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Geschicklichkeit vor Geschwindigkeit

Mehr als 200 Cross-Piloten düsten am Samstag beim Stoppelrennen in Strießen über den Acker.

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© Kristin Richter

Von Manfred Müller

Strießen. Gut 300 Kilogramm ist es schwer, das vierrädrige Gefährt des Meißners Sven Thomas. „Da muss man sein Gewicht schon ordentlich verlagern, wenn es in die Kurve geht“, sagt der Quad-Pilot. „Lofte“, so nennen ihn seine Freunde, will beim Strießener Stoppelcross in seiner Klasse auf Sieg fahren. Voriges Jahr sei ihm einer in die Seite gekracht und habe die Achse verbogen, erzählt der 42-Jährige. Als sie das Quad mühselig wieder fürs Rennen hergerichtet hatten, wurde die Veranstaltung abgebrochen. Der Dauerregen hatte die Piste in einen Schlammpfuhl verwandelt, sodass die Sicherheit der Fahrer nicht mehr gewährleistet werden konnte.

David Walter gehört zu den Begründern des Rennens.
David Walter gehört zu den Begründern des Rennens. © Kristin Richter
Maik Förster, Henry Maiwald und Sven Thomas (Lofte) aus Meißen (v.l.) sind zufrieden mit dem Wettkampf.
Maik Förster, Henry Maiwald und Sven Thomas (Lofte) aus Meißen (v.l.) sind zufrieden mit dem Wettkampf. © Kristin Richter
Marie Schubert zeigt die letzte Runde an.
Marie Schubert zeigt die letzte Runde an. © Kristin Richter

In diesem Jahr aber, beim dritten Strießener Stoppelcross, lief alles bestens. Die mehr als 200 Rennteilnehmer gingen bei trübem, aber trockenem Wetter auf den Parcours. Die Organisatoren hatten wegen der monatelangen Trockenheit die anderthalb Kilometer lange Piste sogar gewässert. Kein Schlamm, kaum Staub, und zwischen den einzelnen Rennen planierte ein Grubber die Löcher im Ackerboden. Die Erdbatzen hingegen, die ins Publikum flogen, wurden als Teil der speziellen Motocross-Atmosphäre verbucht. Für „Lofte“ reicht es am Ende nicht ganz zum Sieg, aber der Meißner ist auch mit Platz zwei sehr zufrieden. „Hut ab, was sie in diesem kleinen Dörfchen auf die Beine gestellt haben“, sagt er. „Dazu die perfekte Renn-Organisation – besser geht´s nicht.“

Die Teilnehmer am Strießener Stoppelrennen gingen in insgesamt 17 Fahrzeug-, Alters- und PS-Klassen an den Start. Da düsten schon Sechsjährige mit winzigen Zweirädern über den Acker und stiegen am Ende mit stolzgeschwellter Brust von ihrer Maschine. Besonders beliebt ist der Cross bei den Quadfahrern, deren Anteil von Jahr zu Jahr wächst. Auf dem Sprunghügel sah man sowohl von den Zweirad- als auch den Vierrad-Piloten spektakuläre Stunts, und viele Rennen waren spannend bis zum Zieleinlauf. „Wir haben darauf geachtet, dass Geschicklichkeit vor Geschwindigkeit geht“, erklärt David Walter. „Zwischen der schnellsten Simson-Maschine und dem Sieger in der höchsten Motorenklasse lagen gerade einmal zehn Sekunden.“ Von Unfällen bleib das Strießener Stoppelrennen deshalb weitgehend verschont. Lediglich ein leicht verletzter Fahrer musste von den Sanitätern behandelt werden.

Organisierten Motorsport gibt es in Strießen erst seit dem Frühjahr 2016. Da taten sich ein paar PS-begeisterte junge Leute und ein paar Fußballer zu einer Sportgemeinschaft zusammen. Aber das Dörfchen war auch schon vorher ein Geheimtipp in der Cross-Szene. Im Jahr 2008 hatte David Walter von der Meißner Agrarprodukte AG ein Stück gepachtet und gemeinsam mit Bruder Roy und einigen Freunden eine etwa 1000 Meter lange Strecke angelegt. Sie durfte zwar nicht für offizielle Sportveranstaltungen genutzt werden, aber die Brüder düsten regelmäßig mit Freunden über den Parcours. Die nächsten Rennstrecken lagen in Hirschfeld, in Kemmlitz bei Mügeln oder in Kröbeln bei Bad Liebenwerda, und die Strießener hatten keine Lust, für ein spontanes Hobbyrennen 40, 50 Kilometer weit zu fahren. Auf der Piste, die so weit von der nächsten Besiedlung entfernt ist, dass die röhrenden Motoren keinen Ärger mit den Anwohnern verursachen, gab es jedes Jahr im Frühjahr oder Herbst eine kleine private Crossveranstaltung. Der erste offizielle Stoppelcross fand im November 2016 auf einem Feld unmittelbar hinter David Walters Haus am Strießener Ortsrand statt. Ebenso der Zweite und dieses Jahr der Dritte. Das geht für die Bewohner der kleinen Siedlung natürlich nicht ganz ohne Beeinträchtigungen ab. Motorenlärm, Staub, laute Musik und zugeparkte Straßenränder sind bei einem Rennen mit 1 000 Besuchern nicht ganz zu vermeiden. Aber im Dorf überwiegt wohl die Freude, dass in dem kleinen Priestewitzer Ortsteil mal richtig etwas los ist. „Unsere Bürgermeisterin war auch hier und ganz begeistert von den Rennen“, sagt David Walter.

Diesmal seien auch nicht nur die Cross-piloten mit ihren Familien gekommen, sondern viele Neugierige, die sonst nichts mit dem Motorsport zu tun haben. Ob es 2019 ein viertes Rennen geben wird? David Walter neigt unschlüssig den Kopf. Der Aufwand sei schon beträchtlich – da könne er wochenlang an Haus und Grundstück keinen Handgriff tun. Andererseits drängten die vielen Freunde und freiwilligen Helfer und selbst die eigene Familie darauf. „Okay“, sagt der Strießener, „wenn morgen noch alle Nachbarn mit mir reden, machen wir es nächstes Jahr wieder.“