov erhielt sie auf Nachfrage die Auskunft, dass man auch nichts Genaues wisse. Bekannt sei dort, dass das Festival bis Mittwoch dauern soll und die Besucher wohl bis zum Wochenende vor Ort bleiben werden. Das berichtet auch das Internetnetzwerk Facebook und außerdem, dass es sich um ein internationales Festival handelt.

Internationalität hin oder her – die Deutschen sind mächtig genervt, dass die tschechischen Nachbarn nach ihren Vorschriften Veranstaltungen erlauben, ohne Rücksicht auf ihre Nachbarn hinter der Grenze. Ein Seifhennersdorfer findet klare Worte: „Die Kommunalpolitiker fallen sich immer nur um den Hals zu ihren Treffen. Aber auch sowas müsste mal angesprochen werden. So geht es nicht.“

Das sieht auch Ebersbach-Neugersdorfs Bürgermeisterin Verena Hergenröder so. „In Bezug auf die aktuelle Veranstaltung können wir nun nichts mehr unternehmen.“ Aber für die Zukunft sagt sie: „Wir müssen mit den tschechischen Behörden klären, wie solche Großveranstaltungen künftig gehandhabt werden können.“ Auf jeden Fall müsse mehr informiert und kommuniziert werden – auf dem kurzen Dienstweg. Das, was hier dieser Tage ablaufe, widerspreche allen positiven Ansätzen, die man in Bezug auf die EU geschaffen habe. „Es ist eine Zumutung für unsere Einwohner.“ Unterstützung für ihre Gespräche mit den tschechischen Kollegen und Behörden sucht sie nun auch bei anderen Bürgermeistern und dem Landrat.