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Gärtnern gegen Krisen

Ein Verein will Dresden zur Selbstversorgerregion machen. Der ist aber nicht unumstritten.

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© René Meinig

Von Andreas Weller

Bio boomt. In ganz Deutschland sind ungespritzte Lebensmittel immer mehr gefragt. Fast zehn Milliarden Euro gaben die Deutschen 2017 dafür aus, ein Zuwachs von zehn Prozent. Die Produzenten kommen der steigenden Nachfrage kaum noch nach. Deshalb suchen die Mitglieder eines Vereins einen Weg, wie Dresden und die gesamte Region versorgt werden können. Die Idee: „Ein Ring aus Naturgartendörfern um die Stadt verwandelt ausgeräumte und vergiftete Agrarwüsten in blühende Lebensräume. Biologische Lebensmittel können dank Humusaufbau und Baumpflanzungen in der Region in fruchtbaren und lebendigen Gärten wachsen.“ So formuliert es „Lebensraum e.V. in Sachsen“.

Klaus Werner ist eigentlich Elektronikfacharbeiter, seinen Nachnamen möchte er nicht nennen. Er ist Vorsitzender des Vereins, der in die Kritik geraten ist. Die Mitglieder hatten sich beim Zukunftsstadt-projekt der Stadtverwaltung um Bundesfördergelder beworben. Da waren auf der Internetseite des Vereins noch Verweise auf die Anastasia-Bewegung zu finden. Anastasia-Bücher galten für den Verein als Grundlage fürs Bio-Gärtnern. Doch Sektenforscher aus der Schweiz kommen zu der Einschätzung, dass sie eine „stark nationalistische, verschwörungstheoretische und rechtsesoterische Ausrichtung hat und „sektenhaft“ ist. Die Protagonisten verkehren in „rechtsnationalistischen Kreisen“.

Klaus Werner weist das von sich und dem Verein. Anastasia wird auch nicht mehr beworben. „Unser Konzept ist es, Lebensmittel für die Stadt zu erzeugen.“ Es gehe darum, sich auf „Mutter Erde“ zu besinnen. „Dafür gibt es viele Ansätze“, sagt der Vorsitzende. „Eigentlich setzen wir eher das Konzept um, wie es Ralf Otterpohl in seinem Buch beschreibt.“ Er meint „Das neue Dorf.“ Es gebe Beispiele, dass auf 1 000 Quadratmetern biologisch bewirtschafteter Fläche so viel angebaut wird, dass 50 000 Euro Ertrag entstehen. Das gehe weit über die Menge hinaus, die für die eigene Familie benötigt werde. Deshalb könnten andere mitversorgt werden.

Dass es eben auch rechtslastige Bio-Bewegungen gibt, störe den Verein aber nicht. „Wir distanzieren uns von nichts, sondern wollen uns grundsätzlich aus Bewertungen heraushalten“, so der Vorstand. Mindestens ein Mitglied hat eine fragwürdige Vergangenheit in diese Richtung. Robert Köhn war bis 2016 ein Jahr Reichsbürger und „Vertreter der administrativen Regierung des Bundesstaats Sachsen“. Heute sagt er, es sei eine „Erfahrung“ gewesen. „Davor hatte ich eine längere linke Phase. Beides ist nicht der richtige Weg“, so Köhn. Viel wichtiger sei es, sich von der Idee des Vereins nicht abbringen zu lassen. „Wir haben ein globales ökologisches Problem. Deshalb sollten sich Gärtner nicht spalten lassen.“ Nur werde den Menschen nicht beigebracht, sich selber zu versorgen.

Deshalb probieren die derzeit rund 17 Familien, die Mitglied in dem Verein sind, viel aus. Zunächst jeder in seinem eigenen Garten, die sich alle in Dresden oder im Umfeld befinden. Köhn hat seit einer Weile eine Streuobstwiese, kurz hinter der nördlichen Stadtgrenze. 2 700 Quadratmeter stehen zum Gärtnern zur Verfügung. Es gibt einen Erdkühlschrank, Komposthaufen, ein Hochbeet, viele Bäume und Sträucher. Eigentlich planen die Mitglieder aber ganze Siedlungen. „Die Idee ist, einen Mutterhof zu haben“, erklärt Köhn. Dort solle es Waschmaschinen, Internet, Konferenzräume und mehr geben, was alle nutzen können. Dann könne jede Familie einen Hektar Land zum Anbauen haben. Ob die Menschen dort auch leben, entscheiden sie selbst. „Wir geben nichts vor“, erklärt Köhn. Seine Streuobstwiese sei eine Art Pilotprojekt. Dieses werde wissenschaftlich begleitet. Beispielsweise sollen immer wieder Bodenproben ausgewertet werden, um zu erfahren, ob dieser ertragreicher wird. Parallel sucht der Verein weitere Flächen am Stadtrand. Nur so könne man sich gegen Krisen wie einen weltweiten Handelskrieg und eine mögliche Unterversorgung wappnen, sondern sich eben selber versorgen. „In zehn Jahren gucken wir, ob es funktioniert“, so Köhn.

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