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Gefährdetes Summen

Vom Bienensterben ist viel die Rede. Dabei zeigt sich auch in Görlitz und im Umland, dass die Tücke im Detail liegt. Denn: Biene ist nicht gleich Biene.

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Von Constanze Junghanß

Vom großen Bienensterben ist überall zu hören und zu lesen. Schon gibt es Horrorszenarien, dass die Bestäubung von Obst gefährdet sei und damit eine ausgewogene Ernährung der Menschheit. Wenn der Bienenzüchterverein am Naturschutzgebiet Rotstein in seine Statistiken schaut, sind diese Schlagzeilen weit fern. Mit über 30 Mitgliedern ist er der größte im Görlitzer Umland. Sein Einzugsgebiet reicht von Görlitz bis nach Krauschwitz im Norden und westlich bis nach Lawalde. Mehr als 300 Bienenvölker gibt es aktuell laut dem Vorsitzenden Günter Hain. Das sind immerhin 30 Völker mehr als noch vor einigen Jahren. Und auch die Mitgliederzahl im Rotstein-Zuchtverein ist um sieben Mitglieder von 23 auf 30 angewachsen. Mit Verweis auf Zahlen der Imker kommt auch der Sächsische Landesbauernverband zu diesem Schluss: Das „medial bemühte Bienensterben“ sei widerlegt. Allein bei den Mitgliedern des Landesverbandes Sächsischer Imker nahm in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Bienenvölker von 24 735 auf 36 179 zu. Ein enormer Anstieg von immerhin 46 Prozent im Freistaat. Also alles gut und tatsächlich nur Schlagzeilen?

Das Idealbild von Natur: Eine Biene fliegt von Blüte zu Blüte. Doch auch in Görlitz und seinem Umland ist das seltener als früher der Fall.
Das Idealbild von Natur: Eine Biene fliegt von Blüte zu Blüte. Doch auch in Görlitz und seinem Umland ist das seltener als früher der Fall. © Constanze Junghanß

Dr. Bernhard Seifert vom Senckenbergmuseum für Naturkunde in Görlitz ist da ganz anderer Meinung. „Gerade die Bestände der kommerziell genutzten und kultivierten Honigbiene sind ganz sicherlich nicht der empfindliche Indikator für die sich anbahnende ökologische Katastrophe“, sagt er . Die Honigbiene bekomme eine trockene und sichere Kunst-Wohnung gestellt, wird künstlich vermehrt, der Imker hilft ihr über Nahrungsengpässe durch Zufütterung hinweg. Und falls gerade Schmalhans Küchenmeister ist, könne ihr der Honig gelassen werden. „Die Situation bei Wildbienen ist in jeder Beziehung vollständig anders – sprich katastrophal“, so Bernhard Seifert. Das bestätigt das auch Sven Büchner von der Bioland-Imkerei Markersdorf. „In der Tat steigen die Zahlen der Honigbienenvölker“, sagt er. Der Begriff „Bienensterben“ sei eigentlich grundsätzlich falsch, wenn man das auf die Honigbiene bezieht. „Bei den Wildbienen sind die Rückgänge jedoch dramatisch“, so Sven Büchner. Aber wo ist dann das Problem, wenn die Zahl der Bienen insgesamt gleich bleibt? Biene ist eben nicht gleich Biene. Laut dem Naturschutzverband BUND erreichen wildlebende Insekten in der gleichen Zeit doppelt so viele Blüten wie Honigbienen. Andere Pflanzenarten sind für die Honigbiene gar nicht erreichbar. Beispielsweise der Rotklee, eine Futterpflanze. Sie hat lange, enge Blütenröhren, an die nur langrüsselige Hummeln herankommen. Der BUND schätzt, dass ein Drittel der Ernten unmittelbar von der Häufigkeit von Wildbienenbesuchen abhängig sei. Der Rückgang der Wildbiene könnte also zu einem Rückgang der Arten führen.

Umso erschreckender ist die „Rote Liste“ der gefährdeten Wildbienenarten in Sachsen, die vom Landesamt für Umwelt und Geologie seit 2005 veröffentlicht wird. Sie ist besonders lang. 407 Arten gibt es, davon werden 287 Arten als ausgestorben oder gefährdet eingestuft. In der Broschüre heißt es unter anderem: „Die stärksten Gefährdungen für die auf der Roten Liste geführten Wildbienen liegen im Agrarraum mit der herrschenden Intensivnutzung.“

Die 40 Völker von Sven Büchner stehen an unterschiedlichen Stellen, wie dem Stadtgut Görlitz, am Berzdorfer See, auf dem Görlitzer Friedhof und bald am Bio-Gut Krauscha. Beim Stadtgut bestäuben die Bienen Apfel- und Kirschbäume. Dass in diesem Frühjahr mancherorts in der Oberlausitz nur wenige Honigbienen zu sehen waren, könne einerseits damit zusammenhängen, dass kein Imker in der nahen Umgebung ist. Sven Büchner nennt noch einen weiteren Grund: „Andererseits hat das Obst 2018 sehr zeitig geblüht, im Winter gab es den Kälteeinbruch und die Völker waren noch nicht so weit“, sagt er.

Aktuell will der Naturschutzbund (NABU) mit einer bundesweiten Zählaktion dem überall vermuteten Insektensterben auf den Grund gehen. Die Aktion startete zum Monatsanfang und ist im Internet abrufbar. Jeder kann mitmachen. Das Projekt heißt „Insektensommer 2018“ und soll ein möglichst genaues Bild von der Welt der Insekten in den Städten und den ländlichen Regionen darstellen. Die Datenerhebung erfolgt in zwei Zeitspannen jeweils zehn Tage im Juni und August. Neben diversen Schmetterlingsarten und anderen Insekten sollen dabei unter anderem Hummeln, die Blaue Holzbiene und weitere Wildbienenarten erfasst werden. Die Zählaktion soll mehrere Jahre fortgeführt werden.

Seit diesem Jahr nun steht die Biene auch erstmals im Fokus der Vereinten Nationen. Mitte Mai wurde der Weltbienentag ins Leben gerufen. Dazu teilt die Pressesprecherin vom Landesbauernverband, Sabrina Lampe, mit: „Imker und Landwirte wissen nur zu gut, dass unsere Bienen für die menschliche Ernährung die drittwichtigste Nutztierart nach Rindern und Schweinen ist. Dabei geht es nicht in erster Linie um den produzierten Honig, sondern vielmehr um die Bestäubungsleistung der fleißigen Insekten.“ Das Bundeslandwirtschaftsministerium schätzt den Nutzen der Bienen auf rund zwei Milliarden Euro. Das Leben der Bienen beschäftigte kürzlich selbst die Politik. Der Landtag debattierte im April über das Thema Arten- und Insektensterben in Sachsen. Dabei wiesen Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) und der SPD-Landwirtschaftsexperte Volkmar Winkler pauschale Vorwürfe gegen die Landwirtschaft als vermeintliche Verursacherin für einen Artenrückgang zurück. Und in wenigen Tagen sollen Landwirte, Obstbauern und Imker beim Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Nossen ins Gespräch kommen.

Doch es gibt auch Kritik. Die kommt aus den Reihen des Landesverbandes Sächsischer Imker. Ihm gehören 4 271 Imker in 160 regionalen Vereinen im Freistaat an. Die Imker schlugen im Dezember 2017 jedenfalls Alarm. Der Verband sprach sich gegen die Verlängerung der Genehmigung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat aus. Ein entsprechendes Schreiben wurde an Landwirtschaftsminister Schmidt versandt. Darin heißt es unter anderem: „Leider ist die Naturbelassenheit und hohe Qualität unseres Honigs durch Rückstände aus der konventionellen Landwirtschaft zunehmend gefährdet, wie aktuelle Rückstandsmessungen belegen.“ Insbesondere zeigte sich in den vergangenen Jahren eine zunehmende Belastung des Honigs mit Glyphosat, wobei der aktuell zulässige Grenzwert für Honig enorm überschritten werde. So seien im Raum Bautzen beispielsweise erhöhte Glyphosatrückstände festgestellt worden. Das Thema ist keineswegs völlig neu. Wissenschaftler der Freien Universität (FU) Berlin kamen vor vier Jahren zu dem Schluss, dass Pflanzenschutzmittel sogar die Orientierungsfähigkeit von Honigbienen und anderen bestäubenden Insekten beeinträchtigten. Schon kleine Mengen von Pestiziden wirken sich auf das Nervensystem auch von Wildbienen und Hummeln aus, wie die Forscher um den Neurobiologen Professor Randolf Menzel herausfanden, heißt es in einer Uni-Veröffentlichung.

Das Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt des Landkreises Görlitz informiert über ein ganz anderes Problem. Die Amerikanische Faulbrut – auch als bösartige Faulbrut bezeichnet – ist eine anzeigepflichtige Erkrankung der älteren Bienenbrut. Zwar konnten im Mai die in Rothenburg und Uhsmannsdorf geltenden Sperrbezirke wieder aufgehoben werden, da Nachuntersuchungen keine weiteren Anhaltspunkte für die Faulbrut ergaben. In Lodenau und Nieder Neundorf dagegen werden die Sperrbezirke mit einem Umkreis von einem Kilometer bis auf Widerruf aufrechterhalten werden müssen. Bei der im Volksmund auch als „Bienenpest“ bezeichneten Erkrankung löst sich die Larve auf und übrig bleibt nur ein zäher Schleim, der letztendlich eintrocknet. Für den Menschen hat das keine Folgen. Und doch zeigt es, dass die Biene vielen Gefahren ausgesetzt ist.