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Gegen Starkregen gewappnet

Bis zum Jahresende sollen Starkregen und Tauwetter dem ländlichen Großenhainer Ortsteil nichts mehr anhaben können.

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© Anne Hübschmann

Von Manfred Müller

Großenhain. Fährt man aus Richtung Großenhain über die B 98 auf das Dörfchen Colmnitz zu, glaubt man eigentlich, auf dem flachen Lande zu sein. Auch ein Fluss oder wenigstens ein Bach ist weit und breit nicht zu sehen. Trotzdem wurde der Ort in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig überschwemmt. „Dörfer wurden früher dort angelegt, wo es Wasser gibt“, erklärt Ortschaftsrat Egbert Martin. „Auch wenn man es kaum sieht – unsere Häuser liegen in einer Senke.“ Ein untrügliches Zeichen dafür sind die beiden Teiche, die mitten im Ort liegen.

Der Teich muss dringend erneuert werden. Nicht nur optisch ist er unschön anzusehen. Bei starkem Regen hat Tischlermeister Üschner immer das Wasser in der Werkstatt stehen.
Der Teich muss dringend erneuert werden. Nicht nur optisch ist er unschön anzusehen. Bei starkem Regen hat Tischlermeister Üschner immer das Wasser in der Werkstatt stehen. © Anne Hübschmann
Die Zufahrtsstraße der Feuerwehr zum Löschteich geht durch das Grundstück der Üschners. Sie wollten es so, sonst hätte drei große Bäume gefällt werden müssen.
Die Zufahrtsstraße der Feuerwehr zum Löschteich geht durch das Grundstück der Üschners. Sie wollten es so, sonst hätte drei große Bäume gefällt werden müssen. © Anne Hübschmann

Und diese topografische Gegebenheit ist genau das Problem der Colmnitzer. Wenn im Winter der Boden gefroren ist und plötzlich Tauwetter einsetzt, kann das Wasser auf den umliegenden Feldern nicht versickern. Es läuft in Richtung Dorf und durch Gärten und Höfe schließlich in die Teiche. Diese schwellen an und setzen die umliegenden Grundstücke unter Wasser. „Früher gab es in der Ortslage Gräben, die für eine auseichende Entwässerung sorgten“, sagt Egbert Martin. Aber diese seien in den 1930er Jahren vom Reichsarbeitsdienst zugeschüttet worden. Stattdessen sollten Betonrohre das überschüssige Nass ableiten. Diese aber sind mittlerweile marode, von Baumwurzeln zerstört, und sie reichen auch vom Durchmesser her nicht aus, um Tauwassermassen oder Starkregengüsse abzuleiten, die das Dorf zuweilen fluten.

„Das Jahr 1977 werde ich nie vergessen“, erzählt Dorftischler Heiko Üschner. „Ausgerechnet zu meinem Schulanfang kam das Wasser aufs Grundstück gelaufen.“ Bis zu den Knien watete die Familie in Werkstatt und Nebengebäuden in den Fluten, um die wichtigsten Dinge in Sicherheit zu bringen. „Die Feier“, sagt Üschner, „konnten wir vergessen.“ Auch von den Überschwemmungen im Januar 2003 und im Februar 2006 war die Tischlerei, die unmittelbar neben dem westlichen Dorfteich liegt, betroffen. Bei Letzterer sogar zweimal innerhalb von zehn Tagen.

Deshalb setzten die Colmnitzer große Hoffnungen in die Eingemeindung nach Großenhain. Denn ihr Hochwasserproblem ist nicht so einfach zu beheben und kostet eine Menge Geld. Das Wasser kann im schlimmsten Fall aus drei Himmelsrichtungen ins Dorf gelangen – der Abfluss hingegen ist nur nach Norden über den Quallgraben/Rietzschgraben möglich.

Seit sich die Stadt der Sache angenommen hat, ist einiges passiert. In den vergangenen Jahren wurden zunächst die Ost- und Westseite hochwassersicher gemacht. Zum Beispiel durch die Aufschüttung von Feldwegen, das Ausheben von Gräben und die Ertüchtigung von Straßendurchlässen. Außerdem bekam das Dorf eine zeitgemäße Regenwasserkanalisation. Im Herbst nun sollen am Südrand des Ortes eine Wasser-Rückhaltefläche ausgebaggert und mit dem Aushub der vorhandene Wall umprofiliert werden. Dieser dritte Bauabschnitt ist der schwierigste, weil das Wasser, das aus Richtung Süden kommt, nicht ums Dorf herumgeleitet werden kann. „Das Geländeprofil gibt das einfach nicht her“, erklärt Bärbel Mittelstädt vom Stadtbauamt. Deshalb werden Voraussetzungen geschaffen, um größere Wassermengen kontrolliert durch den Ort und die Teiche zu leiten. Das heißt vor allem, die unterirdischen Durchlässe und Abläufe so zu ertüchtigen, dass sich dort auch bei Hochwasser nichts anstaut. Außerdem sollen im Rahmen einer Teichsanierung beide Gewässer entschlammt werden und so ein größeres Fassungsvermögen bekommen. Mittelfristige Klimaprognosen sagen für Sachsen steigende sommerliche Trockenheit, aber auch eine Zunahme von Starkregen voraus. In den vergangenen Jahren konnte man die Folgen des Klimawandels schon in etlichen Großenhainer Ortsteilen besichtigen.

Ob in Weßnitz, Strauch oder selbst im Stadtgebiet – überall hieß es nach Wolkenbrüchen schon „Land unter!“. Vor diesem Hintergrund wurde vom Rathaus ein „Handlungskonzept Starkniederschläge“ erarbeitet. Die Schätzung für die Investitionskosten beläuft sich auf mehr als zwei Millionen Euro. Deshalb wurden die Zeiträume für die Umsetzung bis ins Jahr 2031 gestreckt. Als nächste Vorhaben wurden Maßnahmen am Großenhainer Heimweg (2020), an der Alten Hauptstraße in Skäßchen (2023 und 2025), in Strauch (2024), in Wildenhain (2026) und in Weßnitz (2028) ins Auge gefasst.

Letztere ist mit 800 000 Euro auch die Teuerste. Im Juli 2012 war dort nach einem Starkregen das halbe Dorf abgesoffen. Die Ursache: Der verrohrte Bach, der das Wasser von den umliegenden Feldern ableitet, konnte die Fluten nicht mehr fassen.

Die Colmnitzer hoffen nun, dass das ausgefeilte Hochwasserschutzpaket, das ihrem Dorf umgesetzt wurde, schon im nächsten Winter Wirkung zeigt.