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Hat eine Spedition Körperverletzung begangen?

Nach dem Chemikalien-Unfall auf der B 178 landete eine kontaminierte Palette in Bertsdorf. Nun ermittelt die Polizei.

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© SZ-Archiv

Von Mario Sefrin

Bertsdorf. Erst verunglückt ein Lkw auf der B 178n, wobei ein Teil der Ladung ausläuft. Dann landet eine bei diesem Unfall mit Chemikalien kontaminierte Palette bei einer Firma in Bertsdorf und verursacht dort große Aufregung – die Geschichte ist kaum zu glauben.

Eine Fachfirma kümmerte sich in Bertsdorf um die Entsorgung der Pakete, die beim Unfall auf der B 178n mit der Chemikalie in Berührung gekommen waren. Die Pakete waren nach dem Unfall an den Empfänger, einen Internethändler aus Bertsdorf, ausgeliefert wor
Eine Fachfirma kümmerte sich in Bertsdorf um die Entsorgung der Pakete, die beim Unfall auf der B 178n mit der Chemikalie in Berührung gekommen waren. Die Pakete waren nach dem Unfall an den Empfänger, einen Internethändler aus Bertsdorf, ausgeliefert wor © privat

Als am 24. August auf der B 178n bei Obercunnersdorf ein Gefahrguttransporter verunglückte, mussten die Schnellstraße für mehrere Stunden gesperrt werden und die ABC-Schutzzüge des Landkreises anrücken. Grund dafür war eine Chemikalie, die der Transporter geladen hatte. Durch den Unfall war ein Großgebinde mit 1 000 Litern der Chemikalie, die bei der Waschmittelherstellung zum Einsatz kommt, leckgeschlagen. Den größten Teil der ausgelaufenen Flüssigkeit konnte damals die Feuerwehr auffangen.

Das Görlitzer Landratsamt hatte nach dem Unfall über die gesundheitsgefährdende Wirkung der Chemikalie informiert. Laut Sicherheitsdatenblatt soll der Stoff demnach nicht direkt in die Kanalisation, ins Oberflächen- oder Grundwasser gelangen. Die flüssige Chemikalie kann sich dazu bei einer Erwärmung von über 51 Grad entzünden sowie Haut- und Augenreizungen verursachen. Bei Verschlucken oder Eindringen in die Atemwege kann der Stoff unter Umständen auch tödlich sein.

Der schlimmste Fall, ein tödlicher, ist beim Bertsdorfer Unternehmen maDDma GmbH glücklicherweise nicht eingetreten. Über Augen- und Atemwegsreizungen hatten Mitarbeiter der Firma, die Internethandel betreibt, jedoch zu klagen. Denn Reste der Chemikalie vom Unfall auf der B 178n waren vor Kurzem plötzlich in der maDDma-Halle an der Olbersdorfer Straße in Bertsdorf gelandet. „Wir hatten Ware auf dem Unfall-Lkw, die zu uns geliefert werden sollte“, erzählt maDDma-Niederlassungsleiter Heiko Günther. Die Ware sei am Montag nach dem Unfall, der am 24. August passierte, auch geliefert worden. „Als der Fahrer die Palette mit den Paketen, in denen sich unter anderem Wolle, Garne und Klemmen befanden, auf unserem Hof ablud, haben wir schon so einen ätzenden Geruch bemerkt“, sagt Heiko Günther. Woher der Geruch kam, habe der Fahrer jedoch nicht erklären können, erinnert sich Heiko Günther: „Der hat kaum Deutsch gesprochen, wusste nichts und ist gleich wieder davongefahren.“ Auch habe der Lieferung kein Speditionsblatt beigelegen, sagt der Niederlassungsleiter.

Nach dem Abladen wurde die Palette mit den Paketen ins Lager gebracht, berichtet Heiko Günther. Von dort aus verbreitete sich der Geruch in der Halle des Unternehmens an der Olbersdorfer Straße. „Uns juckten plötzlich die Augen und der Hals wurde rau. Eine Kollegin musste am nächsten Tag sogar zum Arzt gehen, so schlimm war es“, sagt der maDDma-Niederlassungsleiter. Die Ursache für die Gaswolke war schnell gefunden: „Das kam von den Kartons, die uns geliefert worden waren. Die Kartons und die Folie, welche die Kartons auf der Palette hielt, waren mit Chemie benetzt“, sagt Heiko Günther.

Um zu erfahren, welcher Chemikalie er und seine Mitarbeiter ausgesetzt sind, rief Günther bei der beauftragten Spedition an. „Dort wollte mir aber niemand das Sicherheitsdatenblatt der Chemikalie geben, die auf dem Unfall-Lkw ausgelaufen war. Doch genau auf diesem Lkw waren ja auch unsere Pakete“, sagt der Niederlassungsleiter. Wieder abholen wollte die Spedition die nach Bertsdorf gelieferte Palette aber auch nicht. Da war guter Rat teuer.

Heiko Günther setzte sich daraufhin mit der örtlichen Feuerwehr in Verbindung und informierte sie über den Vorfall. Die Feuerwehr wiederum gab die Informationen an die Polizei weiter. „Von der Polizei habe ich dann erstmals das Sicherheitsdatenblatt zu der problematischen Chemikalie bekommen“, sagt Heiko Günther. Doch bis alles geklärt war, ging ein weiterer Tag ins Land. Dann jedoch, am Freitag vor eineinhalb Wochen, ging alles plötzlich ganz schnell: „Polizei und Feuerwehr rückten bei uns an, und die Feuerwehr holte die Palette mit Atemschutz aus unserem Lager.“ Während die Feuerwehrleute aus Bertsdorf-Hörnitz und Zittau danach auf dem Hof an der Palette den Brandschutz sicherten, wurde der Lagerraum, in dem die Palette bis dahin stand, ordentlich gelüftet. Am Nachmittag kümmerte sich schließlich eine Fachfirma um die Entsorgung der Palette mit den Paketen.

Heiko Günther hat da schon im Polizeiauto gesessen und Anzeige gegen die Speditionsfirma aus dem Landkreis Görlitz gestellt. Das bestätigt die Polizei: „Die Spedition, die auf der B 178 bei Obercunnersdorf in einen Gefahrgutunfall verwickelt war, hat offenbar eine Palette, die mit ausgelaufenen chemischen Stoffen in Kontakt gekommen war, nach Bertsdorf geliefert“, sagt Thomas Knaup von der Polizeidirektion Görlitz. „Aus rechtlicher Sicht könnte der Verdacht einer Körperverletzung bestehen, sodass ein Strafverfahren eingeleitet wurde.“ Parallel dazu prüft der Verkehrsüberwachungsdienst die Verantwortlichkeiten, die sich aus dem Gefahrgutrecht ergeben. „Hier stehen insbesondere der womöglich unsachgemäße Umgang und Transport der Palette im Fokus“, sagt Thomas Knaup. Das Ergebnis der Untersuchungen bleibe jedoch abzuwarten, so Knaup.

Die Speditionsfirma hat auf mehrfache Anfrage der Sächsischen Zeitung nicht reagiert. Für Heiko Günther ist der Fall dagegen klar: „Die kontaminierte Palette wurde wissentlich in den Versand gegeben und zu uns nach Bertsdorf geliefert“, sagt der maDDma-Niederlassungsleiter.