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Herz außer Takt

Rhythmusstörungen hat fast jeder, die unter Umständen völlig harmlos sind. Wie gefährlich ist Vorhofflimmern?

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© Andreas Weihs

Von Anja Ehrhartsmann

Dippoldiswalde/ Freital. Manche bemerken es kaum. Andere spüren es dagegen deutlich, als Herzstolpern, Herzrasen oder Atemnot. Vorhofflimmern ist eine tückische Krankheit. Es handelt sich dabei um eine ernstzunehmende Herzrhythmusstörung, die unbemerkt und unbehandelt lebensbedrohlich für Herz und Gehirn werden kann. Welche Behandlungsmethoden es gibt und was jeder vorbeugend tun kann, erklärt Dr. Markus Schütz, Chefarzt der Medizinischen Klinik Dippoldiswalde, im SZ-Gespräch.

Beim Vorhofflimmern zuckt jede Muskelfaser im Vorhof, wann sie will (hier im Bild dargestellt als rotierende Pfeile). Diese chaotischen Aktionen werden auf die Kammer übertragen. Dadurch entsteht der unregelmäßige Puls.
Beim Vorhofflimmern zuckt jede Muskelfaser im Vorhof, wann sie will (hier im Bild dargestellt als rotierende Pfeile). Diese chaotischen Aktionen werden auf die Kammer übertragen. Dadurch entsteht der unregelmäßige Puls. © Deutsche Herzstiftung

Herr Schütz, wie viele Dippser und Freitaler leiden an Vorhofflimmern?

Herzrhythmusstörungen kommen bei fast jedem Menschen vor. Wir alle haben mal extra Schläge und merken das als Stolpern. Unter Umständen ist das völlig harmlos. Manche haben das aber auch, weil sie an einer ernsthaften Herzerkrankung leiden. Bei bestimmten Warnsymptomen wie plötzlicher Bewusstlosigkeit, einem Engegefühl in der Brust oder Luftnot muss man den Rhythmusstörungen auf den Grund gehen. Oftmals haben Menschen im höheren Alter Herzrhythmusstörungen als Ausdruck einer Herzerkrankung – am häufigsten äußert sich das als Vorhofflimmern. Bei über 60-Jährigen sind ein bis zwei Prozent betroffen, bei über 70-Jährigen fünf bis sechs Prozent, bei über 80-Jährigen um die 15 Prozent.

Was passiert beim Vorhofflimmern?

Das gesunde Herz wird im regelmäßigen Rhythmus durch den sogenannten Sinusknoten im Takt gehalten. Dabei schlagen die Herzvorhöfe und die Herzkammern gleichmäßig mit einem Puls von 60 bis 80 Schlägen pro Minute. Beim Vorhofflimmern ist der Sinusknoten funktionslos. Jede Muskelfaser im Vorhof zuckt, wann sie will. Diese chaotischen Aktionen werden auf die Kammer übergeleitet. Dadurch entsteht der unregelmäßige Puls. Da ältere Menschen eher zu einem normal schnellen oder langsamen Puls neigen, merken sie das Vorhofflimmern unter Umständen aber gar nicht.

Wie wird Vorhofflimmern festgestellt?

Bei über 60-Jährigen sind die Allgemeinmediziner dazu angehalten, regelmäßig Blutdruck zu messen und den Puls zu fühlen. Dabei lassen sich Unregelmäßigkeiten feststellen. Werden diese erkannt, lässt der Hausarzt in der Regel ein EKG schreiben. Dann wird der Patient zum Kardiologen überwiesen, der die Behandlung festlegt.

Wann kann passieren, wenn Vorhofflimmern nicht behandelt wird?

Wenn der Vorhof unregelmäßig schlägt, fließt das Blut in diesem Bereich langsamer. Es besteht die Gefahr, dass sich dadurch Blutgerinnsel bilden, die dann in den Kopf gepumpt werden. Dann kann es zum Schlaganfall kommen. Und das sind die besonders schwerwiegenden Schlaganfälle.

Wie sieht die Behandlung aus?

Das Wichtigste ist die Blutverdünnung. Hauptsächlich werden dazu Medikamente verschrieben, mit denen wir schon 70 Jahre Erfahrung haben. Die Behandlung ist relativ mühsam, weil die Dosis für jeden Patienten individuell festgelegt werden muss. Die Blutwerte müssen oft gemessen und fein nachjustiert werden. Denn ist das Blut nicht genügend verdünnt, besteht das Schlaganfallrisiko weiter.

Ist das Blut zu sehr verdünnt, kann es zu spontanen Blutungen, im schlimmsten Fall zu einer Hirnblutung kommen. Außerdem haben diese Medikamente viele Wechselwirkungen, etwa mit Schmerzmitteln. Auch Nahrungsmittel mit viel Vitamin K, wie Brokkoli, Spinat oder Rosenkohl, können schon dazu führen, dass die Dosis nicht mehr passt.

Zusätzlich zur Blutverdünnung gibt es außerdem zwei Behandlungsstrategien: nämlich das Vorhofflimmern wegzumachen und das Herz wieder in seinen normalen Rhythmus zu bringen. Oder, das Flimmern zu lassen und dafür zu sorgen, dass der Puls nicht zu schnell oder langsam ist.

Wie wird entschieden, wann welche Behandlungsstrategie angewendet wird?

Das hängt von den Begleiterkrankungen ab, die der Patient hat, und von seinen Beschwerden. Will man den Herzrhythmus stabilisieren, sind Medikamente die einfachste Option. So kann man häufig eine Verbesserung erreichen. Heilen kann man das Vorhofflimmern damit in der Regel nicht. Eine wirksamere Rhythmuskontrolle lässt sich durch eine Isolation der Lungenvenen erreichen. Dabei wird mithilfe eines Katheters Gewebe im Herzvorhof verödet und die Häufigkeit von Vorhofflimmern oft für Jahre drastisch reduziert. Bei den Patienten ohne Beschwerden verschreibt der Arzt Medikamente, die dafür sorgen, dass der Puls nicht zu schnell oder zu langsam ist. Sollte der Puls aber deutlich zu langsam sein, brauchen die Patienten einen Schrittmacher.

Was kann jeder vorbeugend tun?

Gesund leben. Das heißt, nicht rauchen, kein Übergewicht, ausreichend Bewegung, aber kein Leistungssport. Wer schon eine Erkrankung wie Bluthochdruck hat, sollte diese gut einstellen lassen, denn so können Folgekrankheiten vermieden werden. Mit Vorhofflimmern kann man gut und gerne 100 Jahre alt werden.

Aber es gibt noch eine Vielzahl anderer Rhythmusstörungen, etwa die mit Ursprung in der Herzkammer. Diese können potenziell gefährlicher sein und bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit. Häufig treten diese nach einem Herzinfarkt auf. Dieser hinterlässt eine Narbe, in deren Randbereich die schwerwiegenden Rhythmusstörungen entstehen können. Herzinfarkt-Patienten mit schlechter Pumpleistung, bekommen deshalb oft vorsorglich einen Defibrillator eingesetzt. Daneben gibt es noch viele weitere Störungen, die im EKG festgestellt werden können. Die gute Nachricht ist, die Medizin bietet heute ein breites Instrumentarium an Behandlungsmöglichkeiten. Wichtig ist eine korrekte Diagnose.

„Herz außer Takt – Vorhofflimmern und Gerinnungshemmung“ ist Thema der deutschlandweiten Herzwochen, an denen sich die Helios Weißeritztal-Kliniken beteiligen.

Am 14. November findet dazu in der Klinik Dippoldiswalde ein Vortrag mit Dr. Markus Schütz statt und am 28. November im Klinikum Freital mit Oberarzt Stephan Große.