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Gewaltiger Ehrgeiz zur Walzen-WM

Die Kemnitzer Treckerfreunde müssen sich bei dem Spektakel gegen Motor-Doping und Anwalts-Anrufe wappnen.

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© Rafael Sampedro

Von Anja Beutler

Kemnitz. Als die Weltmeisterschaft im „Steinwalze ziehen“ als Idee am Biertisch entstanden ist, ahnte Wolfgang Eichler nicht, dass manche die Sache einmal so bierernst nehmen werden. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie akribisch sich manche vorbereiten, am Fahrzeug schrauben und basteln – und im Fall des Falles auch die Emotionen hochschlagen“, sagt er, schüttelt den Kopf und schmunzelt. Mit heftigen Gefühlsausbrüchen hatten es die Mitglieder des Vereins Kemnitzer Treckerfreunde erst im vergangenen Jahr zu tun, als es im Nachgang Beschwerden über einen Weltmeister gab, der gegen die Regeln verstoßen haben sollte. „Nach glaubhaften Protesten mussten wir ihm den Titel wieder aberkennen, aber da war er bereits abgereist mit Pokal und Urkunde“, sagt Eichler.

Abgekühlt ist das Thema aber noch immer nicht: Die Beschwerdeführer bringen jetzt zum Traktorentreffen am kommenden Wochenende ein Beweisvideo mit – einen Videobeweis sozusagen. Darin soll zu sehen sein, dass der Disqualifizierte die Befestigung der Walze am Fahrzeug in der Höhe verstellen konnte. Das ist aber nicht erlaubt und somit ein unlauterer Vorteil. „Weil das der Betroffene aber anders sieht, hat sich bei mir sogar sein Anwalt gemeldet“, erzählt Wolfgang Eichler. Dass er über diesen Umstand dennoch lächeln kann, liegt einzig und allein an einem Satz: „In unserem Reglement steht: Der Rechtsweg ist ausgeschlossen – zum Glück!“, klärt Treckerfreund Sven Zelyk auf.

Dennoch werden auch in diesem Jahr die Kemnitzer genau hinschauen und achtsam sein, denn sie wissen längst um das gewachsene Prestige des Weltmeister-Titels, der an diesem Sonnabend wieder in sieben Klassen vergeben wird. „Das ist ja wie beim Doping: Das ist auch nicht erlaubt und trotzdem wird es gemacht“, sagt Wolfgang Eichler. Er kann sich durchaus an Fälle erinnern, bei denen Teilnehmer das Typenschild am Motor geändert hatten, um in einer kleineren PS-Klasse starten zu können. Solche Fälle sind aber zum Glück selten.

Gerade weil es in Kemnitz fair – und bislang ohne Startgelder – zugeht, werden an diesem Wochenende wieder viele Gäste kommen – 500 Aussteller und rund 100 WM-Teilnehmer waren es in den vergangenen Jahren oft. Auch dieses Jahr stehen die Zeichen gut, darauf lassen zahlreiche telefonische Nachfragen schließen. Werbung hat vor allem ein Fernsehbeitrag gemacht, der mehrfach auf ZDF info gelaufen ist. Aber auch in den einschlägigen Fachzeitschriften sind die Kemnitzer und ihre Weltmeisterschaft längst bekannt. Sieger ist bei dem Wettstreit übrigens derjenige, der die alte Kemnitzer Granit-Steinwalze über ein zehn Meter langes Kiesbett zieht und damit in seiner Klasse entweder am weitesten kommt oder die Strecke am schnellsten überwinden kann. „Wir nehmen naturbelassenen Sand, dieses Jahr dürfte er sehr trocken sein – mal sehen, wer da die besten Chancen hat“, sagt Sven Zelyk. In der Tat gab es Jahre, in denen viele Fahrzeuge Schwierigkeiten hatten, die gesamte Strecke zu schaffen, ohne stecken zu bleiben.

Feststecken sollen übrigens auch die Teilnehmer auf ihrer Anreise nicht. „Wir haben zwar eine große Straßenbaustelle vor der Haustür, aber wir hoffen, dass sich die Gäste nicht irritieren lassen oder gar die große Umleitung fahren, wenn sie uns von Löbau aus ansteuern“, sagt Eichler. Denn erreichbar sei der Reitplatz trotzdem, macht er deutlich. Dass auf dem Reitplatz ab Freitagnachmittag alles zum Besten steht, hat der Verein mit seinen derzeit 26 Mitgliedern unerwarteter Hilfe zu verdanken. Denn die Kemnitzer sind personell an der Belastungsgrenze. „Wir werden ja auch nicht jünger“, sagt Eichler. Deshalb sind die Treckerfreunde sehr glücklich, dass ihnen in diesem Jahr erstmals mehrere Vereine aus dem Umland beim Aufbauen helfen: „Der Verein aus Meuselwitz, die Traktorenfreunde Drei Dörfer Eck aus Friedersdorf bei Görlitz und die Schöpstaler haben uns Hilfe angeboten“, freut sich Eichler.