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Geständnis im Kinderporno-Fall

Der Kamenzer Martin S. kommt mit Bewährung davon. Drohen ihm aber als Kreis- und Stadtrat nun Konsequenzen?

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© Jens Kaczmarek

Von Jana Ulbrich

Bautzen/Kamenz. In den Prozessakten ist alles haarklein aufgelistet: jede einzelne Computerdatei mit all diesen schmutzigen Fotos und Filmen allerschlimmsten Inhalts. Polizeibeamte haben sie in der Wohnung von Martin S. gefunden: Tausende Fotos und Videos, die den sexuellen Missbrauch von Kindern auf jede unmögliche Art und Weise zeigen, teilweise sogar den Missbrauch von Kleinkindern. Als der Richter aus den ellenlangen Beschreibungen vorliest, ist das Zuhören kaum noch zu ertragen.

Nur Martin S. zeigt keinerlei Regung. Im blauen T-Shirt sitzt er neben seinem Verteidiger auf der Anklagebank vor dem Bautzener Landgericht. Hier – in zweiter Instanz – hofft der 34-Jährige auf ein milderes Urteil als das, das ihm das Amtsgericht Kamenz ausgesprochen hatte. Das Kamenzer Schöffengericht hatte ihn im Oktober wegen Besitzes, Erwerbs und Verbreitung von kinderpornografischen Schriften zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dagegen hatte S. Berufung eingelegt. Er hatte behauptet, unschuldig zu sein und die Filme und Fotos von den Festplatten und CD-Rom in seiner Wohnung nicht zu kennen.

Angeklagter räumt Vorwürfe ein

Aber die Fakten sind eindeutig. Sie werden auch das Landgericht davon überzeugen, dass Martin S. nicht unschuldig ist. Aber eines könnte er in der Berufungsverhandlung erreichen: Strafmilderung. Die bietet ihm der Vorsitzende Richter, Volker Dratwinski zu Verhandlungsbeginn auch gleich an: Wenn er ein umfassendes Geständnis ablegt, könne er mit einer Bewährungsstrafe rechnen, S. ist einverstanden mit dem Deal. Mit seinem Geständnis muss die Beweisaufnahme nicht noch einmal von vorn beginnen. Der Sachverständige und die fünf geladenen Zeugen, die alle noch einmal hätten gehört werden müssen, können wieder nach Hause fahren.

S. lässt über seinen Anwalt erklären, dass er alle Vorwürfe ausnahmslos einräumt. Er selbst sagt nichts. Es kommt auch kein Wort der Reue über seine Lippen. Dennoch wirkt sich das Geständnis strafmildernd aus. Das Landgericht verkürzt die Haftstrafe auf ein Jahr und setzt sie über einen Zeitraum von drei Jahren zur Bewährung aus. S. muss sich regelmäßig bei einem Bewährungshelfer melden. Möglicherweise braucht er auch eine Therapie. Strafrechtlich ist der Fall damit so gut wie erledigt. Martin S. hätte höchstens noch die Möglichkeit, innerhalb einer Woche Revision einzulegen.

Was wird aus dem Kreistagsmandat?

Abgeschlossen ist die Angelegenheit aber noch lange nicht: Denn Martin S., Hauptschulabschluss und arbeitsloser Altenpflegehelfer, sitzt als ehemaliges NPD-Mitglied und mittlerweile parteiloser Abgeordneter in der Fraktion „Bürgervereinigung für Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung“ im Bautzener Kreistag und im Kamenzer Stadtrat. Darf jemand, für dessen Vorlieben Kinder gequält und gedemütigt werden, ein solches Mandat ausüben? „Für mich ist das unerträglich“, sagt Diethold Tietz, der für die Linke im Bautzener Kreistag sitzt.

Tietz hat sich die öffentliche Verhandlung angehört und ist entsetzt. „Ich werde das im Kreistag ansprechen“, sagt er. „Da muss doch etwas passieren.“ Passiert ist aber bisher nichts – weder in Kamenz, noch im Landkreis.

Von selbst wolle er seine Mandate vorerst nicht niederlegen, erklärt Martin S. nach dem Urteilsspruch selbstbewusst gegenüber der SZ. Er wolle sich da erst einmal mit seinen Fraktionsvorsitzenden beraten. In der Kreisverwaltung hält man sich offiziell bedeckt: „Solange wir nicht den genauen Wortlaut des Urteils im Detail geprüft haben, können wir nicht über mögliche Konsequenzen sprechen“, heißt es aus der Pressestelle. „Bis dahin werden wir uns auch nicht an Spekulationen beteiligen“, so ein Sprecher.

Stadt Kamenz prüft Verlust der Wählbarkeit

Auch aus dem Kamenzer Rathaus kommt am Dienstag nur eine vage schriftliche Stellungnahme. „Mit der Verurteilung von Herrn S. durch das Landgericht Bautzen zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung ist das dafür zuständige Gericht der Frage nach der Schuld und der damit verbundenen Strafbarkeit nachgekommen“, heißt es. Es sei verständlich, dass mit der Entscheidung des Gerichtes die Auswirkungen auf die Arbeit von Herrn S. als Stadtrat erneut zu betrachten sind und es sei sicher auch zu verstehen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger dazu Fragen stellen und Meinungen äußern. „Insofern ist es zunächst eine Angelegenheit von Herrn S., selbst die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen“, so Stadtsprecher Thomas Käppler. Die Stadt werde prüfen, inwieweit die bekannt gewordene Verurteilung rechtlich zum Verlust der Wählbarkeit führt.