Merken

Hausaufgaben für Schulsozialarbeit

Eine neue Richtlinie sorgt für mehr Planungssicherheit und Zuschüsse. Die Umsetzung hat jedoch noch Haken.

Teilen
Folgen
© André Braun

Von Sylvia Jentzsch

Region Döbeln. Die Schüler brauchen einen Ansprechpartner für ihre Sorgen und Nöte. „Das sind in vielen Fällen nicht die Eltern und auch die Lehrer können diese Aufgabe nicht leisten. Deshalb sind wir froh, seit einigen Jahren mit Anja Götze eine Schulsozialarbeiterin in unserer Einrichtung zu haben“, sagte Thomas Winter, Leiter der Roßweiner Oberschule. Mit ihrer Arbeit habe sich das Schulklima in seiner Gesamtheit verbessert, so Winter. Sie kümmert sich genauso um banale Dinge wie den „Zickenkrieg“ von Mädchen in der achten Klasse wie auch um schwerwiegende soziale Probleme. „Die Schulsozialarbeiterin federt viel ab. Sie ist an unserer Schule nicht mehr wegzudenken“

„Es geht nicht nur darum, Defizite zu lindern, sondern alle Schüler im Blick zu haben, egal ob bei Liebeskummer und Problemen im Elternhaus“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Henning Homann. Er besuchte am Mittwoch zwei Schulen im Altkreis Döbeln, um sich über den Stand der Schulsozialarbeit und Probleme zu informieren.

Bisher hatten die Sozialarbeiter ein schweres Los: befristete Arbeitsverträge, Arbeitslosigkeit in den Sommerferien und keine Gewissheit, ob sie ihre Projekte, die sie planen, im nächsten Schuljahr umsetzen können. Doch das soll sich nun ändern.

Schulleiter Winter freut sich, dass sich Henning Homann, der einst Schüler der Geschwister-Scholl-Schule war und nun im Förderverein mitarbeitet, die Schulsozialarbeit auf die Fahne geschrieben und einen wesentlichen Anteil daran habe, dass sich diesbezüglich vieles zum Positiven geändert hat. Als kinder- und jugendpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion hatte Homann dafür gesorgt, dass die Stärkung der Schulsozialarbeit 2014 in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde und nun umgesetzt wird.

Hürden bei der Umsetzung

Dafür stellt das Land Sachsen 30,5 Millionen Euro zur Verfügung – 15 Millionen Euro im neuen Landesprogramm und 15, 5 Millionen für die Schulsozialarbeit an Oberschulen. Diese sollen ab neuem Schuljahr einen Rechtsanspruch auf einen Schulsozialarbeiter haben. Doch es gibt noch einige Hürden bei der Umsetzung zu beachten. Darauf machten den SPD-Landtagsabgeordneten diejenigen aufmerksam, die die Richtlinie zur Schulsozialarbeit in der Praxis umsetzen müssen.

Grundsätzlich begrüßen sowohl die Schulsozialarbeiterinnen, der Deutsche Kinderschutzbund als Träger und die Verantwortliche des Landratsamtes Mittelsachsen die finanzielle Unterstützung durch den Freistaat. „Die Schulsozialarbeit bekommt damit eine stabilere Zukunft. Für uns ist Planungssicherheit ganz wichtig“, sagte Petra Straube, Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes beim Regionalverband Freiberg. Der Verband ist beschäftigt sieben Sozialpädagogen in der Region.

Petra Straube sieht in der Richtlinie, in der eine 40-Stunden-Tätigkeit pro Woche und Schule gefordert wird, eine große Herausforderung. „Das ist die Theorie und der müssen wir uns stellen. Die Praxis sieht etwas anders aus“, so Straube.

90 Prozent der Sozialarbeiter seien Frauen, teilweise mit Kindern und längeren Arbeitswegen. Zurzeit würden sie in der 30-Stunden-Woche Beruf und Familie gut vereinbaren können. Wird jedoch die 40-Stunden-Woche festgezurrt, könnte es sein, dass die Sozialpädagoginnen eine andere Alternative suchen. „Wir wollen die angelaufenen Projekte mit den bisherigen Personen weiterführen. Beziehungsabbrüche, gerade in diesem Bereich, wären fatal“, sagte Norina Rudolph von der Abteilung Jugend und Familie des Landratsamtes Mittelsachsen. Sie wünscht sich Spielräume, um die Forderungen der Landesregierung erfüllen zu können. Denn zurzeit ist es so, dass es bei Nichterfüllung keine Förderung gibt.

Hennig Homann versprach, der Sache nachzugehen. Er könne sich einen sogenannten Bestandsschutz für bestehende Projekte vorstellen, wenn das gewünscht wird. Grundsätzlich – und da waren sich alle einig – soll der Schulsozialarbeiter kein Mini-Job sein, sondern eine Vollzeitstelle. Dass diese Zeit benötigt wird, bestätigte Anja Götze. Sie komme mit den 30 Stunden in der Woche, die ihr bisher zur Verfügung stehen, nicht hin. „Es geht nicht nur um die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, sondern auch um Elterngespräche, die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen der Jugendhilfe und die Teilnahme an den Konferenzen in der Schule“, so die Sozialarbeiterin.

Mit den neuen Regelungen haben sich aber für sie die Arbeitsbedingungen wesentlich verbessert. „Ich weiß, dass es weitergeht, kann Projekte planen und bin damit eine verlässliche Vertrauensperson für die Kinder und Jugendlichen“, sagte Anja Götze.

Dass Kontinuität in der Beziehungsarbeit mit Schülern ganz wichtig ist, machte auch Dominique Rath, Schulsozialarbeiterin am Förderzentrum „Käthe Kollwitz“ in Freiberg, deutlich.

Ein weiterer Knackpunkt bei der Umsetzung der Richtlinie sind die Fachkräfte. Bisher gab es ein sogenanntes Fachkräftegebot.

Studienabschluss zwingend nötig

Als Schulsozialarbeiter wurden nur diejenigen eingestellt, die einen Hochschulabschluss als Sozialpädagoge nachweisen konnten. Auch die Träger und das Landratsamt standen hinter dieser Forderung. „Die Arbeit als Schulsozialpädagoge erfordert ein hohes Maß an Fachkompetenz, die nur über ein Studium erzielt werden kann“, so Norina Rudolph. Laut Richtlinie werden nun auch andere Abschlüsse akzeptiert – allerdings nur in Einzelfällen und nach vorheriger Prüfung. Die Verantwortlichen befürchten, dass diese Personen zum einen den Aufgaben nicht gewachsen sein können und zum anderen die Qualität der Schulsozialarbeit abnehmen könnte. Die Formulierungen, die in der Richtlinie stehen, seien sehr schwammig, so die Verantwortlichen. Die Fachleute befürworten, dass festgeschrieben wird, dass sogenannte Quereinsteiger ein berufsbegleitendes Studium zu absolvieren haben.