Merken

Geständnisse zum Prozessauftakt

Zwei 18-jährige Mitglieder der „freien Kameradschaft“ waren an rechtsextremistischen Überfällen beteiligt.

Teilen
Folgen
© René Meinig

Von Alexander Schneider

Die Zeit in der Untersuchungshaft habe sie zum Nachdenken gebracht, berichteten die beiden jungen Männer in ihrem Prozess vor dem Amtsgericht Dresden. In Zukunft würden sie sich nicht mehr an solchen Angriffen beteiligen, sagten sie und meinten damit den Überfall auf eine Asylbewerberunterkunft in Stetzsch. Die jungen Männer zählen sich zur „freien Kameradschaft Dresden“, deren Zweck es sei, gemeinsam zu feiern und sich zu besaufen“, wie sie es nennen. Und, ach ja, politisch sei man „eher rechts orientiert“, sagten sie schwammig.

Am Freitag hat ihr Prozess vor dem Jugendschöffengericht begonnen. Neben den beiden 18-Jährigen saßen noch zwei weitere Dresdner (19, 22) auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Quartett vor, an einem Überfall auf eine Gruppe Jugendlicher im Alaunpark beteiligt gewesen zu sein. Gegen 1 Uhr nachts sollen sie im Juni 2015 zum Teil mit Schals und Sturmhauben vermummt zusammen mit weiteren Tätern unvermittelt die Gruppe angegriffen und zusammengeschlagen haben. Die Angeklagten haben dabei einen Rucksack und ein Handy erbeutet. Sie müssen sich daher wegen gefährlicher Körperverletzung und Raubes verantworten.

Den 18-Jährigen wirft die Anklage darüber hinaus vor, am Sonntag, 23. August 2015, kurz nach 23 Uhr mit drei Komplizen – wieder steckten ihre Gesichter unter Sturmhauben – die von Asylbewerbern bewohnte Unterkunft in der Podemusstraße angegriffen zu haben. Sie warfen mindestens sieben Pflastersteine und einen Knallkörper auf die Einrichtung, in der sich früher das Hotel Lindenhof befunden hatte. Unter anderem ging die Fensterscheibe des Heimleiter-Büros im Erdgeschoss zu Bruch. Der Böller explodierte im offenen Fenster eines Zimmers im ersten Stock, in dem zwei Bewohner in den Betten lagen. Sie seien mit dem Schrecken davongekommen.

Die beiden Hauptangeklagten sitzen nun seit fünf Monaten in Untersuchungshaft. Der Überfall in der Podemusstraße habe sich so zugetragen, wie es in der Anklage stehe, sagten sie nun. Weitere Angaben machten sie jedoch nicht.

Sie müssten weitere Ermittlungen fürchten, sagten ihre Verteidiger Andreas Gumprich und Andreas Suska. Grund dafür sei Timo S. (27) aus Freital, der seit November in U-Haft sitzt und inzwischen unter dem Verdacht steht, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Timo S. soll erst vor wenigen Wochen in einer Zeugenvernehmung auch Angaben zu dem Überfall in Stetzsch gemacht haben. Nicht ausgeschlossen ist offenbar, dass auch S. daran beteiligt war. Sein Name tauche immer wieder auf, hieß es. Das Schöffengericht will daher auch S. als Zeugen vernehmen.

Die beiden 18-Jährigen haben auch den Angriff im Alaunpark auf die Gruppe – „Linke, Alternative“, sagte einer – weitgehend gestanden. Einer – wer, blieb natürlich unklar – habe das Kommando „Los! Auf sie drauf!“ gegeben. Dann seien sie nur hinterhergerannt und hätten mitgemacht, sagten beide. „Wir selber sind eher Rechte.“ Auch der 19-Jährige schilderte die Aktion so. Alle drei sagten, sie gehörten zur „freien Kameradschaft Dresden“. Geschlossen in dieser Gruppe gingen sie etwa auch zu Pegida-Demos, sagten sie im Gerichtssaal. Die Angeklagten entlasteten ihren 22-jährigen Mitangeklagten. Der habe nicht mitgemacht und hinterher zu ihnen gesagt, das sei eine „Scheiß-Aktion“ gewesen.

Zum Anlass des Überfalls sagten die drei Schläger, sie alle sind Auszubildende, nichts. Es habe keine Provokation gegeben, die „Linken“ hätten ihnen nichts getan. Der 22-Jährige sprach von einem Angriff: Es sei davon gesprochen worden, auf die Gruppe loszugehen, sagte er. Dann sei das Kommando gekommen, und sechs bis acht seien – inzwischen teils vermummt – auf die Gruppe zugestürmt. In der Dunkelheit habe es großes Durcheinander gegeben.

Anhand der Reaktionen beim Betrachten der Fotos der Verletzten an der Richterbank zu schließen, müssen die Angreifer jedoch ganz schön zugeschlagen und zugetreten haben. Der Prozess wird am 26. Mai fortgesetzt. Neben Timo S. will das Jugendschöffengericht dann auch Geschädigte und Ermittler von der Polizei vernehmen.