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Bischofswerda atmet auf

Mindestens zwanzig Mal schoss ein Mann in den vergangenen Tagen auf fahrende Autos. Nun ist er gefasst.

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© Rocci Klein, Polizei

Von Ingolf Reinsch

Bischofswerda. Von den beiden Tankstellen an der Bautzener Straße sind es keine 500 Meter bis zu jenem Ort am Bischofswerdaer Stadtrand, wo in der Nacht zum Sonntag drei Autos beschossen worden sind. Wem man am Montagvormittag an den Stationen auch anspricht, jeder ist empört über die feigen Anschläge. „Hoffentlich haben sie den Täter“, sagt Bernhard Naumann. Er meint damit jenen 42-jährigen Mann, der am Sonntagnachmittag Baumstücke und Äste auf die Fahrbahn geworfen hatte, wo in der Nacht zuvor geschossen worden war, und den die Polizei nach einem Zeugenhinweis an Ort und Stelle festnehmen konnte. „So einer gehört weggesperrt“, sagt Yvonne Zeichert. „Aber wahrscheinlich wird er nicht viel abgekommen.“ Eine Vermutung, die viele in der Stadt äußern.

Seit gut einer Woche wurden in Bischofswerda immer wieder wahllos Autos beschossen – am Ortseingang aus Richtung Bautzen, auf der Umgehungsstraße zwischen Bischofswerda und Geißmannsdorf sowie auf der Neustädter Straße. Es hätte jeden treffen können. „Man hat Angst“, sagt eine Kundin an der Tanksäule. Angst, dass ein Projektil einen Menschen trifft. „Meine Kinder sitzen auf der Rückbank“, sagt die Frau. „Hoffentlich stufen sie die Schüsse als versuchten Mord ein. Denn der Kerl schoss mit scharfer Munition.“ Dass bei den mindestens 20 Anschlägen auf fahrende Autos und Kleintransporter, die Polizei und Staatsanwaltschaft dem 42-Jährigen zur Last legen, niemand verletzt wurde, kommt da schon einem Wunder gleich.

Am Montagnachmittag teilen Polizei und Staatsanwaltschaft dann gemeinsam mit, die Anschlagsserie sei aufgeklärt. Der 42-Jährige, der am Tag zuvor vorläufig festgenommen wurde, sei auch der mutmaßliche Schütze. Aus dem Ergebnis der bisherigen Vernehmungen und Ermittlungen ergebe sich der Verdacht des versuchten Tötungsdeliktes in mehreren Fällen. Zudem ergaben sich Hinweise auf einen Tatzusammenhang zu einem ähnlichen Fall in Herrnhut. Am 1. August 2018 war der Ford einer 63-jährigen Frau in den Abendstunden im Stadtgebiet beschossen und getroffen worden. Der Mann habe die Taten eingeräumt. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung stellten die Ermittler am Sonntagabend zwei Pistolen und ein Gewehr mit Zielfernrohr sicher. Alle drei Waffen waren Gasdruck betrieben. Zudem beschlagnahmten die Beamten die verwendete Munition. Dabei handelte es sich um Stahlkugeln in einer Stärke von viereinhalb Millimetern. Reste eines solchen Projektils hatten Kriminaltechniker bei ihrer akribischen Spurensuche in einem der beschossenen Pkw sicherstellen und rekonstruieren können.

Der Fall gibt Rätsel auf. Warum schießt ein Mann wahllos auf fahrende Autos und gefährdet damit Leben und Gesundheit anderer Menschen? „Diese Frage kann Ihnen und der Polizei nur der Täter beantworten“, sagte Polizeisprecher Thomas Knaup Ende vergangener Woche der SZ. Der 42-Jährige lebt nach SZ-Informationen allein in einer Wohnung mitten in der historischen Altstadt von Bischofswerda. Ein „etwas komischer Mensch“, sagen Nachbarn über ihn. Wiederholt soll er gesehen worden sein, wie er an stark befahrenen Straßen im Stadtgebiet Autofahrer beschimpfte oder mobbte, indem er die Bedarfsampel für Fußgänger immer wieder drückte. Ein Mann, der Autofahrer hasst?

Viele Hinweise

Womöglich leidet er an einer psychischen Erkrankung und fühlte sich von Autos bedroht, heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Staatsanwaltschaft und Polizei. Er handelte zumeist in den frühen Morgen- und Nachtstunden. Die Polizei suchte in den vergangenen Tagen mit einem Großaufgebot rund um die Uhr nach dem Schützen. Neben Zivilfahndern der Kriminalpolizei waren auch Fährtenhunde und mehrere Streifen des Bautzener Reviers im Einsatz. Letztere hatten zusätzlich zu den regulären Kräften des Streifendienstes von sich aus auf ihr Wochenende verzichtet, um den Täter zu finden. Auch die Bundespolizeiinspektion Ebersbach unterstützte den Einsatz. Ein Hubschrauber der Bundespolizei kreiste in der Nacht zu Sonntag über der Kleinstadt und suchte mittels Wärmebildkamera nach dem bis dahin noch unbekannten Mann. „Besonderer Dank der Polizei gilt den zahlreichen Bürgern, die in den vergangenen Tagen zielführende Hinweise gaben“, sagte Thomas Knaup.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Görlitz hat ein Haftrichter am Amtsgericht Bautzen am Montag aufgrund einer anzunehmenden psychischen Erkrankung des Tatverdächtigen einen Unterbringungsbeschluss erlassen. Der Mann wurde in ein Fachkrankenhaus eingewiesen.