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Geheimtipp seit 20 Jahren

Seit 20 Jahren gibt es den Pub auf der Zscheilaer Straße. Trotzdem wissen manche Meißner nichts von ihm.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Die Wände glänzen grün. Ein Tresen zieht sich längs durch den Raum. Solide Holzbänke und Hocker stehen eng beieinander. Rustikale Lampen spenden warmes Licht. Schwarz-Weiß-Fotos, Emaille-Schilder und Fußball-Schals ergänzen die Ausstattung. Klarer Fall: Bei einem solchen Ambiente kann es sich nur um einen Pub handeln. Doch wo mag der in Meißen zu finden sein? Der Pub in der Altstadt hat vor Jahren nach mehreren Anläufen aufgegeben. Nix mehr mit Guinness, Kilkenny vom Fass. Tatsächlich liegt Meißens einziger Pub auf der rechten Elbseite, etwas versteckt, genau dort, wo sich Zscheilaer Straße und Melzerstraße kreuzen.

Benannt ist die irisch angehauchte Eckkneipe nach Malin Head, dem nördlichsten Punkt des irischen Festlands. Rauh brandet der Atlantik dort gegen felsige Gestade. Der Wind legt praktisch nie eine Pause ein. Insofern steht Meißens Malin Head eigentlich genau für das Gegenteil zum Nordkap: Für eine Oase der Gemütlichkeit, in der sich die Brandung der Zeit für zwei oder drei Guinness vergessen lässt.

Chefin im Malin Head ist Birgit Tänzer. Erst vor wenigen Tagen feierte sie mit vielen Gästen das Datum, an dem sie vor mittlerweile bereits zwei Jahrzehnten das Lokal von ihrem Vorgänger übernahm. Kurz bevor die Wirtin – wie täglich außer montags – die schweren Rollos nach oben ziehen wird, hat sie sich ein paar Minuten Zeit genommen für einen Blick zurück.

Mitte der neunziger Jahre war Sachsen in einer mittelschweren Depression versunken. Der Traum von Helmut Kohls blühenden Landschaften nach der Wende hatte sich ausgeträumt. Ein Betrieb nach dem anderen schloss seine Pforten und schickte seine Belegschaft auf die Straße. Die Oschatzerin Birgit Tänzer zählte damals keine vierzig Jahre. Noch kein Alter, um an den Ruhestand zu denken. Sie nutzte die Chance um einen Vorschlag aus der Umgebung aufzugreifen: „Du musst mal eine Kneipe aufmachen“, war ihr geraten worden. Gesagt, getan.

„Die ersten anderthalb Jahre waren schwierig“, denkt die heute 59-Jährige zurück. Es habe gedauert, sich einen guten Ruf aufzubauen. Mehr will sie dazu nicht sagen. Wozu die alten Kamellen von Vorgestern aufwärmen? Viel lieber blickt sie auf das, was sich seit 1998 ergeben hat.

Viele Stammgäste schätzen das familiäre Flair in der kleinen Schankstube. Hier muss man sich automatisch näherkommen. Angesichts der räumlichen Enge bleibt gar nichts Anderes übrig. „Da sind einige gute Freundschaften entstanden“, sagt die Wirtin. Bei irischem Bier und Whiskey von der Grünen Insel lockert sich die Zunge, drängen witzige und schmerzliche Anekdoten des Alltags nach draußen, wird manchmal auch gestritten und heftiger diskutiert.

Der Whiskey – das sei so ein Hobby von ihr, sagt Birgit Tänzer. Rund 100 verschiedene Sorten sind mittlerweile in den Holzfächern des großen Regals zusammengekommen. Als Lektüre liegt auf dem Tresen das aktuelle Heft des Whisky-Botschafters bereit. Mittlerweile habe sich auch bei Gin und in jüngster Zeit ebenfalls bei Rum ein ziemlicher Hype entfaltet.

Der Schuster sollte bei seinen Leisten bleiben, mag sich die Pub-Chefin denken. Da schreibt sie doch lieber den Einkaufszettel für die nächste Runde Shepherd’s Pie – übrigens auch ein Geheimtipp.