Merken

Furchterregendes Krachen und Donnern

Als die Elbe noch regelmäßig zufror, war das mit Angst und Schrecken verbunden.

Teilen
Folgen
© Emil Zöllner

Von Udo Lemke

Meißen. In früheren Zeiten sahen die Menschen, die an der Elbe wohnten, dem Eisaufbruch auf dem Fluss alljährlich mit banger Erwartung entgegen. „Gefährlich wurde das Eis, wenn es sich in Bewegung setzte, der Fluss sich seiner Eisfesseln entzog.“ So ist es im Stadtarchiv Meißen zu lesen in „Die Eisfahrt bei Meißen im Jahre 1845. Treu aufgezeichnet von einem Augenzeugen“. Der Bericht beginnt mit der Feststellung, dass ein schweres Unglück über das arme Meißen hereingebrochen sei.

„Am gesamten Elbstrom führte die Eisflut vom Frühjahr 1845 zu Überschwemmungen, Zerstörungen von Häusern, Brücken, Deichen, Verlust von Saaten und Vieh und in der Folge zu Not und Elend vieler hilfsbedürftiger Familien.“ Das schrieb Otto von Bismarck, der spätere Reichskanzler, der die Elbe als Deichhauptmann in Jerichow, südlich von Stendal, kannte.

In einem Buch zum Strombau von 1816 werden die Dresdner Augustusbrücke und die Meißener Elbbrücke ausdrücklich als Gefahrenstellen aufgeführt. Bleibt das Treibeis hängen und verfestigt sich durch die nachdrückenden Eismassen, so bilden sich Eisversetzungen. Diese Stopfungen verstärken sich bei anhaltendem Frost. Das Eis türmt sich auf, hält das weiter herantreibende Eis auf und der Eisstoß wächst oder „pflanzte sich schnell nach oben fort“, wie es im Buch „Das Eisbrechwesen im Deutschen Reich“ im Jahr 1900 hieß.

Vor Ort kündigte sich der Eisaufbruch durch lautes, furchterregendes Krachen und Donnern an. Die Menschen sahen das wild tosende Wasser und die sich auftürmenden Eismassen. Und in der „Chronik der Dresdener Elbbrücke“ von 1848 ist zu lesen: „Das Getöse der an den Eisbrechern und Bogengewölben zerschellenden Häuser, Flöße und Gerüste, deren Langholz wie Tonpfeifenröhren zerbrachen, war fürchterlich und erfüllte die Bewohner der Elbufer mit immer größerem Graus.“

Aber auch, was Meißen betrifft, gibt es eine solche Schilderung von Ende März 1845, wo gewaltige Eisschollen gegen die steinernen Pfeiler der Elbbrücke geschoben wurden. Ein Augenzeuge berichtete, dass ein sehr festes Eisfeld mit solcher Gewalt an einem der Brückenpfeiler heraufgeschoben wurde, dass „es das über die Brücke führende Trottoir sammt dem eisernen Geländer, zum großen Entsetzen der noch darauf stehenden Menschen, etwas in die Höhe stieß und von oben mit den Händen zu greifen war“.

Es gab Versuche, ein Melde- und Vorwarnsystem zu etablieren, um die Bevölkerung frühzeitig vor den anströmenden Gefahren zu warnen. In Sachsen wurde zum Beispiel 1785 die „Signalgebung mittels Kanonenschüssen von der Festung Königstein“ zur Warnung der Stadt Pirna angeordnet. Später wurden Wachen aufgestellt, die im Notfall schnell Hilfsmannschaften zusammenrufen sollten.

Die Deichanlieger wurden also gewarnt und mussten zum Schutz der Deiche und zur Rettung ihres Hab und Guts bereit sein. Die Deiche an der Elbe waren lange eine Schwachstelle, da sie oftmals zu niedrig angelegt, kaum unterhalten und von den Interessenten nach eigenem Gutdünken aufgeführt wurden. Was ein guter Deich bewirkt, zeigt ein Bericht aus Wittenberge von 1838. Da heißt es zum Hafendeich, dass dieser „große Dienste geleistet hat, und der Länge nach die haushohen Eismassen auf seinem Rücken trägt, die uns das Schicksal zugedacht zu haben schien“.

Der Artikel folgt dem Aufsatz „Eis auf der Elbe“ von Sylvina Zander, veröffentlicht im eben erschienenen Band „Die Elbe“, Leipziger Universitätsverlag 2018.