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Grundwasser unter Beobachtung

Das Messstellennetz im Landkreis Görlitz ist dicht. Vor allem der Untergrund entscheidet über viel oder wenig Wasser.

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© Uwe Soeder

Von Frank-Uwe Michel

Landkreis. Die sommerliche Trockenheit nähert sich ihrem Ende, in jüngster Zeit gab es wieder vermehrt Regenschauer. Doch wie hat sich die Dürre auf das Grundwasser im Landkreis Görlitz ausgewirkt. Die SZ gibt einen Überblick.

Zehn Fragen zu den Auswirkungen der Dürre

Wie ist es um das Reservoir an Grundwasser bestellt?

Langfristig zeigen die Grundwasserstände im Landkreis Görlitz entsprechend der Abfolge von Nass- und Trockenjahren ähnliche Schwankungen. Aktuell weisen alle Grundwassermessstellen jahreszeittypisch fallende Stände auf. Allerdings gibt es nach Informationen des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) wegen der diesjährigen Trockenheit auch Extremwerte. In Kodersdorf wurde eine Rekordtiefe festgestellt, in Rennersdorf kommt man in deren Nähe, während in Dittersbach noch genügend Spielraum ist.

Worauf lassen sich diese Unterschiede zurückführen?

Das Grundwasservorkommen ist lokal sehr unterschiedlich und abhängig von den örtlichen Niederschlagsverhältnissen sowie den geohydraulischen Beschaffenheiten. Entscheidend für das Grundwasserangebot sind das Speichervermögen des geologischen Untergrundes und die Durchlässigkeit des Grundwasserleiters. LfULG-Sprecherin Anne-Christin Matthies-Umhau: „Südlich, östlich und in der Umgebung von Niesky sowie im Raum Rietschen sind pleistozäne, also eiszeitlich gebildete und teilweise tertiäre Rinnenstrukturen vorhanden. Sie besitzen infolge des großen Porenvolumens ein gutes Speichervermögen für Grundwasser. Im Zittauer Gebirge sind dagegen Festgesteinsgrundwasserleiter verbreitet, die eine geringere Durchlässigkeit sowie eine niedrigere Speicherfähigkeit aufweisen.“

Wie entwickeln sich die Grundwasserstände im Jahresverlauf?

Die Schwankungen sind an die mehr- und innerjährliche Niederschlagsverteilung gekoppelt. Von September 2017 bis August 2018 gab es im Raum Görlitz so wenig Regen wie seit 1961 noch nie. Außerdem bewirkt der Klimawandel eine zunehmende Verdunstungsintensität, wodurch tiefe Grundwasserstände häufiger und hohe Grundwasserstände seltener auftreten. Anne-Christin Matthies-Umhau: „Eine Untersuchung zum Wasserhaushalt von Löbauer Wasser, Weißem und Schwarzem Schöps sowie der Pließnitz hat ergeben, dass mit dem bisherigen Klimawandel die Verdunstung im Mittel um 30 bis 50Millimeter pro Jahr zugenommen, die mittlere langjährige Grundwasserneubildung sich in dieser Region aber kaum geändert hat.“ Für Sandböden sei dieses Verhalten plausibel. Der Wasserhaushalt im Gebiet der Mandau im Raum Zittau weise jedoch ein anderes Verhalten auf. „Hier gibt es bei gestiegener mittlerer Verdunstung eine Abnahme der mittleren Grundwasserneubildung“, so die LfULG-Sprecherin.

Unter welchen Umständen füllt sich das Grundwasserreservoir wieder auf?

Das hängt vom langfristigen Witterungsverlauf ab, vor allem von den Niederschlagsmengen und der Verdunstung. Ein weiterer Einflussfaktor ist die sogenannte morphologische Lage – also die Hang- oder Tallage des jeweiligen Territoriums. Aber auch die Wechselwirkung mit benachbarten Fließgewässern spielt eine Rolle.

Wie engmaschig ist das Messstellennetz im Landkreis Görlitz?

Laut LfULG werden hier etwa 350 Messstellen zur Beobachtung von Grundwasserstand und -beschaffenheit genutzt. 70Prozent davon sind Messstellen Dritter, speziell von LMBV und LEAG. Die Übrigen werden von der Staatlichen Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft (BfUL) betrieben. Die Auswertung der Messdaten erfolgt durch das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Die Messstellen von LMBV und LEAG sind vor allem dazu da, den Wiederanstieg des Grundwassers im Bereich des aktiven und Sanierungsbergbaus zu beobachten. Die Daten werden ins staatliche Messnetz integriert und nach der EG-Wasserrahmenrichtlinie ausgewertet.

Wie sind die Messstellen über das Kreisgebiet verteilt?

Die Verteilung ergibt sich aus der Durchlässigkeit der Bodenstruktur, der Erwartbarkeit von Grundwasservorkommen und der Mächtigkeit von Grundwasserleitern. Die höchste Messstellenkonzentration gibt es deshalb in den Neißeauen. Hierbei spielt neben den genannten Faktoren auch der Wiederanstieg des Grundwassers im Umfeld der ehemaligen Tagebaue Olbersdorf und Berzdorf eine Rolle. Eher gering ist die Messstellendichte südwestlich von Görlitz. Das hat seinen Grund in den Festgesteinshochlagen mit geringer Grundwasserergiebigkeit. Aber auch in der Teichlandschaft nördlich von Rietschen sowie im Forstbereich zwischen Rietschen, Weißwasser und Bad Muskau ist das Messstellennetz relativ dünn. Aus dem Umfeld der aktiven Tagebaue Rietschen und Nochten werden die Daten von der LEAG geliefert.

Seit wann gibt es fürs Grundwasser ein Messstellennetz?

Das staatliche Messnetz besteht seit vielen Jahren. Seit Inkrafttreten der EG-Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 wurde es kontinuierlich ausgebaut. Aktuell wird an der Erweiterung des Messnetzes für die mengenmäßige Beobachtung und die sogenannte diffuse Stoffbelastung – zum Beispiel mit Nitrat – im Bereich des Zittauer Gebirges und Reichenbach gearbeitet.

Welche Daten liefern die Messstellen überhaupt?

Zum einen wird die Entwicklung des Grundwasserstandes im Hinblick auf die bergbauliche und klimatische Beeinflussung beobachtet. Zum anderen aber auch die Belastung des Grundwassers durch Nitrateinträge aus der Landwirtschaft. Und schließlich geht es um Beeinträchtigungen der Grundwasserqualität mit Eisen, Sulfat und Ammonium durch den Braunkohlebergbau, ebenso wie durch Hochwasser in Mandau oder Neiße.

Ist es möglich, dass Teile des Landkreises künftig austrocknen?

Dazu braucht es gesicherte Aussagen, unter welchen klimatischen Bedingungen es zu lokalen Austrocknungen oberirdischer Gewässer kommen kann beziehungsweise Konflikte durch ein vermindertes Grundwasserangebot auftreten. Für diese sogenannten Stresstests gibt es nach LfULG-Angaben derzeit keine ausreichenden Grundlagen. Anne-Christin Matthies-Umhau: „Das ist Gegenstand künftiger Aktivitäten.“

Kann die Gesellschaft aktiv den Grundwasserpegel stärken?

Tatsächlich gibt es einige Dinge, mit denen man zur Stabilisierung des Grundwasserpotenzials beitragen kann. So sollten nur wenig Gewerbe- und Wohnflächen versiegelt werden. Auf dem eigenen Grundstück heißt es deshalb: Möglichst die Natur belassen und Wege nicht pflastern. Wälder sollten mit Laubbäumen aufgeforstet werden. In der Landwirtschaft sollten vegetationsfrei gehaltene Flächen, sogenannte Schwarzbrachen, vermieden werden.

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