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Großstädte verzichten auf Straßenausbaubeiträge

Nach Chemnitz und Dresden will nun auch Leipzig die Gebühr abschaffen. Für die Städte ist das richtig teuer.

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© Archivfoto: Nikolai Schmidt

Von Ingo Kramer

Seit 1996 gibt es sie. Und sie spült jährlich etwa 1,6 Millionen Euro in die Stadtkasse. Allerdings voraussichtlich nicht mehr lange, denn nach jetzigem Stand soll sie zum 30. Juni aufgehoben werden. Die Rede ist von der Straßenausbaubeitragssatzung – in Leipzig. Dort haben CDU und Linke zusammen die Mehrheit im Stadtrat – und beide sind für die Abschaffung. Ganz im Gegensatz zur SPD, die die Beiträge nur verringern, aber nicht abschaffen will, weil sie ansonsten eine „ernste Situation“ für die Kommune befürchtet, wie die Leipziger Volkszeitung (LVZ) kürzlich berichtete.

Interessantes Detail in Leipzig: Der Ortschaftsrat von Engelsdorf, einem Stadtteil im Osten von Leipzig, hatte den Stadtratsantrag voriges Jahr auf den Weg gebracht, später schlossen sich nach LVZ-Angaben fünf weitere Ortschaftsräte an. Auch in Görlitz kommt der Protest gegen die geltende Satzung vor allem aus den eingemeindeten Ortsteilen, speziell aus Kunnerwitz/Klein Neundorf sowie Ludwigsdorf/Ober-Neundorf. Dort haben sich Bürgerinitiativen gebildet, die die Abschaffung der Satzung fordern. Andere Städte wie Zittau und Bautzen sind diesen Weg bereits gegangen. Auch unter den drei größten sächsischen Städten ist Leipzig die letzte, die noch Beiträge erhebt. In Dresden war nach Angaben von Rathaussprecherin Anke Hoffmann zwischen 1997 und 2008 eine Straßenausbaubeitragssatzung in Kraft: „Im Jahr 2008 wurde sie zunächst mit Wirkung in die Zukunft, 2010 dann auch rückwirkend aufgehoben.“ Etwas kurios lief es in der Stadt Chemnitz. Dort war die Satzung seit 1. Januar 2001 rechtskräftig, jedoch wurde sie durch einen Beschluss des Stadtrates am 14. November 2007 aufgehoben – und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2001 (!). Das teilt Antje Becher von der Pressestelle der Stadt Chemnitz mit.

In Görlitz verweist Baubürgermeister Michael Wieler hingegen auf die Einnahmen, die der Stadt fehlen würden, wenn die Satzung abgeschafft werden würde. Wichtige Straßenbaumaßnahmen wie der Demiani- oder der Postplatz werden ganz (Postplatz) oder zu Teilen (Demianiplatz) nicht mit Straßenbauförderung gebaut, sondern mit Städtebaufördermitteln, denn sie wurden lange vor der Änderung der Straßenbauförderung geplant und so beantragt und bewilligt, sagt Wieler: „Bei der Städtebauförderung gilt eben nicht der Grundsatz, dass die Förderung für die ausfallenden Anliegerbeiträge einspringt.“ Im Gegenteil: Es müssen immer die höchstmöglichen Beiträge abgezogen werden, je nach Straße bis zu 75 Prozent: „Der Fördermittelgeber geht davon aus, dass die Stadt diese Beiträge erhebt oder sie selbst bezahlt.“ Anders wäre es, wenn die Stadt mit Straßenbauförderung bauen würde. Dort können zusätzliche Fördermittel die Anliegerbeiträge ersetzen – zumindest bei den förderfähigen Kosten, nicht bei Laternen.

Die Rathaussprecherinnen von Dresden und Chemnitz bestätigen auf Nachfrage der SZ die Schilderung von Wieler. Beide Städte bauen ebenfalls mit Städtebaufördermitteln – und die Stadt springt jeweils für die ausfallenden Anliegerbeiträge ein. „Die Stadt muss die nicht erhobenen Mittel der Grundstückseigentümer durch eigene Mittel ersetzen und kann dafür keine Fördermittel zur Sanierung der jeweiligen Straße erhalten“, heißt es aus Dresden. Eine Ausnahme von dieser Regelung bilden Straßen in Sanierungsgebieten, betont nicht nur das Dresdner Rathaus, sondern auch Antje Becher aus Chemnitz: „Dort sind Kosten in der Städtebauförderung in voller Höhe zuwendungsfähig.“ Allerdings zahlen die Anlieger dort auch keine Straßenausbaubeiträge, sondern erst bei Auslaufen des Sanierungsgebietes einen Ausgleichsbeitrag für die Wertsteigerung ihrer Grundstücke – genau wie in Görlitz auch.

Hier liegt der Demianiplatz zum Teil in einem solchen Sanierungsgebiet. Im anderen Teil hat die Stadt mit Städtebaufördermitteln gebaut, am Postplatz komplett. Der Einsatz dieser Gelder sei aktuell nicht gebiets-, sondern maßnahmebezogen, sagt Wieler. Andererseits muss die Stadt künftig nicht mehr mit Städtebaufördermitteln bauen, denn mittlerweile ist die Förderquote bei der Straßenbauförderung höher. „Das war bei Beantragung der Baustelle Postplatz noch nicht so. Die Förderrichtlinie ist ja erst vor zwei Jahren geändert worden“, bestätigt Wieler. Trotzdem plädiert er darauf, die Straßenausbaubeiträge nicht abzuschaffen. Der Stadtrat sollte ursprünglich im Mai darüber entscheiden. Das wurde aber verschoben – nach jetzigem Stand auf Ende Juni.