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Gedenken an eine starke Frau

Der Mord an Marwa El-Sherbini jährt sich zum neunten Mal. Aus den tragischen Ereignissen ist auch etwas Gutes entstanden.

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© Bonss

Von Alexander Schneider

Am Sonntag jährt sich der rassistische Mordanschlag auf Marwa El-Sherbini. Die damals 32 Jahre alte Muslima aus Ägypten wurde am 1. Juli 2009 im Landgericht Dresden nach ihrer Zeugenaussage noch im Gerichtssaal erstochen. Täter war der Angeklagte in jenem Berufungsprozess, ein damals 28-jähriger Russlanddeutscher.

Marwa El-Sherbini hatte den Mann nach einem Streit auf einem Spielplatz in der Dresdner Johannstadt angezeigt, weil sie sich die islamfeindlichen Beleidigungen des Täters nicht gefallen lassen wollte. Sie musste ihre Zivilcourage mit ihrem Leben bezahlen. Nachdem sie als Zeugin vernommen worden war und mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Sohn den Gerichtssaal verlassen wollte, stürzte sich der Angeklagte plötzlich auf sie und stach immer wieder mit seinem Messer auf die schwangere Frau ein.

Sie starb noch im Gerichtssaal, ihr Mann wurde lebensgefährlich verletzt. Er hatte versucht, dem Täter das Messer zu entreißen und wurde von einem herbeieilenden Polizeibeamten, der ihn für den Angreifer gehalten hatte, ins Bein geschossen.

Marwa El-Sherbini, die ihr Kopftuch mit Stolz getragen hatte, war alles andere als eine unterdrückte Muslima. Sie hatte für Ägyptens Handball-Nationalmannschaft gespielt, sie hatte Pharmazie studiert und sie hatte ihren Mann, einen Wissenschaftler, mit nach Dresden begleitet.

Der geplante Anschlag hatte nicht nur bundesweit und international Entsetzen ausgelöst. Er hat auch die Dresdner Justiz in einen Schock versetzt. Seit der Tat werden an allen sächsischen Gerichten Besucher am Eingang kontrolliert. Es gab auch positive Folgen nach dem entsetzlichen Anschlag. Muslime hatten in Dresden plötzlich eine Stimme, es gründete sich ein „Marwa El-Sherbini Kultur- und Begegnungszentrum“, im Ausländerrat gründete sich ein Frauentreff, wo regelmäßig Muslimas in einem geschützten Raum zusammenkommen. Das ist Jahre her.

Inzwischen finden allmontaglich islamfeindliche Demonstrationen statt. Erst am 11. Juni demonstrierten etwa 50 Menschen vor der Volkshochschule gegen einen angeblichen „Burka-Tragekurs“, sie wetterten, sich nicht vom Oberbürgermeister vorschreiben zu lassen, eine Burka zu tragen. Dass der „Kurs“ tatsächlich ein Vortrag war, der seit zweieinhalb Jahren einmal im Semester angeboten wird, und sich an Interessierte wendet, die mehr über die Traditionen erfahren wollen, interessierte die Demonstranten nicht. Umso bemerkenswerter ist, dass ausgerechnet eine Amtsrichterin aus Meißen eine der Wortführerinnen dieses bizarren Protestes war. Gegen sie laufen disziplinarrechtliche Untersuchungen. „Zu personellen Fragen äußern wir uns nicht“, sagte Landgerichtspräsident Martin Uebele dazu gegenüber der SZ.

Das Justizministerium veranstaltet am Montagmittag eine Feierstunde im Foyer des Landgerichts im Gedenken an Marwa El-Sherbini. Schon am Sonntag, 14 Uhr, lädt der Ausländerrat zum Haupteingang des Landgerichts am Sachsenplatz, um dort ein Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Um 15 Uhr findet eine Lesung im Johannstädter Kulturtreff, Elisenstraße 35, statt.