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Hier baut Sachsens größte Baugemeinschaft

Der Trend hält in der Landeshauptstadt an. Daran ist auch die Stadt Dresden beteiligt. Das hat allerdings Grenzen.

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© Marion Doering

Von Nora Domschke

Vor mehr als einem Jahr hatten sie ihr Ziel klar vor Augen: Weihnachten 2018 im neuen Heim. Und tatsächlich sieht es so aus, dass zumindest ein Teil der 27 Familien die Bescherung in ihrem neuen Zuhause an der Friedrichstraße feiern kann. Hier ist seit letztem Jahr Sachsens größte Baugemeinschaft (BG) mit insgesamt 50 Mitstreitern am Werk. Im Hinterhof entstehen zwei einzeln stehende Neubauten, vorn an der Friedrichstraße schließt ein Neubau die Lücke an der Straßenfront. Der sich westlich anschließende Altbau wird derzeit saniert, in allen Häusern wird Elektrik verlegt, Fußböden werden eingebaut.

Wenn die Familien eingezogen sind, wird der große Innenhof zum Spielplatz für fast 40 Kinder. Und es sollen noch mehr dazukommen. Die Familienplanung spielt auch bei der Gestaltung der Wohnungen eine Rolle. „Hier baut jeder nach seinen eigenen Wünschen“, sagen Martin Gerlach und Jens Kulzinski. Beide sind von Anfang an Mitglieder der Baugemeinschaft. Von einem Friedrichstädter Verein hatten sie Anfang 2015 einen Tipp bekommen und Kontakt zum damaligen Eigentümer gesucht, der das Grundstück verkaufen wollte. „Mit den ersten Planungen – das waren damals nur die Kubaturen der Neubauten – haben wir dann Mitstreiter gesucht. Auf Messen, mit Flyern, Aushängen, auf Internetportalen“, erzählt Jens Kulzinski.

Der 44-Jährige ist Geschäftsführer der Deutsche Werkstätten D&B GmbH und verwirklicht in der Dresdner Friedrichstadt seinen Wohntraum. Preiswerter baue er nicht, aber dafür individuell. Im Schnitt sparen Baugemeinschaften rund 20 Prozent der Kosten. Die künftigen Friedrichstädter investieren das Ersparte und zahlen in etwa soviel, wie bei einem fertigen Bauprojekt: rund 3 500 Euro pro Quadratmeter. „Für das Geld würde ich woanders nur Standard bekommen. Hier kann ich meinen Grundriss und die Ausstattung selbst bestimmen.“ So haben etwa alle Gebäude einen Aufzug. Schließlich denke jeder Bewohner auch an das Älterwerden. „Das ist ein Projekt fürs Leben.“ 25 der 27 Wohnungen werden von den Eigentümern genutzt, auch ein Rollstuhlfahrer ist darunter.

Wie Jens Kulzinski wird Martin Gerlach in einem der beiden Innenhofhäuser wohnen. Er war 2016 dabei, als sich die 120 Interessenten vorstellten, die Teil der Baugemeinschaft sein wollten. Zunächst mit einer schriftlichen Beschreibung der eigenen Wünsche, später auch im Gespräch. Anschließend wurden die Auserwählten mit ihren individuellen Wohnungen „wie bei einem Tetrisspiel“ in die Gebäude verteilt, der Kauf ging über die Bühne. Nun hoffen alle, dass die Gemeinschaft auch wirklich gut funktioniert. Das sei ein wichtiges Thema bei den Vorstellungsrunden gewesen, sagt Martin Gerlach. Der 33-Jährige erklärt, dass es durchaus auch darum gehe, gemeinsam Zeit zu verbringen, beim Grillen, Glühweintrinken, auf dem Spielplatz. „Das sollte schon passen.“ Natürlich könne man dazu aber niemanden zwingen.

Der Trend Baugemeinschaft hält an. Ob das eher an den Finanzen, oder eben doch am gemeinschaftlichen Wohnen liegt, lässt sich nicht pauschal klären. In Dresden sind Baugemeinschaften nach wie vor gefragt. Deshalb hatte der Stadtrat vor fünf Jahren beschlossen, dass die Stadt jährlich zwei bis fünf ihrer Grundstücke für Baugemeinschaften zur Verfügung stellen soll. Seit dem Beschluss wurden acht Grundstücke für diesen Zweck ausgeschrieben, teilt das Amt für Hochbau und Immobilien auf SZ-Anfrage mit. Das seien zehn bis 24 Prozent der in den Jahren 2015 bis 2017 insgesamt ausgeschriebenen Grundstücke. Zwischen zwei bis acht Angebote gab es für jedes der Projekte. Für ein Grundstück in der Dorothea-Erxleben-Straße in Trachau waren es sogar 16 Gemeinschaften, die sich bewarben. Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) betont, wie wichtig ihm das Thema Baugemeinschaften sei, denn es erlaube den Dresdnern, Eigentum zu schaffen, ihr Vorhaben von Anfang an mitzuentwickeln und damit Kosten zu sparen. Zudem sei das Modell nachhaltig, auch für die Stadtentwicklung.

„Ich setze mich daher immer dafür ein, dass wir geeignete Grundstücke für Bauherrengemeinschaften ausschreiben“, versichert Schmidt-Lamontain. Den Zuschlag erhalte allerdings das beste Konzept, nicht das Höchstgebot. Er räumt jedoch ein, dass die Zahl der bebaubaren städtischen Grundstücke begrenzt ist. „In naher Zukunft können kommunale Grundstücke für größere Bauvorhaben von Baugemeinschaften nur in diesem Rahmen angeboten werden“, heißt es auch aus dem Hochbauamt. Derzeit vergibt die Stadt zwei Baugrundstücke im ehemaligen Kasernengelände in Nickern.