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Großvaters größter Traum

Dynamos neuer Verteidiger Dario Dumic ist Nationalspieler in Bosnien-Herzegowina, der vor allem eins kann: hart arbeiten.

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© Robert Michael

Von Michaela Widder

Als er sich auf den neuen Fußball-Weltmeister festlegen soll, zögert Dario Dumic keine Sekunde. Kroatien, sagt er bestimmt, zumindest wird Dynamos neuer Innenverteidiger dem Team im Finale am Sonntag in einem Dresdner Hotel die Daumen drücken. Es sind die Nachbarn seines kleinen Heimatlandes Bosnien-Herzegowina, das sich für die WM-Endrunde nicht qualifiziert hatte.

Dumic, 1992 in Sarajevo geboren, war mit seinen Eltern neun Monate später vor dem Krieg in der Heimat nach Dänemark geflüchtet. Als Vierjähriger begann er mit dem Fußball, spielte in der Jugend in allen dänischen Auswahlteams. Als er dann vor anderthalb Jahren zum ersten Mal die Einladung des bosnischen Verbandes bekam, musste er dennoch nicht lange überlegen. „Ich liebe Dänemark, und ich liebe Bosnien. Ich habe mich so entschieden, und es war richtig. Ich fühle einfach, dass ich für dieses Land spielen möchte“, sagt er.

Im März 2017 gab der Abwehrhüne im Testspiel gegen Albanien sein Debüt im Trikot der Goldenen Lilien. „Für Bosnien zu spielen, war der größte Moment in meiner Karriere“, sagt er stolz und wirkt trotzdem nachdenklich. 20 Tage zuvor war damals sein Opa gestorben. „Ich war traurig, dass er nicht gewartet hat, mich im Trikot zu sehen. Es war sein größter Traum, dass ich mal für die Nationalmannschaft spiele.“

In Dänemark, dem Land, in dem er aufwuchs, konnte nicht jeder Dumics Entscheidung verstehen. „Ich fühle mich als Bosnier, aber das heißt nicht, dass ich Dänemark nicht mag“, sagte er der dänischen Zeitung Tipsbladet: „Die Leute sollten aufhören, alles schwarz und weiß zu sehen. Menschen, die nie in dieser Situation waren, können sich nicht vorstellen, wie das ist.“ Mittlerweile ist das Thema vom Tisch, vier WM-Qualifikationsspiele hat er für sein Geburtsland seitdem bestritten und im Oktober gegen Belgien sogar sein erstes Tor erzielt – für den 26-Jährigen ist das noch immer „crazy“ und „surreal“.

Der Bosnier mit dem dänischen Pass spricht neben diesen beiden Sprachen auch fließend Englisch und etwas Holländisch, was an seiner Fußball-Vita und seinem Sprachtalent liegt. Im Nachwuchs spielte er mal bei Norwich City. Nach langer Zeit beim dänischen Topklub Bröndby Kopenhagen wechselte er in die Niederlande, spielte für Nijmegen und den Erstligisten FC Utrecht, mit dem er auch die Play-offs zur Europa League bestritt.

Seit Kurzem kann er sein Repertoire um die deutsche Sprache erweitern, mit den ersten Worten auf und neben dem Platz klappt das schon ganz gut. Dynamo hat den 1,96 Meter großen Dumic fürs Abwehrzentrum verpflichtet, schon im Winter ist er ein Thema gewesen. Kristian Walter, Chefscout und Interimssportgeschäftsführer, schwärmt über den Neuzugang: ein zweikampf- und kopfballstarker, wuchtiger Verteidiger. „Außerdem ist er ein Typ, der auf dem Platz über seine ausgeprägte Mentalität Akzente setzen und seine Mitspieler mitreißen kann.“

Einer, der 100 Prozent gibt

Diese Vorschusslorbeeren scheinen Dumic etwas unangenehm zu sein, als er darauf angesprochen wird. Was er aber über sich sagen könne, er gebe immer 100 Prozent, seine Devise lautet: „Hart arbeiten, hart kämpfen“. Sein langjähriger dänischer Berater Michael Stensgaard hat mal über Dumic gesagt: „Dario hat eine Härte entwickelt, weil er und seine Familie in Bosnien schreckliche Dinge durchgemacht haben.“

Dass er auch über einen besonderen Ehrgeiz verfügt, kann sein jüngerer Bruder Luka bestätigen. „Er war früher nicht das viel größere Talent, aber für ihn gab es nur Fußball. Es ist sein Leben. Ich war nie so fokussiert“, meinte der 22-Jährige, der als Stürmer in der dritten dänischen Liga bei Greve spielt. Dass Dario Dumic zunächst nur auf Leihbasis bei Dynamo unter Vertrag steht, spielt für ihn keine Rolle. „Was zählt“, meint er, „ist gut zu trainieren, gut zu spielen, eben das Beste für den Klub zu geben.“ Seit drei Wochen ist er in Dresden, in Kürze kommt seine Freundin Caroline, eine Dänin, nach. „Wir studieren beide Recht an einer Fernuni in Dänemark. Da können wir uns gegenseitig motivieren.“

In der Stadt fühlt sich Dumic schon wohl. Mit der Eingewöhnung hat er es leichter als sein bosnischer Teamkollege Haris Duljevic im vorigen Sommer. Sie kennen sich aus dem Nationalteam. „Haris hat mir viel geholfen, er kennt ja jetzt hier alles nach einem Jahr.“ Eine Sprachbarriere gebe es auch nicht, weil jeder im Team Englisch spreche. „Ich habe mich vom ersten Tag an sehr willkommen gefühlt.“ Das einwöchige Trainingslager ab Montag in der Pfalz ist für ihn eine gute Gelegenheit, die neuen Mitspieler besser kennenzulernen.

Kaum erwarten kann Dumic, wie jeder Dresdner Neuzugang, den ersten Auftritt im DDV-Stadion. Bei der Generalprobe eine Woche vor dem Saisonstart trifft Dynamo am 28. Juli auf den englischen Zweitligisten Aston Villa. „Die Dynamofans sind ja in ganz Europa bekannt.“

Dynamo testet am Sonnabend, 15 Uhr, im Willy-Tröger-Stadion des VfL Pirna-Copitz gegen den Drittligisten FSV Zwickau.