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Größter ostdeutscher Rangierbahnhof startet

Halle-Nord löst Leipzig-Engelsdorf und Dresden-Friedrichstadt ab: verspätet, 60 Millionen Euro teurer.

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© dpa

Von Michael Rothe

Der neue alte Güterbahnhof Halle-Nord rückt ins Rampenlicht – nicht nur, wenn dort 1 130 LED-Lampen an 650 Masten die Nacht zum Tag machen. Am Freitag wurde dort nach viereinhalb Jahren Bauzeit eine der modernsten Anlagen Europas eröffnet. Am Montag sollen auf 36 Gleisen die ersten Züge zusammengestellt werden.

Als Knoten für den ganzen Osten gehört der Rangierbahnhof, im Bahnsprech „Zugbildungsanlage“, zu den sechs großen in Deutschland. Binnen einer Stunde können 120 Waggons neu sortiert werden: von funkferngesteuerten Rangierloks über einen Ablaufberg gestoßen und aus einer Bedienkanzel digital so gesteuert, dass sie exakt am vorherigen Wagen anlanden. Notfalls schiebt eine automatische Förderanlage die Waggons über die letzten Meter.

Modernisierung und Erweiterung der 130 Jahre alten Anlage erfolgten parallel zum Bau der im Dezember eröffnete Hochgeschwindigkeitstrasse Berlin–Nürnberg. Gut 130 Weichen und 42 Kilometer Gleise wurden erneuert. Der Bund investierte 150 Millionen, die Deutsche Bahn (DB) weitere 30 Millionen Euro in den Verkehrsknoten. Ursprünglich waren die Gesamtkosten mit 120 Millionen Euro veranschlagt worden und eine Teilinbetriebnahme Ende 2015 vorgesehen. Der Komplex sollte schon im April letzten Jahres komplett am Netz sein.

Im Vergleich zum deutschen Primus, dem sieben Mal größeren Areal in Maschen bei Hamburg, ist Halle-Nord klein, aber bedeutend. Mit ihm soll der Einzelwagenverkehr Berlin–München und nach Südosteuropa wachsen. „Die Anlage wird mit dem Anschluss an das mitteldeutsche Chemiedreieck und für Stahl-Verkehre von und nach Tschechien eine wichtige Drehscheibe im europäischen Schienengüterverkehr“, sagt DB-Cargo-Chef Roland Bosch.

Im Vorfeld hatte die Bahn trotz heftiger Proteste den Bahnhof Dresden-Friedrichstadt mit 250 Leuten ausrangiert, Leipzig-Engelsdorf soll Ende 2018 schließen. DB-Aufsichtsrat Mario Reiß bezweifelt, dass „Halle mit seinen Stummelgleisen“ deren Kapazität auffangen kann. Die Gleismittenabstände seien zu klein, es habe plantechnische Fehler gegeben, so der Betriebsratschef von DB Cargo, Niederlassung Südost. „Die Anlage wird schnell an ihre Grenzen kommen“, prophezeit er. Immerhin biete sie die Chance, Güterverkehr und Jobs in der Region zu halten, sagt er. Derzeit werde ein Sozialplan für 300 Mitarbeiter verhandelt. Für sie seien ein Umzug oder Pendelei über teils 200 Kilometer eine Zumutung.