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Gut gepolstert

Jens Lehmann aus Lawalde schenkt antiken Möbeln wieder neues Leben. Und sein Spezialgebiet: Hollywoodschaukeln.

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© R. Sampedro

Von Markus van Appeldorn

Lawalde. Was bei Jens Lehmann in Lawalde auf dem Werktisch landet, hat oft viele Jahre unbeachtet auf einem Dachboden verbracht. Gepolsterte Stühle oder Bänke aus den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Irgendwie noch zu schade zum Wegwerfen, aber für das altmodische Design hatten deren Besitzer irgendwann kein Auge mehr. Jens Lehmann schenkt solchen Dingen ein neues Leben. Mit seinem Polsterhammer sitzt er vor einem gut 100 Jahre alten Stuhl und fixiert eine Vlies-Schicht über dem Polster. Dann zieht er roten Stoff darüber und befestigt auch den mit ein paar Nägeln. „Jetzt ist es wieder ein Stuhl“, sagt der 54-Jährige.

Die alten Möbelstücke erleben gerade wieder eine Renaissance – bei der jungen Generation. Ältere Herrschaften aus der Umgebung bringen sie in Jens Lehmanns Werkstatt. „Wir machen es wieder top. Oma und Opa bezahlen und die Enkel nehmen es mit nach Berlin, München oder Frankfurt am Main. So ist das oft“, sagt er. Auch ein antikes Bänkchen steht in seiner Werkstatt. Noch ist die Polsterung nur mit grobem Sackleinen überzogen. Jens Lehmann begutachtet das Stück. „Das ist mit Waldgras, Ross-Haar und Reh-Haar gepolstert. Die Polsterung ist noch gut, da muss ich nichts machen“, sagt er. Das wäre eine handwerkliche Herausforderung – die aber wolle sich heute kaum noch ein Kunde leisten. „Ich habe Kunden, die wünschen sich bei der Renovierung durchaus wieder eine originale Polsterung mit Rosshaar. Ich könnte es auch machen. Aber beim Preis winken dann die meisten ab“, sagt Lehmann. Der Aufwand sei eben zehnmal so teuer wie die moderne Lösung. „Aber die meisten geben sich dann doch mit Schaumstoffpolstern zufrieden“, sagt er.

In dritter Generation führt Jens Lehmann jetzt den Handwerksbetrieb in Lawalde. Sein Großvater Arthur fing in den 20er-Jahren damit an. Damals war‘s noch ein reiner Sattlerbetrieb. „Da gab‘s noch viele Pferde und Fuhrwerke bei den Bauern“, erzählt Lehmann. Sein Vater Ude Lehmann übernahm den Betrieb dann 1969. Noch heute kommt der 80-Jährige öfter in die Werkstatt seines Sohnes und erledigt kleine Sattlerarbeiten für langjährige Stammkunden. „Damals wurde von der SED-Kreisleitung vorgeschrieben, welche LPG hier ihre Traktoren zu mir zu bringen hatte“, erinnert sich der Senior. 2005 übergab er das Geschäft dann an seinen Sohn.

Jens Lehmann erinnert sich noch gut an seine beruflichen Anfangsjahre. In den 80er-Jahren lernte er bei einer Autopolsterei in Görlitz. Zu DDR-Zeiten ein gefragtes Gewerk. „Da haben wir hauptsächlich Wartburgs gepolstert. Nach 15 bis 20 Jahren haben wir die Autos aufgehübscht“, erzählt er. Heute dagegen würden Autos regelmäßig in der Schrottpresse landen, bevor neue Polster fällig sind. Erst kehrte er nach der Lehre in den väterlichen Betrieb zurück und erledigte dort Polster- und Sattler-Arbeiten für Autos. Doch als er 1989 nach dem Wehrdienst aus der Nationalen Volksarmee entlassen wurde, war die Wende da und niemand wollte mehr seinen Wartburg oder Trabant auffrischen lassen.

„Damals hätten wir monatelang in Urlaub fahren können“, erinnert sich Jens Lehmann an die Auftragsflaute. Der einstige Traum vieler DDR-Bürger von der großen Freiheit verschaffte ihm bis heute Arbeit – in Gestalt von Hollywoodschaukeln. „Viele Menschen hier auf dem Land haben sich damals eine Hollywoodschaukel vom Dorfschmied anfertigen lassen. Kaufen konnte man die ja nirgends“, sagt Jens Lehmann. Und irgendwann brauchen diese Schaukeln ein neues Dach. Weil das alles Unikate mit unterschiedlichen Maßen sind, gibt‘s dafür nichts von der Stange, sondern Maßarbeit ist gefragt. Dafür hält Jens Lehmann ein ganzes Sortiment farbiger Lkw-Planen bereit.

Auch Autopolster muss er wieder öfter erneuern. Gerade liegt ein Satz Trabi-Sitze in seiner Werkstatt. Und neulich war wirklich mal sein ganzes Können gefragt. „Ein Oldtimer-Besitzer kam mit seinem Mercedes Cabrio aus den 30er-Jahren“, erzählt Lehmann, „das rote Spezial-Leder musste ich extra aus der Schweiz besorgen, damit es dem Original möglichst nahe kam.“ Ein halbes Jahr hatte er an dem Auftrag zu tun. Eine handwerkliche Sternstunde.