Merken

Gefährliche Begegnungen

Immer wieder werden Postboten von Hunden gebissen. Ein Training soll ihnen mehr Sicherheit geben.

Teilen
Folgen
© Norbert Millauer

Von Christian Eissner

Pirna. So sieht ein selbstbewusster Hund aus: Apollo sitzt in einem kleinen Karree, das Hundetrainerin Maren Große abgesteckt hat. Er beobachtet aufmerksam, was vor seinem Zaun passiert. Der achtjährige Schäferhund-Rüde hat entschieden: Das ist jetzt mein Revier. Ebenso selbstbewusst nähert sich eine Frau in blau-gelber Post-Uniform, einen Umschlag in der Hand, dem am Zaun angebrachten Briefkasten. Zügig und frontal läuft sie drauf zu.

Apollo schaut sich das genau eine Sekunde lang an, dann macht er einen Satz in Richtung der Absperrung. Den Kopf vorgestreckt, die Ohren angelegt, die Rute erhoben, fängt er an zu bellen und zeigt dabei seine Zähne. Eindeutiger kann eine Drohung nicht sein. Chris Knierenschild, der die Hundetrainerin heute unterstützt, hat Mühe, Apollo an der Leine zu halten. Wäre dies keine Übung, hätte die Situation für die Post-Mitarbeiterin böse ausgehen können. Dabei wollte sie einfach nur einen Brief in den Kasten am Zaun einwerfen.

Nach Angaben der Deutschen Post DHL Group sind bundesweit im vergangenen Jahr knapp 2 000-mal Briefträger und Paketboten, die im Auftrag des Unternehmens unterwegs waren, von Hunden gebissen worden. Auch im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge seien Hundebisse immer wieder ein Thema, bestätigt Ingolf Kulke, Fachkraft für Arbeitssicherheit im Post-Niederlassungsbereich Dresden. Interessierte Mitarbeiter schult die Post deshalb seit 2009 in speziellen Trainings, um die Zahl der Verletzungen zu reduzieren. Jetzt war Pirna an der Reihe.

Rund zwei Dutzend Frauen und Männer lauschen im Innenhof der Hauptpost an der Gartenstraße aufmerksam den Erläuterungen von Maren Große, die mit Schäferhund Apollo und der Belgischen Schäferhündin Luna aus Thüringen angereist ist. Maren Großer ist Hundeführerin bei der Polizei. Sie versteht die Körpersprache der Hunde und weiß, wie sie in welcher Situation reagieren muss.

Häufig gestellt wird die Frage, wie man sich einem Hund richtig nähert. Ist es besser, ihm selbstbewusst gegenüberzutreten und ihm seine Grenzen zu zeigen, oder sollte man Abstand halten? Bei einem unbekannten Hund immer Letzteres, sagt Maren Große. Oberste Maxime: niemals auf einen Kampf einlassen. Das kann mit Verletzungen enden, selbst wenn der Kontrahent nur ein Schoßhündchen ist.

Dass es Hunde besonders auf Briefträger abgesehen haben, ist kein Märchen, sondern eine Tatsache, die sich statistisch belegen lässt, sagt die Deutsche Post. Und es gibt tatsächlich auch eine Erklärung dafür. Hunde, die ein ausgeprägtes Revier- oder Schutzverhalten haben, verbellen den Briefträger, wenn er ans oder aufs Grundstück kommt. Jeden Tag. Und sie haben jedes Mal ein Erfolgserlebnis, denn der Briefträger geht ja auch immer wieder weg.

Auch kleine Hunde machen Stress

Gefährlich wird es, wenn sich der Postbote weiter ins Revier des Hundes vorwagt als üblich, weil er zum Beispiel eine Sendung persönlich übergeben muss. Die Besitzer sind dann in der Regel schockiert, weil sie nicht verstehen, warum ihr sonst so friedlicher Hund plötzlich aggressiv wird.

Und es sind nicht nur große Hofhunde, die den Post-Mitarbeitern Sorgen machen, sondern auch die kleinen Hündchen in Stadt-Wohnungen. Tatsächlich komme es auch hier regelmäßig zu Bissen, wenn Hunde am Besitzer vorbei aus der halb geöffneten Wohnungstür stürmen und nach dem Postboten schnappen, sagt der Arbeitssicherheits-Verantwortliche Ingolf Kulke. Die Empfehlung von Hundetrainerin Maren Große an die Post-Mitarbeiter in einer solchen Situation: Wenn man weiß, dass ein Hund hinter der Tür ist, nach dem Klingeln erst einmal Abstand herstellen, also zwei Schritte zurückgehen, vielleicht auch bis zum nächsten Treppenabsatz. Nur so hat man die Chance, zu reagieren, sollte der Hund losstürmen.

Maren Große demonstriert auch, wie die Sache mit Apollo und dem Briefkasten klappen kann. Sie bittet die Post-Mitarbeiterin, nicht frontal auf den Briefkasten zuzugehen, sondern in einer weiten Zickzacklinie, langsam, dabei dem Hund die Körperseite zuwendend. Damit signalisiert man ihm: Ich will dich nicht angreifen. Bei Apollo funktioniert das gut. Der Brief landet im Kasten, ohne dass der Schäferhund losstürmt und bellt.