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Haftzuschlag für Döbelner Drogenchefin

Eine 27-Jährige hat im großen Stil mit Crystal gehandelt. Sie gibt einen Einblick in die Szene. Verurteilt wird sie trotzdem.

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© Harry Haertel

Von Tina Soltysiak

Chemnitz/Döbeln. Ein lauter Knall und Knistergeräusche durchdringen den Verhandlungssaal 232 im Landgericht Chemnitz. Ein Kriminalhauptkommissar von der Polizeidirektion (PD) Chemnitz führt die Wirkungsweise eines Elektroschockers vor. Dieser war am 11. November 2015 einer Döbelnerin abgenommen worden. Sie hatte das Gerät bei sich, als sie an jenem Abend in eine Polizeikontrolle geriet. Beamte des Döbelner Reviers hatten das Auto der polizeibekannten heute 27-Jährigen durchsucht. Auf sie und ihren Beifahrer aufmerksam geworden waren die Gesetzeshüter, weil die deutsche Staatsbürgerin und ihr Komplize mit einem Fahrzeug ohne gültige Kennzeichen unterwegs waren. In einem Rucksack fanden die Polizisten eine erhebliche Menge Drogen: rund 28 Gramm Crystal und etwa sechs Gramm Marihuana, rund 800 Euro Bargeld sowie eine Feinwaage zum Abwiegen des Rauschgifts.

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz wirft der Angeklagten deshalb unter anderem den gewerbsmäßigen, bewaffneten Handel mit Drogen in nicht geringer Menge sowie Fahren ohne Führerschein vor. Am 25. April 2016 wurde sie erneut in Döbeln mit rund zwei Gramm Crystal erwischt. Auch dafür musste sie sich verantworten.

Während der Hauptsverhandlung am Mittwoch legte die junge Frau ein umfassendes Geständnis ab. Die Drogen seien zum Verkauf bestimmt gewesen, sagte sie. Den Elektroschocker jedoch habe sie lediglich zum Selbstschutz bei sich getragen. Es sei über die Stadtgrenzen von Döbeln hinaus bekannt gewesen, dass sie mit Drogen handelt. Einmal sei sie am Waldheimer Bahnhof angegriffen worden. „Ich habe ihn nicht mit der Absicht, ihn einzusetzen, bei mir getragen“, sagte sie. Vielmehr sollte das Gerät, dessen Besitz verboten ist, zur Abschreckung eventueller Angreifer dienen.

Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme am 11. November 2015 stand sie unter dem Einfluss von Crystal. Das hatten sowohl ein Drogenschnelltest als auch eine Blutuntersuchung ergeben. Die Angeklagte habe jedoch klar gewirkt, sei zurechnungsfähig und geständig gewesen, sagte ein Polizeioberkommissar des Döbelner Reviers, der in der Tatnacht ermittelte, als Zeuge aus.

Mit der Verhaftung der Angeklagten ist der Polizei ein sprichwörtlich dicker Fisch ins Netz gegangen. Denn die 27-Jährige ist eine der Schlüsselfiguren der Döbelner Drogenszene. Das bestätigt der Kriminalhauptkommissar der PD Chemnitz. Gemeinsam mit einem bereits verurteilten Komplizen war die Angeklagte, die derzeit wegen ähnlicher Delikte eine Haftstrafe in der JVA Chemnitz verbüßt, für Kurierfahrten zuständig. Zusammen machten sie sich regelmäßig auf den Weg nach Tschechien, um durchschnittlich zwischen 100 und 180 Gramm Crystal illegal nach Deutschland einzuführen. Abhängige aus Döbeln, Waldheim und Mittweida hätten Geld zusammengelegt und den Stoff schließlich ausgehändigt bekommen. Den verkauften sie dann weiter. „In Döbeln haben sich feste Strukturen herausgebildet, von denen wir zuvor keinerlei Kenntnisse hatten“, sagte der Polizist. Weil die Angeklagte in ihren Vernehmungen umfassende Aussagen machte und ihre Mittäter, Händler und Abnehmer beim Namen nannte, konnten weitere Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Die Beamten beschlagnahmten auch das Handy der Frau. „Es wurden 30 Durchsuchungen gemacht und 250 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Drei bis fünf Beteiligte konnten wir bereits einsperren“, sagte der Chefermittler.

Die Angeklagte hatte somit eine umfangreiche Aufklärungshilfe geleistet. Das wirkte sich am Mittwoch maßgeblich mildernd auf das Urteil aus, wie der vorsitzende Richter Kay Sander sagte. Sie wurde zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt drei Jahren verurteilt. Die Angeklagte wird im Maßregelvollzug untergebracht. Dort soll sie ihren Drogenentzug sowie ihre Berufsausbildung fortsetzen können. Darum hatte die junge Frau gebeten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.