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Fruchtwachs gegen Graffiti

Am Ufer der Weißeritz schützt ein besonderes Mittel die Sandsteinwände vor wilden Schmierereien.

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© Johannes Baumert

Von Johannes Baumert

In Schutzanzug und Gesichtsmaske steht Dirk Müller in einer riesigen Staubwolke. In seiner Hand hält er das Ende eines großen Schlauches, das er auf die Sandsteinmauern an der Weißeritz gerichtet hat. Es dauert wenige Minuten, bis die letzten Reste der mannshohen Buchstaben verschwunden sind, die Sprüher nachts auf die Wand gemalt haben. Später folgt noch der Schutz. Mit seinem Kollegen Denis Lehmann beschichtet er die Ufermauer unterhalb der Löbtauer Brücke mit einem Mittel aus Fruchtwachs. Die durchsichtige Flüssigkeit soll dafür sorgen, dass neue Farbe leichter abgewaschen werden kann.

Das bunt gestaltete Pegelhäuschen am Emerich-Ambross-Ufer ist auch eine Methode, gegen illegale Graffiti vorzugehen.
Das bunt gestaltete Pegelhäuschen am Emerich-Ambross-Ufer ist auch eine Methode, gegen illegale Graffiti vorzugehen. © Marion Doering

Müller und Lehmann sind Profis, wenn es um die Reinigung von beschmierten Flächen geht. Für die Thüringer Firma Muschert machen sie alles sauber, was zuvor von Sprühern mit Farbe verunstaltet worden war. Meist sind das Mauern, Brückenpfeiler oder Schallschutzwände. Dabei hilft ihnen ein Verfahren, bei dem mit hohem Druck von zehn Bar, winzige Sand- und Glaspartikel auf den Stein geschossen werden. „Der Sand und das Glas schmirgeln die Farbe wieder von der Mauer runter“, erklärt Lehmann. Der 34-jährige ist seit drei Jahren in ganz Deutschland im Einsatz, um beschmierte Flächen wieder zu reinigen. „Es gibt natürlich Unterschiede in der Entfernung, je nachdem, wie der Untergrund beschaffen ist“, sagt er. So hält die Farbe auf glattem Untergrund nicht so gut wie auf rauen Flächen. Außerdem gebe es Farben, die schwieriger zu entfernen seien als andere. „Manchmal schaffen wir 40 Quadratmeter am Tag, an anderen Tagen über 100“, erläutert Lehmann. Das Graffito an der Weißeritz ist hartnäckig, die Farbe ist tief in den Stein eingezogen. Fast fünf Stunden brauchen die zwei Männer, um das etwa 30 Quadratmeter große Bild von der Uferwand zu entfernen.

Lehmann und Müller kommen aus Unterwellenborn. In der thüringischen Kleinstadt hat ihr Arbeitgeber seinen Sitz. Geschäftsführer Marcel Muschert gründete das Unternehmen vor 20 Jahren. Auf Reisen nach Berlin, London und New York sah er, wie viele Flächen in Großstädten besprüht waren. Der Industriekaufmann merkte damals, dass es nur wenige geeignete Mittel gegen Graffiti gab. So entwickelte er mit Freunden über viele Jahre hinweg einen Schutz, an dem Farbe nicht gut haftet. Entweder perlt sie von den beschichteten Flächen ab, oder sie kann besonders leicht abgewaschen werden.

Neun Angestellte arbeiten für seine Manufaktur, die das Spezialmittel aus Fruchtwachs herstellt. Dabei gibt es verschiedene Arten. Bei der stärksten Beschichtung kann man mit einem Putzmittel und einem Hochdruckreiniger Graffiti bis zu 15-mal von der Wand waschen, ehe die Schicht erneuert werden muss. Eine andere Lasur muss zwar nach jeder Reinigung neu aufgetragen werden, dafür könne man sie mit einem Hochdruckreiniger und warmem Wasser aber leicht entfernen. „Dann bricht das Wachs und schält sich von der Wand“, erklärt Muschert. Insbesondere in Gebieten, in denen es häufig Hochwasser gibt, bringe die Technik viele Vorteile. Denn das Wasser reiße die Wachsschicht von der Wand und spüle so auch das Graffito weg. Deshalb ist es dem 44-Jährigen auch besonders wichtig, dass seine Produkte umweltfreundlich sind. „Unser Ziel ist es, nachhaltig zu produzieren“, sagt Muschert. Doch die Rezeptur der Schutzschicht muss immer wieder an die Zusammensetzung der Graffiti-Farben angepasst werden. Denn die Farbhersteller ändern hin und wieder die Inhaltsstoffe. „Wir haben den Vorteil, dass wir vor Ort sind und die Veränderungen merken, wenn wir das Graffito entfernen“, so Muschert. „Dann können wir schnell reagieren“. Immer häufiger beauftragen Privatleute Muschert und seine Kollegen. Doch die meisten Auftraggeber sind Städte oder Gemeinden, die mit Sprühern zu kämpfen haben.

Zahl der Schmierereien steigen

So wurden 2014 in Dresden 87 Graffiti an Brückenpfeilern und Lärmschutzwänden gezählt, 2016 waren es schon 118, Tendenz steigend. Rund 50 000 Euro kostet es die Stadt jedes Jahr, die Flächen zu reinigen.

Der Projektleiter der Landestalsperrenverwaltung, Reinhard Scholz, geht deshalb neue Wege, um der Schmierereien Herr zu werden. An bestimmten Stellen gibt er Street-Art-Künstlern die Möglichkeit, legal zu sprühen. Auch an der Weißeritz konnten sie sich mit einer bunten Unterwasserlandschaft verwirklichen. An anderen Wänden, die nicht bemalt werden sollen, trägt die Firma Muschert ihre Schutzschicht auf. Der Firmenchef ist sich sicher, dass er noch viel zu tun haben wird. Das Malen auf Wänden gebe es schließlich schon seit der Steinzeit. Nur die Möglichkeiten, die Farben zu entfernen, sind neu.