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Herr Scharschuh hört auf

Nach 20 Jahren gibt Frank Scharschuh seinen Rewe-Markt ab. Viele kennen ihn noch aus DDR-Zeiten im Delikatladen.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Der weiße Kittel muss sein. Für Frank Scharschuh ist er zur zweiten Haut geworden. Obwohl das Relikt aus alten Zeiten eigentlich schon eine ganze Weile nicht mehr zum offiziellen Rewe-Outfit gehört. „Darin fühle ich mich am wohlsten“, sagt er. Und darin kennen ihn seine Kunden.

Das mit dem Kennen ist für den Kaufmann sowieso besonders wichtig. Denn obwohl sein Markt zum Konzernriesen Rewe gehört, wollte Scharschuh nie einen anonymen Einkaufsmarkt haben, der wie jeder andere ist. Seinem Laden ganz im Osten von Radebeul an der Stadtgrenze zu Dresden hat er immer eine persönliche Note aufgedrückt. Deshalb sagen die meisten eben auch nicht, dass sie bei Rewe einkaufen gehen, sondern bei Scharschuh.

An diesem Wochenende feiert der Markt an der Meißner Straße 20-jähriges Jubiläum. Für Frank Scharschuh beginnen danach die letzten Wochen als Chef. Zum Jahresende gibt er sein Geschäft ab. „Man wird ja auch nicht jünger“, sagt er. Jahrelang war er morgens der Erste, der aufschloss und abends der Letzte, der nach Hause ging. Jetzt wünscht er sich ein bisschen mehr Ruhe und Zeit für die Familie.

Zum Verkäufer wurde der heute 62-Jährige schon in ganz jungen Jahren. Weil seine Mutter im Handelsbereich tätig war, bekam Sohn Frank mit zehn Jahren einen eigenen Eisstand. Damit stand er bei allen möglichen Feierlichkeiten in der Region, zum Beispiel in Moritzburg und beim Pressefest der Sächsischen Zeitung.

Eine klassische Ausbildung im Einzelhandel hat er hingegen nie abgeschlossen. Als Diplomingenieur arbeitete Scharschuh in den 80er-Jahren im Maschinenbau. Dann kam das Angebot, den Delikatladen in Radebeul zu übernehmen und Scharschuh schlug zu. Fortan verkaufte er Lebensmittelimporte und begehrte DDR-Exportware in einer Asbestbaracke gegenüber von den Landesbühnen. Heute ist an der Stelle, wo der Laden stand, ein Parkplatz. Nach der Wende wurde der Delikat in einen Spar-Supermarkt umgewandelt. Eine ganz schöne Umstellung. „Im Delikat hatten wir nur hinter der Bedientheke verkauft“, erzählt Scharschuh. „Dann kam plötzlich die Information, dass in drei Tagen eine ganze Palette Persil auf dem Hof steht und du musstest das organisieren.“ Das Geschäft wurde auf Selbstbedienung umgerüstet.

Wenn es darum geht, soziale Projekte zu unterstützen, ist Scharschuh zur Stelle. Gerade wieder als Sponsor bei der Radebeuler Weihnachtslotterie. Durch sein Engagement ist er in der Stadt bekannt geworden. „Ich bin so eine Art Z-Promi“, scherzt er.

Dabei hatte es der Händler auch selbst in seinem Rewe, der 1998 eröffnete, nicht immer leicht. Die Lage zwischen zwei Städten war anfangs ungünstig fürs Geschäft. „Ich war weder Fisch noch Fleisch“, sagt der Marktleiter. Doch mit seinem Mut für neue Ideen konnte er die Kunden nach und nach anlocken. Er war der Erste in der Umgebung, der Bioprodukte ins Sortiment nahm. „Als der erste Kunde nach Quinoa gefragt hat, musste ich erst mal nachgucken, was das ist“, erzählt er. Die gesunden Samen wurden gleich bestellt. Das war dem Chef immer wichtig: Mit den Kunden reden und nicht einfach sagen „Haben wir nicht.“

Als das Elbe-Hochwasser kam, versorgte der Marktleiter die Fluthelfer mit Bratwürsten. Fast rund um die Uhr hatte er damals geöffnet, selbst am Sonntag wurde Kaffee im Rewe ausgeschenkt. Viele die damals aus der Not heraus kamen, sind treue Kunden geworden.

Sogar Kabarett hat Scharschuh in seinem Geschäft veranstaltet. Die Zuschauer saßen auf Klappstühlen zwischen dem Obst und Gemüse und im Markt war ein Buffet aufgebaut. Die Veranstaltungen mussten wegfallen, als die Öffnungszeiten bis 22 Uhr ausgedehnt wurden. Außerdem ist der Einkaufsmarkt für die Kunst bekannt, die dort über den Regalen hängt. Sechsmal im Jahr wechseln die Ausstellungen, bei denen lokale Künstler ihre Werke präsentieren. Seit Kurzem sind Fotografien von Roland Kunze zu sehen, die lustige Ortseingangsschilder zeigen.

„Du musst dich unterscheiden, wenn du punkten willst“, sagt Scharschuh. „Das hat mich am Leben erhalten bei den vielen Wettbewerbern in der Umgebung.“ Der Abschied wird ihm freilich nicht leicht fallen. „Aber ich kann loslassen und habe Vertrauen, dass es gut weiter läuft“, sagt er. Den Markt übernimmt Björn Keyser, der bereits den Rewe im Löma-Center führt.