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„Herr Kretschmer hat keine Kenntnis von der Region“

In Zeithain gibt es eine neue Initiative zum Hochwasserschutz. Die SZ sprach mit dem Vorsitzenden Rainer Moritz und Stellvertreter Dieter Wamser.

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© Lutz Weidler/Archiv

Zeithain. Neue Bürgerinitiative. Neuer Vorstand. Neue Satzung. Nach der Spaltung der Zeithainer Bürgerinitiative „Lebenswerte Elbaue“ Anfang des Jahres traf sich jetzt die neue Initiative „Zukunft mit der Elbe“ zu ihrer ersten Mitgliederversammlung in Röderau. Auch wenn das Landesamt für Straßenbau und Verkehr dabei die aktuellen Pläne für den Umbau von S 88 und B 169 vorstellte, fand die Veranstaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Im Nachhinein sprach die SZ nun mit dem neu gewählten Vorsitzenden der Bürgerinitiative, Rainer Moritz, aus Kreinitz und seinem Stellvertreter, dem BIG-Gemeinderat Dieter Wamser aus Bobersen. Beide waren zuvor schon aktive Vorstände in der BI „Lebenswerte Elbaue“.

Dieter Wamser (BIG) aus Bobersen ist stellvertretender BI-Vorsitzender und stellvertretender Bürgermeister von Zeithain.
Dieter Wamser (BIG) aus Bobersen ist stellvertretender BI-Vorsitzender und stellvertretender Bürgermeister von Zeithain. © SZ-Archiv Schröter
Rainer Moritz wurde im Juli zum Vorsitzenden der Bürgerinitiative „Zukunft mit der Elbe“ gewählt. Der Rentner lebt in Kreinitz.
Rainer Moritz wurde im Juli zum Vorsitzenden der Bürgerinitiative „Zukunft mit der Elbe“ gewählt. Der Rentner lebt in Kreinitz. © privat

Herr Moritz, Herr Wamser, Sie haben in den vergangenen Monaten um Mitglieder für die neue Bürgerinitiative „Zukunft mit der Elbe“ geworben. Wie viele haben sich Ihnen angeschlossen?

Moritz: Aktuell sind es 305 aus allen Zeithainer Ortsteilen.

Wamser: 500 wollen wir erreichen. Wir werben aber niemanden ab. Wir glauben, unsere Bürger erkennen allein, welche Wege erfolgversprechend sind und welche nicht – obwohl es natürlich schizophren ist, dass es in einer Gemeinde zwei BI’s mit quasi den gleichen Zielen gibt.

Was sind die Ziele Ihrer Initiative?

Moritz: Unser aktuellstes Ziel ist es, diesen „Staudamm“ vor Kreinitz zu beseitigen und den ersten Bauabschnitt der Vorzugsvariante der S 88 an den Start zu bringen.

Wegen dieser Vorzugsvariante hat sich die Initiative letztlich entzweit. Die verbliebenen Mitglieder der BI „Lebenswerte Elbaue“ favorisieren einen Verlauf der S 88 durch das Naturschutzgebiet der Elbniederterrassen, um den alten Elbarm wieder freizumachen.

Wamser: Der Wunsch, Bedingungen wie 1890 wiederherzustellen, ist Illusion. Wir sagen nicht, dass die Variante durch das Naturschutzgebiet nicht auch möglich wäre. Aber was nutzt es uns, wenn diese Variante durch kein zuständiges Amt als realisierbar angesehen wird und dann erst in 30 Jahren gebaut wird. Das eigentliche Problem, was alles überdeckt, ist die zugewachsene Elbe. Die hat einfach nicht mehr so viel Platz wie vor hundert Jahren. Der wilde Bewuchs und die Auflandungen müssen wieder raus – dann stellt sich die Situation für Nünchritz, Röderau und Gohlis bis Kreinitz ganz anders dar. Und wenn man dann noch den alten Elbarm zwischen Gohlis und Kreinitz von allen Fließhindernissen befreit, die S 88 – wie es die Vorzugsvariante vorsieht – verändert, dann sind wir schon einen ganzen Schritt weiter.

Die Elbvorlandpflege hat sich die Bürgerinitiative Hochwasser 2013 Nünchritz auf die Fahnen geschrieben.

Wamser: Das ist nicht ganz richtig. Es gibt bekannterweise im Gebiet Nünchritz bis Kreinitz drei Bürgerinitiativen, die sich dem Hochwasserschutz verschrieben haben. Wir arbeiten eng zusammen und haben Arbeitsteilung verabredet. Die Nünchritzer kümmern sich vorrangig um die Elbvorlandberäumung, wir um die S 88 – deren zeitgemäße Korrektur ist wichtig.

Ähnlich haben Sie auch beim Sachsengespräch in Riesa mit Ministerpräsident Kretschmer argumentiert.

Moritz: Herr Kretschmer hat leider keine Detailkenntnis von unserer Region. Die Pläne für den ländlichen Raum sind schön und gut, aber man muss sich doch auch um die existenziellen Sorgen der Menschen hier kümmern. Hier muss endlich etwas Praktisches passieren, auch wenn hier nicht Hunderttausende Menschen leben.

Parallel zur S 88 plant das Lasuv bereits den hochwassersicheren Umbau der B 169. Wie schätzen Sie die aktuellen Varianten ein?

Wamser: Wir müssen aufpassen, dass der Umbau auf die richtige Art passiert. Wenn die neue Bundesstraße tatsächlich auf einem Damm verlaufen soll, müssen wir das mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern.

Nehmen die Ämter und Politiker Ihre Anliegen überhaupt ernst?

Wamser: Das Lasuv erkennt uns als örtliche Fachleute an und nimmt unsere Ideen auch auf. Die neue Zufahrt nach Gohlis über einen natürlich gewachsenen Höhenrücken, die im zweiten Bauabschnitt der S 88 realisiert werden soll, war zum Beispiel eine unserer Ideen.

Die Vorplanungen für den Umbau der S 88 sollen noch in diesem Sommer abgeschlossen und beim sächsischen Wirtschaftsministerium zur Bestätigung eingereicht werden. Dann erst beginnt die Feinplanung.

Wamser: Wir „träumen“ förmlich schon von den Varianten, obwohl wir momentan eher in einer Warteschlange sind. Bei der Feinplanung wird dann noch mal nachgerechnet und unsere eigentliche Arbeit beginnt. Dann muss unter anderem genau geschaut werden, wie zum Beispiel die Brückenbauwerke und die zu veränderten Straßenverläufe aussehen müssen.

Trotzdem legen Sie ja zurzeit nicht einfach die Hände in den Schoß.

Wamser: Wir werden weiter an Herrn Kretschmer dranbleiben. Die Grundfrage, wer für das Elbvorland als Entscheider zuständig ist, muss politisch geklärt werden. Es ist nicht trivial, den Fluss zu pflegen. Es ist eine Aufgabe, die permanent gemacht werden muss – und dafür steht zu wenig Geld zur Verfügung. Es sind noch Millionen Euro im Hochwasser-Topf von 2013. Das kann nicht in Projekte fließen, weil die politische Entscheidung fehlt. Das ärgert uns. Wir müssen den Politikern klarmachen: Wenn 5 000 Kubikmeter die Elbe runterkommen und das Flussbett nur 3 000 fasst, muss das Hinterland 2 000 Kubikmeter aufnehmen – und das gefährdet unser aller Existenz in der Region.

Moritz: Wenn die Regierung, wenn Herr Kretschmer das endlich zur Chefsache machen würde, wäre das ein Erfolg für uns und ein deutliches Signal an die Menschen in unserer Region.

Das Gespräch führte Antje Steglich.

www.hochwasser-zeithain.de