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Gegenwind fürs Elektrodenwerk

Die Firma Aicher bekennt sich zum Standort Bischofswerda, steht aber vor unerwarteten Herausforderungen.

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© Thorsten Eckert

Von Ingolf Reinsch

Bischofswerda. Keine Stellenausschreibungen. Kein symbolischer erster Spatenstich. Noch nicht einmal ein Bauantrag. Die Ende vorigen Jahres verkündete Neuansiedlung eines Elektrodenwerkes im Industriegebiet Bischofswerda Nord II mit 140 Arbeitsplätzen in der ersten Ausbaustufe verschiebt sich auf unbestimmte Zeit. Kurz vor Weihnachten 2017 hatte das Unternehmen Max Aicher mit Stammsitz im bayerischen Freilassing die Absicht bekundet, schnellstmöglich in Bischofswerda zu bauen und Ende 2018 mit der Fertigung von Graphitelektroden beginnen zu wollen.

Eine gute Nachricht gibt es trotzdem: Die Aicher-Gruppe bekennt sich auch jetzt zu ihren Plänen in Bischofswerda. Angela Aicher, Sprecherin der Firmengruppe: „Grundsätzlich verfolgen wir unser Ziel, selbst Elektroden zu produzieren, weiter. Die Elektrodenpreise sind nach wie vor exorbitant hoch. Nach dem Erwerb der Anlagen in Griesheim galt es eine geeignete Fläche für den Wiederaufbau zu sichern. Die Wahl fiel auf Bischofswerda. Hierzu stehen wir weiterhin.“ Allerdings müsse man vor der Umsetzung noch zwei Herausforderungen bewältigen. Zum einen haben sich die zu erwartenden Kosten gegenüber der ersten Schätzung etwa verdreifacht, sagt Angela Aicher. Zum anderen haben die etablierten Elektrodenhersteller von den Plänen des Unternehmens erfahren und wirken hier nun entgegen. „Entsprechend gibt es aktuell keinen belastbaren Zeitplan“, erklärt die Firmensprecherin.

Die Pläne waren auf der letzten Stadtratssitzung im Dezember 2017 öffentlich vorgestellt worden. Zuvor hatte der Wirtschaftsförderer der Stadt seinen Jahresbericht gegeben, der mit dem Ausblick endete: „Bekanntgabe Firmenansiedlung/Investition: Die Firma Max Aicher GmbH & Co. KG errichtet am Standort Bischofswerda auf circa 15 Hektar eine technologisch hoch innovative Elektrodenfertigung.“ – „Mit der Vorstellung im Rat ging die Veröffentlichung unserer Pläne einher, was sich als kontraproduktiv erwiesen hat“, erklärte jetzt Angela Aicher unter Verweis auf die Konkurrenz, und sie resümiert: „Die Ziele werden weiter verfolgt, vor der tatsächlichen Umsetzung sind jedoch noch einige Hürden zu nehmen.“

Aicher-Gruppe seit der Wende in Bischofswerda aktiv

Graphitelektroden werden gebraucht, um Elektrostahlwerke zu betreiben. Die Elektroden bestehen im Wesentlichen aus Kohlenstoff, werden aber so veredelt, dass sie extrem leitfähig und hitzebeständig sind. Sie halten 3 800 Grad Celsius aus. Sie werden in speziellen Öfen eingesetzt, in denen zwischen den Elektroden und Stahlschrott Lichtbögen brennen, die den Schrott einschmelzen.

Die Aicher-Gruppe plant in der ersten Ausbaustufe eine Jahresproduktion von 30 000 Tonnen. Gefertigt werden soll voraussichtlich rein elektrisch. Der prognostizierte Stromverbrauch würde in diesem Fall 210 000 Megawattstunden betragen. Die Enso könnte diese Strommenge liefern, sagt Unternehmenssprecherin Claudia Kuba. Für diesen Fall müsste der Investor – so wie jeder Kunde – beim Stromversorger einen Antrag auf Errichtung eines Anschlusses stellen.

Die Aicher-Gruppe will hinter der Handelsgesellschaft B & W an der Bautzener Straße bauen. Diese erwarb vor Jahren die Immobilie des einstigen Solarzellenproduzenten Arise und verkaufte im vergangenen Jahr neun Hektar an die Firma Aicher für deren geplantes Werk.

In Bischofswerda ist die Max-Aicher-Unternehmensgruppe bereits seit der Wende präsent – mit der Max Aicher Bischofswerda GmbH am Drebnitzer Weg. Diese arbeitet unabhängig von den Plänen für das Elektrodenwerk und sichert seit Jahren zwischen 72 und 74 Arbeitsplätze. Damit gehört sie zu Bischofswerdas großen Arbeitgebern im produzierenden Bereich.